Volltext Seite (XML)
15. October 1895. 960 Stahl und Eisen. Actenstücke zur Frage der Herabsetzung der Tarife u. s. w. Actenstücke zur Frage der Herabsetzung der Tarife für Erz- Sendungen auf weitere Entfernungen. In Nachfolgendem veröffentlichen wir die neuesten Actenstücke zur Frage der Herabsetzung der Tarife für Erzsendungen auf weitere Ent fernungen. Unter dem 4. Januar 1895 richtete die „Nord westliche Gruppe des Vereins deutscher Eisen- und Stahlindustrieller“ an den Herrn Minister der öffentlichen Arbeiten das nachfolgende Ersuchen: Ew. Excellenz! haben wir unter dem 30. April v. J. in einer die Nothwendigkeit von Frachtherabsetzungen für Kalksteine zu Hüttenzwecken betreffenden Eingabe die Schwierigkeit dargelegt, mit welcher die nieder rheinisch - westfälische Eisen- und Stahlindustrie sowohl dem ausländischen Wettbewerb als dem jenigen an der Saar und in Lothringen-Luxemburg gegenüber zu kämpfen hat. Auf diese Eingabe, deren Eingang uns unter dem 6. Mai v. J. von der Geheimen Kanzlei des Ministeriums der öffent lichen Arbeiten angezeigt worden ist, entbehren wir noch Ew. Excellenz hochgeneigte Entscheidung. Wir haben in jener Eingabe dargelegt, dafs die belgischen Hochöfen ihre Kalksteine zu Frachten anfahren, welche um durchschnittlich die Hälfte billiger sind, als die entsprechenden preufsischen Frachten. Dazu tritt aber noch der fernere Umstand, dafs dieselben niedrigen Sätze, welche die „Chemins de fer de l’Etat Beige“ für Kalksteine berechnen, dort auch für Eisenstein, Puddel- und Schweifsschlacken Gültigkeit haben, so dafs für die kürzeren Relationen bis zu 40 km einschliefslich, selbst im Vergleich zu dem soge nannten Nothstandstarif der preufsischen Eisen bahnen, die Tarife nur bis zu 57 % der preufsischen i Frachtsätze ausmachen, für die gröfseren Ent- । fernungen, z. B. 350 km, nur 4,20 •« gegenüber 6,70 • nach dem preufsischen Ausnahmetarife vom 1. Mai v. J., also auch hier nur 63 % der preufsischen Frachtsätze betragen. Wie schwer unter diesen Umständen der Wett bewerb Belgien gegenüber ist, braucht nicht be sonders dargelegt zu werden; die einzige Mög lichkeit, den Vorsprung auszugleichen, liegt in ' einer wesentlichen Herabsetzung der Frachten für Rohstoffe, insbesondere für Eisenerze auf weitere Entfernungen. Mit der Nothwendigkeit der Er- mäfsigung dieser Erzfrachten soll sich die gegen- i wärtige gehorsamste Vorstellung allein beschäf- | tigen. Wir begründen diese Nothwendigkeit mit der Darlegung der niederrh.-westf. Verhältnisse. Schon früher haben wir dargelegt, dafs die niederrheinisch - westfälische Eisen- und Stahl industrie ihre Werke nach den Grenzmarken des Reiches, nach Lothringen, zu verlegen gezwungen sein wird, wenn es nicht gelingt, den Transport der dort in grofsen Mengen abgelagerten Minette zum Niederrhein und nach Westfalen wesentlich billiger zu gestalten. Dies wird in erster Linie, wie ebenfalls wiederholt von uns betont worden ist, durch die Kanalisirung des Moselflusses er reicht werden können. Da nun aber günstigsten Falles die Vollendung der Moselkanalisirung erst nach Jahren zu erwarten ist, so müssen inzwischen für die niederrheinisch ■ westfälische Eisen- und Stahlindustrie durch Ermäfsigung der Eisenbahn frachten für Erze u. s. w. günstigere Verhältnisse herbeigeführt werden. Dieselben würden vor handen sein, wenn der Tarif vom 1. Mai 1893 um 12 • für je 10 t herabgesetzt würde. Diese von uns beantragte Ermäfsigung soll nicht dazu dienen, der niederrheinisch - west fälischen Eisenindustrie einen Vorsprung vor der Eisenindustrie irgend eines andern Bezirks zu gewähren; sie ist nur dazu bestimmt, die seit einigen Jahren durch Aenderungen in der Fabri- cation im niederrheinisch - westfälischen Bezirke gestiegenen Roheisenerzeugungskosten in etwa auf ihr früheres Mafs zurückzuführen; sie soll nicht künftige Vortheile gewähren, sondern vorhandene Nachtheile einigermafsen ausgleichen. Zum Beweise hierfür bitten wir, uns eine allgemeine Darlegung der Verhältnisse, unter welchen z. Z. die hiesige Roheisenerzeugung vor sich geht, gestatten zu wollen Die luxemburgisch- lothringische Minette kommt im hiesigen Revier hauptsächlich bei Erblasung von Thomasroh- eisen zur Verwendung. Betrachten wir die Erze bezw. die Möller, welche bei seiner Darstellung jetzt üblich sind und welche Rolle dabei die lothringisch-luxemburgische Minette jetzt spielt und in nächster Zukunft einzunehmen berufen ist, so stehen wir vor folgenden Thatsachen. Zur Herstellung von Thomasroheisen werden, wenn wir von einzelnen Erzsorten ab sehen, welche hier und da in geringen Mengen infolge besonderer Verhältnisse beigemischt wer den, als eisenhaltige Rohstoffe benutzt: Puddel- schlacken, Rasenerze, schwedische phosphorhaltige Erze und luxemburgisch ■ lothringische Minette, Rostspath und manganhaltige Brauneisensteine. Der Preis für Puddelsch lacke, welche in der Regel 54 bis 56 % metallisches Eisen und etwa 4 % Phosphor enthält, stand vor 10 bis 12 Jahren auf 5 bis 6; er ist dann nach und nach bis auf 16 eK und darüber gestiegen. Die Steigerung allein in den letzten drei Jahren betrug mindestens 4 508 f. d. Tonne. Aufserdem aber sind Puddelschlacken in den erforderlichen Mengen nicht mehr erhältlich; denn