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Von grofsem Einflufs hierauf ist die Neigung der Ablaufsbahn. Sobald das Schiff mit seinem hintersten Stevenpunkt die Wasseroberfläche be rührt, beginnt es zu deplaciren, d. h. der im fortschreitenden Verlaufe des Ablaufs in das Wasser tretende Theil des Schiffskörpers ver drängt Wasser und wird in demselben Mafse proportional zu seinem Deplacement von dem Auftriebe des Wassers im Schwerpunkt der ver drängten Wassermasse gestützt. Betrachtet man nun den vorderen Stevenlauf als Drehachse, und bezieht alle Rechnungen auf dieselbe, so ist es klar, dafs das Fahrzeug so lange auf den Helgen festaufliegend ablaufen wird, als die Kraft des jeweiligen Auftriebs, multiplicirt mit dem Abstande des Angriffspunktes des Auftriebs vom vorderen Stevenlauf, also von der Drehachse, kleiner ist, als das Gewicht des ablaufenden Schiffs, welches ja auf die Helgen niederdrückt, multiplicirt mit dem Abstande seines Schwer punkts ebenfalls von der vorderen Drehachse. Denn das erstere Moment hat das Bestreben, hinten angreifend das Schiff um die Drehachse nach oben zu drehen, während das zweite Mo ment um dieselbe Achse nach unten zu drehen bemüht ist. Solange also dieses zweite Moment gröfser als das erste ist, läuft das Schiff gut in den Schlitten liegend ab, von dem Augenblicke aber an, in welchem beide Momente gleich grofs sind, beginnt das Schiff vom Helgen abzu schwimmen und in der nächstfolgenden Periode tritt dann eine sehr starke Beanspruchung des Schiffskörpers ein, da derselbe hinten vom Wasser unterstützt wird und vorn auf dem Helgen, dem festen Lande, noch ruht. Das Schiff ist also in diesem Momente ungefähr anzusehen, wie ein Balken, der an zwei Enden unterstützt ist und in der Mitte freihängt. Es hat dies fast stets ein starkes Durchbiegen zur Folge und deshalb wird öfters diese Durchbiegung, während des Ablaufs ausvisirt, ein Mittel, welches nachher auch wieder die Gewifsheit ergiebt, ob irgend eine bleibende Formveränderung stattgefunden oder nicht. Natürlich spielt hier die Güte des verwendeten Schiffbaumaterials, seine Festigkeit und Elasticität eine bedeutende Rolle. So betrug z. B. bei dem Raddampfer „Freya“, jetzt von Stettin nach Rügen fahrend, die Durchbiegung beim Ablauf etwa 3 Zoll, war aber nach dem Ablaufe wieder vollständig verschwunden, so dafs also keine bleibende Deformation stattfand. Noch ein anderer wichtiger Punkt ist beim Ablauf bezüglich der Beanspruchung des Schiffes zu betrachten. Bekanntlich liegen die Endkanten der Helgen in der gegen das tiefe Wasser gren zenden Spundwand. Nun kann es vorkommen, dafs ein Schiff beim Ablaufe mit seinem Massen schwerpunkt, gen. Systemschwerpunkt, über diese äufserste Kante Helgen hinausgleitet, bevor sein Hinterschiff soviel Deplacement im Wasser erreicht hat, dafs diese Auftriebskraft des Deplacements, angreifend im Deplacements-Schwerpunkt, multi plicirt mit ihrem Abstand von der Endkante des Helgens, imstande ist, dem in das Wasser nieder drückenden Momente des Schiffseigeilgewichts, angreifend im Systemschwerpunkt multiplicirt mit dem Abstande des Systemschwerpunktes von der Kante Helgen, die Stange zu halten. Die Folge davon ist dann, dafs das Schiff plötzlich, um die Kante Helgens kippend, hinten ins Wasser hineinschlägt, also bei seinem vorderen Stevenlauf sich thatsächlich aus den Schlitten heraushebt und dabei sehr leicht umschlagen kann. In den nächsten Secunden aber gewinnt das hintere Auftriebsmoment, infolge der fort währenden Zunahme des Deplacements, natur- gemäfs die Oberhand über das in das Wasser niederdrückende Moment des Schiffs und es findet dann um ebendieselbe Kante des Helgens ein Zurückkippen des Schiffs statt, und demzufolge ein plötzliches, kolossal starkes Hineinhauen des Vorschiffs in die Schlitten, aus denen es sich vorher herausgehoben hat, ein Vorkommnifs, welches in den meisten Fällen die Schlitten zum vollständigen Zersplittern bringt und auch dem Schiffe selbst sehr leicht Schaden zufügt. Die Gründe für ein derartig verfehltes Ablaufen liegen meistens in einer sehr grofsen Schärfe der Linien des Hinterschiffes, infolge deren beim fort schreitenden Ablauf nur langsam ein Zuwachs am hinten tragenden Deplacement sich ergiebt, und in dem Umstande, dafs die Helgen nicht weit genug unter Wasser reichen, weshalb man auch in Häfen, welche der Einwirkung von Ebbe und Fluth ausgesetzt sind, immer nur bei Hoch wasser ablaufen läfst und nicht bei Niedrigwasser, weil im ersten Falle die Kanten Helgen am weitesten unter Wasser liegen. Ein Ablauf, bei welchem eine in der oben geschilderten Weise starke und gefährliche Be anspruchung des Schiffskörpers slattfand, war der unseres Kreuzers IV. Klasse „Condor“, augen blicklich auf der ostafrikanischen Station. Das Schiff, welches hinten ungemein scharfe Linien hat, sackte, sobald sein Systemschwerpunkt etwa 4 m über die Kante Helgen hinausgekommen war, plötzlich auf einer weiteren Ablaufsstrecke von etwa 6 m hinten weg und hob sich vorn aus den Schlitten heraus, um kurz darauf sich wieder vorn mit aller Kraft auf die Schlitten aufzu setzen und dieselben vollständig zu zertrümmern; zum Glück nahm das Fahrzeug, trotzdem es einmal stark ins Wanken gerieth, selbst keinerlei Schaden, und kam gut zu Wasser, ein Ergebnifs, welches wohl dem Umstande beizumessen ist, dafs das Schiff, als es sich aus den Schlitten vorne heraus hob und später wieder hineinsetzte, schon sehr grofse Ablaufsgeschwindigkeit hatte und, als das heftige Zurückschlagen in die vorderen Schlitten stattfand, schon gröfstentheils abgelaufen war.