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wenn er nicht gerade England zum Vaterland hat, denn die Erfahrungen derjenigen Völker, welche England »unter seinen Schutz genommen« hat, sind doch gelegentlich recht böse und trübe. Es ist demgegenüber geradezu unbegreiflich, wie Drummond zu dem Satze kommen kann: „Eng land kann sich mit moralischem Gewicht begnügen, es hat genug Colonieen und begehrt keine neuen.“ Du lieber Gott, entweder kennt Hr. Prof. Drummond seine eigenen Landsleute nicht und liest auch keine Zeitungen, dann sollte er aber auch nichts über sie schreiben, oder aber er kennt sie, und dann durfte er nicht so über sie schreiben. Dafs England blofs um Gottes willen sich der afrikanischen Länder nach und nach, theils mit List, theils mit Gewalt zu bemächtigen trachtet, kann nicht durch die Entsendung von Missionären widerlegt werden, besonders da gerade in aller neuester Zeit die Unterhaltung von englischen Missionsstationen als ein Anrecht zur Annexion aufgeführt ist; der neckische Zufall hat es gewollt, dafs gerade die hier besprochenen Missionen jetzt als Gründe für das Recht der Annexion von Shireland geltend gemacht werden. England ist zu »praktisch«, um sich auf rein philanthropische Unternehmungen überhaupt, und in Afrika besonders einzulassen, ein wie weites Feld für die Philanthropie hätte es nicht in Indien, Australien, in London, in Irland, wo es doch, um mit Drummond zu reden, eine sehr dringende »moralische Verpflichtung« hat. Eine solche hat es doch auch ganz unzweifelhaft den Chinesen gegenüber, die es mit Opium vergiftet. Statt dessen aber kümmert es sich mit Vorliebe um die Rohheiten der sibirischen Beamten gegen ihre Gefangenen. Bei seiner grofsen Kapitalkraft wirft England immer leicht mit der Wurst nach der Speckseite, aber point d'argent point de Suisses! Für diesen praktischen Sinn Englands ist sehr charakteristisch, dafs ein Buch mit so aufser- ordentlich grofsen Vorzügen, um derentwillen der harmlose Leser unmerklich in englisches Fahr wasser geräth, dem braven Deutschen so gerade zur rechten Zeit des colonialen Mittagsschlafes in seiner Muttersprache zugänglich gemacht wird, um ihn bezüglich der afrikanischen Occupationen so lange einzulullen, bis die Engländer das haben, was sie brauchen. Die englischen Colonialvereine wissen sehr wohl, warum sie solche Bücher auf unsern Markt bringen! Unsere Colonialvereine würden unserer Auf fassung nach ebenfalls sehr viel mehr erreichen, wenn ein Theil ihrer Mittel, statt auf Enqueten, Experten und Reisespesen, ebenfalls dazu ver wandt würde, eine tüchtige Literatur zu schaffen, die derartige geschickte literarische Schachzüge zur Aufklärung der breiten Masse und zur Orientirung derjenigen Leute, die sich näher für die Sache interessiren, in die richtige Beleuchtung setzte. Afrika ist der Erdtheil der Zukunft; wenn Deutschland auch hier wieder bei der Vertheilung die Rolle des Dichters übernehmen sollte, so ist die Frage nur, wie lange es noch Futter für seinen Pegasus in der Heimath finden wird. Aber freilich, »Hekuba und Thersites« sind gegen Colonieen, und in Deutschland ist ja jeder politische Spleen eine berechtigte Eigenthümlichkeit! In der Frage, ob England das geeignete Material liefert für Colonisationsbestrebungen, bringt die I | »Nat.Ztg.« Nr.l97u.s.w.nocheineUebersetzungaus dem englischen »Lagos Observer«, der die ein schlägigen Verhältnisse an Ort und Stelle be leuchtet. Das englische Organ erklärt mit nackten Worten, dafs der Bericht des Hrn. von Putt kammer in dem deutschen Weifsbuche die einzige wahre Darstellung der Ver hältnisse der Roya 1 • Niger-Compagnic i s t. Am Schlüsse steht folgende Mahnung: „Die schlechte Verwaltung am Niger trifft „nicht nur den englischen Kaufmann, sondern wird „zu einer Interessenfrage für Europa im allgemeinen. „England rühmt sich, vor allen Nationen ein „civilisirendes Element zu sein und dafs es das „Emporheben der eingeborenen Völker als ein „viel wichtigeres Endziel betrachtet, als die Er- „Öffnung neuer Handelswege und die damit ver- „bundenen pecuniären Vortheile. „Wie haben wir nun unsere Pflicht betreffs des „von dem menschenfreundlichen Publikum in uns „gesetzten Vertrauens erfüllt? Das ist eine Frage, „welche die Royal-Niger-Compagnie jedenfalls nicht „versuchen wird zu beantworten. „Als in Afrika geboren (und hier wohnende „Europäer werden öffentlich unsere Aussagen „bestätigen), behaupten wir auf das bestimmteste „und nachdrücklichste, dafs das Vorgehen der „Royal-Niger-Compagnie dahin geführt hat, die „Arbeit eines halben Jahrhunderts menschen- „freundlicher Bestrebungen zu vernichten. „Thatsachen, wie wir sie anführen, hätten „schon längst zur Kenntnifs Lord Salisburys durch „seinen Commissar, Major Mc. Donald gebracht „werden sollen.“ Soweit der »Lagos Observer«. Als die vorstehenden Bemerkungen bereits im Satz waren, berichtete die Presse über nachstehende Aeufserung, welche Stanley zu einem Correspon- denten der Times bez. der Britisch-ostafrikanischen Gesellschaft gethan habe und die wir als die Meinung eines ebenso sachkundigen als in diesem Falle gewifs unverdächtigen Zeugen für unsere Ansicht und gegen die von Drummond nach stehend folgen lassen. „Stanley bemerkte, dafs die Gesellschaft etwas Besseres mit ihrem Gebiet thun könne, als es Sportsleuten zu überlassen. Das Wild werde in einer unbarmherzigen Weise niedergeschossen, obwohl es eines Tages den Eisenbahnarbeitern als Nahrung dienen sollte. Die Gesellschaft treibe es wie ein Verschwender, erschöpfe ihre Hülfsquellen, um amerikanischen und russischen Sportsleuten Hörner zur Verzierung ihrer Stuckwände zu geben, ohne einen Pfennig für die Häute, Pelze und Hörner zu erhalten. Während Sportsleute das Wild ausrotten, erlaubt man Freibeutern den Ein tritt in das Gebiet, um die Heerden von Haus- thieren zu vernichten. Stanley meinte, es wäre überhaupt besser, wenn der District in deutsche Hände fiele, denn das sei sicher, dafs Deutschland englische Freibeuter auf seinem Gebi ete ni ch t d ul den un d englischen Sportsleuten nicht erlauben würde, wegen grausamen Sports einen Schufs abzu- fe u e rn.“ Das lautet doch eigentlich sehr viel anders als die Ausführungen des Hrn. Drummond erwarten liefsen !