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Hand- und Lehrbuch der Staatswissenschaften. II. Abtheil. Finanzwissenschaft. Leipzig 1894, G. L. Hirschfeld. 1. Dr. Wilh. Vocke, Kais. Geh. Oberrech- nungsrath a. D., Die Grundzüge der Finanz wissenschaft. 11 6. 2. Dr. Albert Schäffle, K. K. Minister a. D., Die Steuern. Allgemeiner Theil. 13 16. Das Hand- und Lehrbuch der Staatswissenschaften hat durch die beiden vorstehenden Bände ohne Zweifel eine sehr werthvolle Bereicherung erfahren. In dem ersteren giebt Dr. Vocke eine sehr übersichtliche Ein führung in die Finanzwissenschaft, indem er zunächst das Verhältnifs von Staatswissenschaft und Finanz wissenschaft erörtert, um sodann die Gewinnung des ordentlichen Staatsbedarfs (die Einnahmen), sodann die Gewinnung des aufserordentlichen Staatsbedarfs (die Staatsschulden) und endlich den Staatsbedarf und seine Verwendung (die Ausgaben) zu besprechen. So sehr wir aber die Uebersichtlichkeit der Darstellung anerkennen, ebensoweit sind wir in den Einzelheiten von der Uebereinstimmung mit dem Verfasser ent fernt, dessen Ausführungen uns sehr häufig an das Wort des Fürsten Bismarck erinnert haben: „In der Politik, in der Nationalökonomie, in der Statistik ist die Wissenschaft mitunter auf einem sehr hohen Pferde, aber sie sieht den Boden nicht, auf dem sie reitet, und erkennt ihn nicht.“ Dies trifft namentlich hinsichtlich dessen zu, was der Verfasser über die einzelnen Steuerarten, speciell über die indirecten Steuern, äufsert, welch letztere er in der Form der Verbrauchsauflage zwar für „eine thatsächliche, zur Zeit unentbehrliche quantitative Ergänzung“ hält, gegen die er aber sich um deswillen wendet, „weil sie in verkehrter Progression die Minderbemittelten um so stärker trifft, je weniger leistungsfähig sie sind. Der kleine Handwerker, Krämer und der Handarbeiter (öffentliche Diener niedrigsten Ranges eingeschlossen), soweit er leistungsfähig ist, mufs an Verbrauchsauf lage viel mehr zahlen, als ihn treffen würde, wenn der ganze Staatsbedarf durch directe Steuern auf gebracht würde.“ Das mag theoretisch scheinbar richtig sein, aber in der Wirklichkeit stellt sich denn doch die Sache ganz und gar anders. Ob das, was eine Nation zur Bethätigung ihres politischen Lebens gebraucht, in der Form von directen oder indirecten Steuern aufkommt, ist vollkommen gleichgültig; es fragt sich blofs, wie es am bequemsten zu tragen ist. Und am bequemsten ist es in den indirecten Ausgaben zu tragen, von denen infolge der Abwälzungsmöglich keit gerade der am wenigsten Leistungsfähige am wenigsten fühlbar getroffen wird. Denn darauf hat schon Fürst Bismarck mit vollem Recht hingewiesen, dafs der Arbeiter das, was er zu seinem Lebensbedarf gebraucht und nothwendig hat, auch auf den Arbeit geber abwälzt, da es ganz unmöglich ist, dafs auf die Dauer ein Betrieb fortbesteht, dessen Arbeiter nicht das bekommen, was sie zu ihrer üblichen und ge bräuchlichen Existenz brauchen. Und so bezahlen wir in den Stiefeln, in den Kleidern u. s. w„ die wir kaufen, indirect das Mafs von Verbrauchsauflage mit, das auf Lebensmittel u. s. w. in der Form indirecter Steuern gelegt ist. Und wie ist denn in anderen Staaten? Wenn man sieht, dafs die Getränkesteuer in Frankreich gegen 450 Millionen Fres, einbringt, dafs der Tabak ungefähr ebensoviel trägt, die Stempel gebühren — man denke an die einträgliche Affichen- steuer! — mehr, dann kann man wohl eine gewisse Be- trübnifs empfinden und sich fragen, ob wir denn weniger klug sind und das Geschäft weniger verstehen, als Frankreich. In