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Juni 1890, STAHL UND EISEN. Central verband ist auch der Ansicht, Massenstreiks die Eintreibung der Bufse ebenso schwierig bezw. unmöglich, wie Ziehung eines Schadenersatzes erweisen dafs bei sich als die Ein würde. der Saisonindustrie im § 138 a getroffene Bestim mung, dafs die einem Arbeitgeber zur längeren Beschäftigung von Arbeiterinnen zu ertheilende Erlaubnifs im ganzen für einen Arbeitgeber nicht über 40 Tage im Jahre ausgedehnt werden darf, im Interesse der Saisonindustrie für unzureichend. Er beantragt demgemäfs die Ausdehnung dieser Erlaubnifs auf 60 Tage. c) Der Central verband kann daher irgend welchen Erfolg von der Bestimmung in § 125 nur erwarten, wenn der Staat selbst auf Grund gesetzlicher Bestimmung die Bufse verhängt und einzieht, bezw. den Verfall derselben zu gunsten eines dritten Vermögenssubjectes, wie z. B. Unter- stützungs-, Knappschafts- u. s. w. Kassen aus- spricht, wobei die Verwendung des Betrages zum Nutzen des Arbeitgebers ausgeschlossen werden mag. d) Eventuell wäre den Arbeitgebern im Gesetz das Recht zu wahren, sich durch Vereinbarung einer durch Abzug vom rückständigen Lohne einziehbaren Conventionalstrafe gegen Contract- bruch des Arbeiters nach Möglichkeit zu schützen. Die Beseitigung des Rechtes der Vereinbarung solcher Conventionalstrafen bedeutet eine Ver schlechterung des seitherigen Rechtszustandes. e) In der Fassung des § 153 erkennt der Centralverband eine wesentliche und nothwendige Vervollständigung und Verschärfung der dies bezüglichen bisherigen Bestimmungen. V. Contractbruch. §§ 125 und 153. a) Der Centralverband erkennt mit der »Be gründung« an, dafs der dem Arbeitgeber gewährte Rechtsschutz den Vertragsbrüchigen Arbeitern gegenüber ungenügend ist, und dafs der civil- rechtliche Entschädigungsanspruch äufserst schwer zu erheben, und, wenn erhoben, in der Regel zwecklos ist. Der Gesetzentwurf will Abhülfe schaffen, indem er an die Stelle des weitläufigen Sebadensersatzverfahrens dem Arbeitgeber das Recht ertheilt, eine kleine Geldbufse einzuklagen. b) Der Centralverband erachtet, dafs die Ein klagung einer Bufse, weil sie dem Belieben des Arbeitgebers anheimgestellt ist, zur Verbitterung des Verhältnisses zwischen Arbeiter und Arbeit geber beitragen würde; dies um so mehr, wenn die Verurtheilung und Vollstreckung durch das Gewerbegericht, wie bei Massenstreiks meist zu erwarten, erst nach dem Ausgleich der Streit punkte und nach Beendigung des Streiks ein treten würde. In diesem Falle wird der Arbeit geber die Beitreibung der Bufse auch nicht mehr als in seinem Interesse liegend erachten. Der 490 Nr. 6. VI. Die auf den Erlafs der Arbeitsordnung bezüglichen Bestimmungen. §§ 134a bis 134g. Mit der Bestimmung in § 134a des Gesetz entwurfs erklärt sich der Centralverband ein verstanden. Was dagegen den Inhalt der Arbeits ordnung betrifft, so ist der Central verband der Ansicht, dafs solcher nicht Gegenstand der gesetz lichen Feststellung bilde, vielmehr in folge richtiger Auffassung der privatrechtlichen Natur des Arbeitsvertrags Sache der Festsetzung durch den Arbeitgeber sei. Solcher Ansicht widerspricht auch die Bestimmung des § 134 d des Entwurfs, dsfs vor dem Erlafs der Arbeitsordnung oder eines Nachtrags zu derselben den Arbeitern Gelegenheit zu geben sei, sich über den Inhalt derselben zu äufsesn, und wird die Bestimmung des § 134 d des Gesetzentwurfs daher für nicht annehmbar erklärt. Sollten die gesetzgebenden Factoren sich dem nicht anschliefsen können, so hält der Central- verband folgende Aenderungen für nothwendig: „ad § 134 b Absatz 2: Hier ist als Geldstrafe der doppelte Betrag des ortsüblichen Tagelohns als zu niedrig gegriffen anzusehen. Der »doppelte Tagesverdienst« mufs an dessen Stelle treten. ad § 134 c: Die in der Arbeitsordnung vor gesehenen Strafen beziehen sich nicht auf Haus ordnungen oder Wohlfahrtseinrichtungen. Es mufs dem Arbeitgeber freistehen, hierfür besondere Strafbestimmungen festzustellen. Was insbesondere die Resolution VI anbe langt, so stimmen wir derselben um so mehr zu, als die’Bestimmung, dafs den Arbeitern vor Erlafs einer Arbeitsordnung Gelegenheit zu geben ist, sich über dieselbe zu äufsern, ein Eingreifen in den freien Arbeitsvertrag bedeutet, das wir durchaus nicht billigen können. Eine Aeufserung des Arbeiters, die nachher keine Berücksichtigung findet, hat ganz und gar keinen Werth; die unter Umständen durchaus nothwendige Nichtberück sichtigung der vom Arbeiter geäufserten Wünsche kann aber die schwersten Folgen nach sich ziehen und zu einer Vergiftung des Verhältnisses zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer führen, was der Staat unmöglich wollen kann. Es ist für den Kenner unserer Arbeiterverhältnisse ganz unzweifelhaft, dafs infolge der gesetzlichen Fixirung der obigen Bestimmung die gewerbsmäfsigen Agitatoren in zahllosen Fällen Veranlassung nehmen würden, Versammlungen zur »Kritik der neuen Arbeitsordnung« einzuberufen, und dafs derartige Versammlungen, in denen notorisch die stets unzufriedenen Elemente die Oberhand haben, Beschlüsse in Bezug auf die Abänderung der Arbeits ordnung fassen bezw. »Wünsche äufsern« würden, die der Arbeitgeber im Interesse der Disciplin nicht berücksichtigen könnte. In diesem Falle wäre die Unzufriedenheit geweckt, und das Ver-