Volltext Seite (XML)
534 Nr. 6. » STAHL UND EISEN.“ Juni 1890. Wird zum Dampfkesselbau das geeignete weiche Flufseisen, welches, wie die Unter suchungen ergeben, beim Thomas-Procefs sowohl wie beim basischen Siemens-Martin-Procefs mit sehr grofser Regelmäfsigkeit und Sicherheit er zeugt wird, verwendet und wird bei der weiteren Verarbeitung zu Kesseln die nöthige Vorsicht beobachtet, so wird man nicht nur eine wesent- liehe Ersparnifs in der Beschaffung erzielen, sondern solche Kessel werden auch eine viel gröfserer Sicherheit wie die bisherigen Schweifs eisen-Kessel bieten, und es ist auch anzunehmen, dafs die Unterhaltungskosten gegen früher be deutend herabgedrückt werden. J. B. Zuschriften an die Redaction. Zur Frage der Herstellung von Thomasstahl höherer Härtegrade. Die Mittheilung des Hrn. Mehrtens, er habe seine Ansicht auf den citirten Ausspruch des Hrn. Gouvy gegründet, bietet mir- keine Ver anlassung, meine in Heft 5 dieser Zeitschrift zum Ausdruck gebrachte Auffassung irgendwie zu ändern, ich mufs vielmehr das daselbst Gesagte in allen Punkten aufrecht erhalten. Ob Hr. Gouvy recht hat, soweit einige aufserdeutsche Werke in Betracht kommen, weifs ich nicht, — für viele der selben, sowie für die deutschen Werke, besonders aber für den Stand des Thomasprocesses im rheinisch - westfälischen Bezirk, der ja auch in die Beurtheilung eingeschlossen war, ist seine Ansicht eben nicht zutreffend. Dafs härteres Flufseisen mit Erfolg zu Brücken bauten, namentlich im Auslande, benutzt wurde, ist allgemein bekannt. Es ist aber auch eine nicht zu bestreitende Thatsache, dafs die Mehrzahl der Fälle, in denen Flufseisen während oder nach der Bearbeitung brach, bei der Verwendung härterer Sorten vorkamen. Die gröfsere Empfindlichkeit höher gekohlten Flufseisens und die Neigung, bei der Bearbeitung gefährliche Spannungen zu erhalten, läfst sich übrigens schon durch einfache vergleichende Ver suche nach weisen. Wenn es nun auch gelingt, bei Aufwendung der nöthigen Sorgfalt härteres Material zu Bauwerken mit ausreichender Sicher heit zu verarbeiten, so ist doch andererseits zu berücksichtigen, dafs die erforderliche Beaufsich tigung aller Einzelheiten der Bearbeitung nicht immer durchführbar und in manchen Fällen geradezu unmöglich sein wird, und es kann nicht geleugnet werden, dafs eben dadurch eine gewisse Unsicherheit entsteht. Es wird das Bestreben eines jeden Constructeurs sein, der die Verant wortung für die von ihm getroffene Auswahl des Materials zu tragen hat, vor allen Dingen ein Material zu benutzen, welches unter allen Um ständen, also auch z. B. bei etwaiger unrichtiger Bearbeitungsweise, die gröfstmögliche Aussicht auf zuverlässiges Verhalten bietet. Da unsere weicheren Flufseisensorten dieser Anforderung in hohem Mafse entsprechen und doch dabei dem Schweifseisen gegenüber manche Vortheile bieten, so unterliegt es für mich keinem Zweifel, dafs die Einführung des Flufseisens für Bauzwecke am besten gefördert wird durch ausschliefsliche Ver wendung der weicheren Sorten. Ein Flufseisen von 0,23 % C kann ich, da zu den härteren Sorten gehörig, nicht mehr als unbedingt zuverlässiges Constructionsmate- rial betrachten. Ob Thomasflufseisen dieser Härte die mit dem Material der Forthbrücke vorgenom menen Qualitätsproben in derselben Weise wie Martinflufseisen aushalten würde oder nicht, kann nur auf Grund vergleichender Versuche ent schieden werden; solche fehlen bis jetzt, und ist diese Frage also einstweilen noch als offene zu betrachten. Hütte »Phoenix«, im Mai 1890. Sprinyorum. Doppelexplosion Wenngleich die Frage nach den eigentlichen Ursachen der Doppelexplosionen der Puddelöfen nicht endgültig entschieden ist, so ist doch zweifel los, dafs wir in ihrer Erkenntnifs durch die in dieser Zeitschrift gegebenen Anregungen um einen tüchtigen Schritt vorwärts gekommen sind. Wird auch der Puddelbetrieb mit seiner Sklavenarbeit über kurz oder lang als »nicht mehr zeitgemäfs« vom Schauplatze verschwinden und dürfte man * Vergl. »Stahl und Eisen« Nr. 3, S. 205; Nr. 4, S. 307; Nr. 5, S. 444. der Puddelöfen.* in einigen Decennien den »letzten Puddler« in einem Panopticum für Geld sehen können, so ist dennoch fraglicher Gegenstand ohne Zweifel in mehrfacher Hinsicht von so grofsem Interesse, dafs es sehr angezeigt wäre, wenn sich recht viele Fachleute mit der Lösung dieser Frage beschäf tigen würden, wenn alle Daten, welche sich aut solche und ähnliche Fälle beziehen, gewissenhaft zusammengestellt, geprüft, verglichen und erörtert würden. Wenn erst einmal die Ursachen erkannt sein werden, dann wird es auch nicht schwer fallen, Mittel und Wege zu finden, um derartige,