Bezug hierauf hat derselbe Fürst Bismarck mit Recht gemeint: „Wir haben in den deutschen Staaten und namentlich in Preufsen ein zu grofses Mafs von directen und ein zu geringes Mafs von indirecten Steuern. Andere Länder — ich will bei den Franzosen nur bis zu Colbert und bei den Engländern vielleicht 50 Jahre zurückgreifen — waren uns in der Finanzverwaltung immer voraus und sind uns noch heute darin überlegen, dafs sie nicht durch die Blässe des theoretischen Gedankens angekränkelt werden, sondern praktisch ergreifen, was dem praktischen Leben nützlich ist.“ Im Gegensatz zu Dr. Vocke kommt denn auch Dr. Schäffle in dem oben angezeigten Buche bezüglich der Steuern zu ganz anderen Ergebnissen, indem er „die indirecten Steuern nicht blofs für sogenannte Ergänzungssteuern, sondern in qualitativer Hinsicht für ebenso sachlich berechtigte Hauptsteuern hält, wie es in quantitativer Hinsicht die directen Steuern sind. Es kommt eben darauf an, beide in der Richtung voll ständiger Erreichung der Steuerkräfte im Verhältnifs der Leistungsfähigkeit zu verknüpfen. Nur durch die Re- gulirung beider zusammen in dieser Richtung können die Mängel und Lücken der directenBesteuerung durch die indirecten Steuern, die Mängel und Lücken der indirecten Besteuerung durch die directen Steuern corrigirt werden. Jede der beiden Steuerhauptgattungen ist darauf anzulegen, solche Steuerkraft zu fassen, welche je für die andere Gattung unerreichbar ist oder entschlüpft, also die Lücken, welche die andere läfst, zu füllen, so dafs sie sich wechselseitig zur Voll ständigkeit der Besteuerung ergänzen.“ Diese Auf fassung wird, so hofft Dr. Schäffle, „auf die Dauer allen mifsverständlichen Deutungen derjenigen, welche den Wald vor Bäumen nicht sehen und das Einheit liche der Steuersystematik zerfasern, Trotz bieten und gestatten, die dialektisch auseinandergerissenen Glieder (disjecta membra) des Steuersystems wieder zusammen zufassen“. Dr. Schäffle wird dies in dem noch zu erwartenden II. Bande „Die Steuern, besonderer Theil“ im einzelnen darzulegen haben. Dann werden wir auf das bedeutsame Werk zurückkommen. Dr. W. Beumer. Oesterreichisches Montan-Handbuch für das Jahr 1895. Herausgegeben vom k. k. Ackerbau ministerium. Wien 1895. Manzsche k. u. k. Hof-Verlags- und Univ.- Buchhandlung, I. Kohl markt 20. Dieses seit 1875 in fünfjährigen Zwischenräumen erscheinende Buch enthält ein Verzeichnifs aller österreichischen „Montanwerke“, d. h. der Berg- und Hüttenwerke, aufserdem der Bergbehörden, Lehr anstalten, Vereine u. s. w. Die einzelnen Betriebe sind nach Bezirken geordnet, überall sind die Eigen thümer und die leitenden Personen angegeben; auch bei den Lehranstalten und Vereinen sind alle Per sonalien mitgetheilt. Bei den Hüttenwerken finden wir noch eine dankenswerthe Angabe über die vorhandenen Einrichtungen, als Oefen, Walzwerke, Hämmer u. s. w. bis in die Einzelheiten. Das Buch dürfte sich für Jeden, welcher mit dem Bergbau und den Hüttenwerken Oesterreichs zu thun hat, als unentbehrlich erweisen. Brockhaus’ Conversationslexikon. 14. Auflage, Band XV. Social bis Türkei. Preis 10 . Es ist dies der vorletzte Band; nach Angabe der Verlagshandlung soll noch vor Weihnachten der XVI., der letzte Band erscheinen. Das Lob, das an dieser Stelle der Riesenarbeit schon häufiger gezollt worden ist, gilt auch für den neuen Band. Vermissen werden mit uns unsere Freunde, welche Mittheilungen über das Leben und Wirken des Alt meisters der Eisenhüttenkunde, Peter von Tunner, nachschlagen wollen, dafs hierüber nichts zu finden ist.