Volltext Seite (XML)
Stahl und Eisen. 857 15. September 1895. Aus Ludicig Becks Geschichte des Eisens. der damaligen Zeit, betrachtete noch das Queck silber als den Grundbestandtheil der Metalle, nahm aber in den Metallen und allen brennbaren Körpern eine selbständige brennbare Erde (terra pinguis) an, welche die Ursache der Verbrennung sei, und führte dadurch zu der Lehre vom Phlogiston hinüber, welche durch Stahl weiter ausgebildet wurde und die Chemie des 18. Jahr hunderts beherrschte. Ueber den chemischen Vorgang bei der Umwandlung von Eisen in Stahl äufsert sich ein berühmter Chemiker jener Zeit, N. Lemery, in seinem Cours de Chymie (1675) folgendermafsen: „Das Eisen ist ein sehr poröses Metall, zusammengesetzt aus vitriolischem Salz, Schwefel und Erde, schlecht verbunden und ge mischt. Man wandelt es in Stahl um mit Hülfe von Horn- und Hufspähnen, die man lagenweise schichtet, und es dann brennet; da diese Stoffe viel flüchtiges Salz, nämlich Alkali, enthalten, welches die Säuren des Eisens, welche dessen Poren besetzt halten, tödtet, machen sie es dichter.“ Die Darstellung des schmiedbaren Eisens ge schah im 17. Jahrhundert noch zum grofsen Theil unmittelbar aus Erzen in Stücköfen und Rennfeuern. Das Frischen des in Hochöfen er zeugten Roheisens wurde in Frischfeuern aus geführt; die Zahl der Hochöfen nahm allmählich zu und mit ihr die Zahl der Eisengiefsereien. Besonders wurde der Geschützgufs gepflegt; eiserne Wasserleitungsröhren wurden in den achtziger Jahren des 17. Jahrhunderts zuerst in Frankreich gegossen, Die Verarbeitung des schmiedbaren Eisens wurde durch die Anlage von Zainhämmern (für Darstellung feiner Eisensorten) in verschiedenen Ländern wesentlich gefördert. Das Ziehen feinen Kratzendrahts, welches in den Niederlanden und in Aachen schon früher bekannt war, wurde zu Anfang des 17. Jahrhunderts in Iserlohn ein geführt, anfänglich mit Handbetrieb, später mit Wasserkraft. In enger Verbindung damit stand die Nadeldarstellung, welche ihren Hauptsitz in Spanien, den Niederlanden und Aachen hatte. Aachener Nadeln gingen ursprünglich unter der Bezeichnung spanische Nadeln in den Handel; im Jahre 1631 aber fafste der Senat der Stadt Aachen den löblichen Beschlufs, die falsche Be nennung abzuschaffen und die Nadeln nur als Aachener Nadeln zu verkaufen. Weifsbleche wurden seit 1620 vornehmlich in Sachsen ge fertigt, wohin das Verfahren von Böhmen aus verpflanzt worden war. Beck giebt eine aus führliche Beschreibung des damaligen Herstellungs verfahrens. In England entwickelte sich während des 17. Jahrhunderts das Patentwesen. Unter der Königin Elisabeth hatte sich die Zahl der Er findungen gemehrt, in noch stärkerem Mafse aber das Verlangen, vortheilhafte Monopole zu erhalten. Ihre Ertheilung war eine Einnahmequelle, welche der Beaufsichtigung des Parlaments noch nicht unterstand; wenn Elisabeth noch mit Vorsicht bei der Ertheilung zu Werke ging, so verfuhr ihr Nachfolger Jacob I. lediglich nach Willkür und Gunst und leitete aus dem bis dahin vom Par lamente geduldeten Verfahren eine Berechtigung für sich ab. Ein Streit mit dem Parlamente war die Folge; 1623 erklärte dieses alle Monopole für ungültig und erliefs ein Patentgesetz, nach welchem nur neue Erfindungen unter Schutz ge stellt werden sollten. Erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts erkannten die Staaten des Fest landes die Bedeutung, welche der Patentschutz für die Entwicklung der Gewerbthätigkeit eines Landes besitzt, und begannen ebenfalls Patent gesetze einzuführen. Nach diesen allgemeinen Mittheilungen folgt wiederum, wie früher, eine Schilderung des Eisenhüttenbetriebes aller wichtigsten einzelnen Länder während des 17. Jahrhunderts, welche durch das siebente und achte Heft der Geschichte des Eisens sich hindurchzieht. Nur Einzelnes daraus möge hier mitgetheilt werden. Ein Bild der Drangsale, welche der 30 jährige Krieg den Eisenwerken der damaligen Zeit be reitete, liefern die noch erhaltenen Rechnungen der in der Landgrafschaft Hessen-Kassel gelegenen, zum Kloster Haina gehörigen Eisenwerke Fisch bach und Rommershausen. Kurz vor dem Be triebe waren beide Hütten in flottem Betriebe; sie erzeugten Gufswaaren und geschmiedetes Eisen. Mit dem Ausbruche des Krieges traten sofort grofse Störungen ein. Von 1616 bis 1624 fehlen die Rechnungen gänzlich, im Jahre 1624 wurden zu Fischbach nur 322 1/2 Gentner Oefen gegossen, dann mehrere Jahre gar nichts. 1633 mufsten die Hüttenbälge im Kloster versteckt werden, 1634 wurden 40 Oefen im Gewichte von 173 Centner gegossen, 1635 bis 1638 und 1641 bis 1646 lagen die Oefen wieder kalt. Dazwischen wurde Munition gegossen; je länger der Krieg dauerte, desto stärker wurde die Nach frage nach Eisenkugeln. Der Hainaer Hüttenvogt mufste 1648 zehn- bis zwölfmal nach Kassel und Ziegenhain laufen, um die Kugelgelder ein zutreiben. Da der Besitz der Eisenhütten allen kriegführenden Theilen von besonderem Werthe war, und das Mifstrauen, dafs sie dem Feinde dienten, leichten Vorwand zur Beraubung gab, wurden sie vielfach arg heimgesucht; am schlimmsten hausten in dieser Beziehung die „Marodeurs“. Sie zerschlagen 1634 ein Scheunen- tfior, 1636 stehlen die Hatzfeldischen die eisernen Töpfe, so viel sie tragen können, die übrigen zer schlagen sie. Die Hainischen Unterthanen können keine Kohlen fahren, da ihnen die Pferde ge nommen sind, dem Hammerschmied in Fischbach wird das Geld abgenommen, und aus der Eisen kammer wird für 80 Gulden Eisen gestohlen. XVIlI.is 3