Volltext Seite (XML)
Aus Ludwig Becks Geschichte des Eisens. (Fortsetzung von Seite 79.) Im 6. Hefte beginnt die Geschichte des 17. Jahrhunderts. Nicht die Fülle anregenden Stoffs finden wir hier, wie im vorausgegangenen Jahrhundert. Der schwere Druck der politischen Verhältnisse lag auf ganz Europa, insbesondere auf Deutschland, welches das grofse Schlacht feld wurde, auf dem 30 Jahre hindurch die religiösen und politischen Gegensätze in blutigen Kämpfen ausgefochten wurden. Das Ergebnifs des langen Krieges aber war Erschöpfung, Ver armung, Verrohung, Rückschritt überall. Deutsch land, vordem die anerkannte Hauptmacht unter den Staaten Europas, war eine Wüste geworden, ein ohnmächtiger Knäuel zahlloser Landesherrschaften, die der übermüthige Nachbar, der „Sonnenkönig“ Ludwig XIV., ungestraft demüthigen und be rauben durfte. Der Einflufs dieser Wandlungen auf Handel und Gewerbthätigkeit wär bedeutend. Ziemlich Alles, was Deutschland Einflufs und Ansehen gegeben hatte, ging im 30jährigen Kriege zu Grunde. Der Hansabund verlor den Rest seiner Macht, die Freiheit und Herrlichkeit der einst so stolzen Reichsstädte schwanden dahin. Mit der gesammten Gewerbthätigkeit hatte auch das Eisenhüttengewerbe schwer zu leiden. Von einer fortschrittlichen Entwicklung des Betriebes in jener traurigen Zeit kann deshalb kaum die Rede sein; man arbeitete in gedankenloser Weise nach dem Schema weiter, welches das vorher gegangene Jahrhundert aufgestellt hatte. Dennoch hatte die Wissenschaft manchen Erfolg zu verzeichnen, welcher später auch der Allgemeinheit zum Nutzen gereichte. In der Physik und Astronomie machten Galilei, Kepler, Bacon von Verulam, Toricelli, Otto von Guericke, Mariotte, Huygens, Leibniz und Newton ihre bahnbrechenden Entdeckungen und Erfindungen; der Gedanke, den Dampf als Triebkraft zu ver wenden, führte zu zahlreichen Versuchen, welche zum Theil in Becks Geschichte des Eisens aus führlich beschrieben und durch Abbildungen er läutert werden. Denis Papin, 1647 zu Blois von reformirten Eltern geboren, später Professor in Marburg, war nach den durch Beck mit- getheilten Urkunden der erste, welcher nicht nur den Grundgedanken einer Dampfmaschine klar erläuterte, sondern auch die erste betriebs fähige Dampfmaschine entwarf, baute und im Jahre 1706 in Betrieb setzte. Eine Marmortafel vor dem jetzigen naturwissenschaftlichen Museum in Kassel besagt: „Denis Papin, der Erfinder der Dampfmaschine, hat auf diesem Platze in Gegen wart des Landgrafen Karl von Hessen im Juni 1706 die ersten gröfseren Versuche mit Hülfe der Dampfmaschine durchgeführt. Sie hob Wasser und drückte es 70 Fufs hoch.“ Auch die Erfindung der Holzblasebälge, welche zum Betriebe von Frischfeuern bis in das 19. Jahr hundert Anwendung gefunden haben, früher auch für den Hochofenbetrieb benutzt wurden, fällt in das 17. Jahrhundert. Sie waren billiger und haltbarer, als die Lederbälge, und besser als diese befähigt, stark geprefsten Wind zu liefern. Als Erfinder dieser Gebläse werden verschiedene Meister genannt; jedenfalls wurde die Erfindung in Deutschland gemacht, und um 1620 waren am Harze bereits Holzblasebälge in Benutzung. Auch die Wassertrommelgebläse wurden, obgleich schon älter, erst im 17. Jahrhundert allgemeiner bekannt. Für die Verarbeitung des Eisens fanden die Eisenspaltwerke, deren Erfindung, wie in dem früheren Berichte auf Seite 77 erwähnt wurde, in das 16. Jahrhundert fällt, eine vermehrte Anwendung. Einige prächtige Abbildungen, aus verschiedenen alten Schriften entnommen, zeigen dem Leser von Becks Buche die einfachen An fänge, aus welchen die jetzigen Walzwerke hervorgingen, sowie die Einrichtung eines früheren Eisenspaltwerks. In einer umfänglichen, von Beck wörtlich wiedergegebenen Beschreibung einer Eisen schneidmühle, welche Johann Friedrich Müller 1683 auf dem Harze anlegen wollte, ist rühmend hervorgehoben, dafs „die dreyfach ineinander gerichteten Scheiben in einem einzigen Durch schnitt, der nicht eines Vater-Unsers lang währet, drey Stäbe schneiden, deren jeder ohngefähr 8 oder 9 Schuh lang wird. Will man kleine Stäbe zu Huf- oder andern starken Nägeln haben, so werden zu jenen fünfzehn Gänge habende und zu diesen dreyzehnfache Scheiben gebrauchet; so geben die Scheiben resp. in einem Durch schnitt fünfzehn oder dreyzehn Stäbe von einer 10, 11 bis 12schuigten Länge.“ Auf dem Gebiete der theoretischen Chemie bereitete sich der Umschwung vor, welcher am Ausgange des 17. Jahrhunderts zur Phiogiston theorie führte. Die alte Lehre, nach welcher die Metalle zusammengesetzte Körper aus Queck silber, Schwefel und Salz seien, wurde zuerst durch Boyle bezweifelt, welcher die Anwesenheit von Schwefel und Salz in den Metallen als nicht erwiesen bezeichnete, auch Kunkel, der Entdecker des Phosphors, leugnete die Anwesenheit des Schwefels, aber beide Chemiker hielten daran fest, dafs Quecksilber in allen Metallen enthalten sei. Auch Becher, ein Chemiker und Technologe