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sie möge, bevor sie in der erwähnten Angelegenheit Aenderungen treffe, das Gutachten des Vereins deutscher Ingenieure ahwarten. In der dritten und letzten Sitzung der Haupt versammlung berichtete Prof. Linde-München über den Antrag des Vorstandes auf Bewilligung von 5000 . für die Vorarbeiten zur Lösung der vom Vereine deutscher Ingenieure beantragten, in den Arbeitsplan der chemisch-technischen Reichsanstaltaufgenommenen Aufgabe betreffend, den Durchgang der Wärme durch Heizflächen. Der Betrag wird einstimmig bewilligt. Ebenso wird der vorliegende Haushaltplan ge nehmigt; derselbe schliefst ab in Einnahme mit 447170 eK, in Ausgabe mit 443 875 so dafs ein Betrag von 3295 K verfügbar bleibt. Es wird schliefslich noch die Einladung desWürltembergischen Bezirksvereins, die Hauptversammlung in Stuttgart abzuhalten, einstimmig angenommen. Aufserhalb der Tagesordnung wird ein Antrag des Vorstandsraths ge nehmigt, wonach er ermächtigt wird, mit den vor handenen Beständen der Vereinszeitschrift aus den Jahren vor 1890 nach seinem Ermessen zu verfahren und dieselben im Falle ohne Entgelt den technischen Hochschulen zur Verfügungzu stellen. Herrn Lwowski- Halle, der durch zwei Wahlperioden hindurch den Vorsitz des Vereins in musterhafter Weise geführt hat, wird der verdiente Dank des Vereins durch ein Hoch ausgedrückt. Dann hielt Dr. Polis-Aachen noch einen mit Beifall aufgenommenen Vortrag über Acethylen. An den Nachmittagen sowie am Donnerstag fanden Besichtigungen der zahlreichen gewerblichen Anlagen in und bei Aachen, Stolberg, Eschweiler, Bothe Erde, Düren und der Cockerillschen Werke in Seraing statt. Der Wetteifer an Liberalität, mit welcher die verschie denen Fabriken ihre Thore öffneten, verdient um so höhere Anerkennung, als es sich hier vielfach um Sonderfabricationen handelte, welche sonst als Ge- heimnifs gehütet werden. Es übersteigt unsere Auf gabe, alle die Werke einzeln zu beschreiben, welche besucht wurden, und die Gastfreundschaft der Besitzer und Liebenswürdigkeit der Führer zu schildern, wir können es uns aber nicht versagen, auf zwei Sonder fabricationen Aachens näher einzugehen, die K ratzen- fabrication und die Nähnadelindustrie. Heber beide Industriezweige, über welche sonst wenig bekannt ist, haben Fabricant Kern bezw. Handelskammersecretär Dr. Lehmann ganz vortreffliche Mittheilungen in der erwähnten Festschrift gemacht. Die Kratzenindustrie. Von den 33 deutschen Fabriken, welche sich mit Herstellung von Kratzenbeschlägen beschäftigen, liegen 15 mit nahezu der Hälfte der in Deutschland auf gestellten 2200 Kratzenmaschinen in Aachen; um den Bau der letzteren hat sich der Maschinenfabricant J. Uhle in Aachen besonders verdient gemacht. Die Kratzenbeschläge sind wesentlich das mechanische Mittel zur Verarbeitung der Schaf- und Baumwolle; es sind bürstenartige Blätter oder Bandstreifen aus Leder oder einer dasselbe ersetzenden Zusammenselzung von Gewebstofflagen, in welche doppeltschenkelige, stumpfwinkelig gebogene Drahtzähne in mehr oder minder grofser Zahl eingesetzt sind, so dafs sie überall auf der einen Seite gleich weit hervorragen. Güte und Leistungsfähigkeit der Kratzenbeschläge hängen natürlich von der Beschaffenheit des Grundstoffs, des Leders oder des Kratzentuchs ab. Während nun der Herstellung des letzteren in Deutschland nach dem Bericht sich unüberwindliche Hindernisse herausstellen und thatsächlich auch dasselbe Zollfreiheit geniefst, liegt die Sache beim Draht, der die Hüttenleute mehr interessirt, wesentlich anders. „Zur Herstellung von Kratzenbeschlägen“, so heifst es in dem Bericht, „wurde in früherer Zeit nur Eisendraht von rundem Querschnitt (Rundeisendraht) verwendet, der, aus bestem schwedischem Eisen her gestellt, in feinen Nummern fast ausschliefslich aus England bezogen wurde. Eisendrahtkratzen haben, nachdem deren Herstellungsweise eine vollkommene geworden war, allerdings unter den damaligen leich teren Arbeitsbedingungen, öfter eine Dauer von 10 bis 12 Jahren oder mehr aufzuweisen gehabt. An Stelle des Runddrahtes führten Ashworth Brothers auf Grund eines im Jahre 1870 erworbenen Patents den gerollten Flachdraht ein, doch konnte dieser sich wegen gewisser Nachtheile nicht allgemein und nach haltig einbürgern. Mehr Anklang fand der im Jahre 1873 von Yates & Kellett erfundene Halbflachdraht, welchem alsdann der Convexdraht und der feine drei kantige (angulare wire) folgten. Auch diese Sorten erlangten keinen durchschlagenden Erfolg, doch sind sie nicht von der Bildfläche verschwunden, und das wird auch nicht geschehen. Alle Neuerungen auf dem Gebiete der Kratzendrahtindustrie wurden indessen weit in den Schatten gestellt durch die im Jahre 1878 patentirte epochemachende Erfindung der genannten Brüder Ashworth, die zuerst im Jahre 1878 gehärte ten und nachgelassenen Kratzenstahldraht in fort laufenden Längen herstellten. Bis zu jener Zeit waren Kratzenzähne nur als einzelne Zähne, aber nicht im fortlaufenden Draht gehärtet worden. Bald brach sich die Erfindung dieser auf dem Gebiete der Kratzen industrie berühmten Praktiker, die aus kleinen An fängen zum höchsten Ansehen emporwuchsen, Bahn. Durch sie ist das Jahr 1878, seit der Erfindung der Kratzensetzmaschinen, in der ganzen Geschichte der Kratzenindustrie das hervorragendste geworden; es bezeichnet geradezu einen Wendepunkt, eine grofse Epoche der Umwälzung. Wie im Siegesläufe ver drängten die Kratzen aus gehärtetem Stahldraht, hauptsächlich wegen ihrer weit gröfseren Widerstands fähigkeit beim Verarbeiten geringwerthigen oder gröbe ren Spinnmaterials, immer mehr die Eisendrahtkratzen, so dafs letztere heutzutage vielleicht kaum noch 10 bis 15 % der gesammten Production darstellen. Bei der fortschreitenden Vervollkommnung der Herstellung des Kratzenstahldrahtes wurde es überdies ermöglicht, ihn nicht blofs mit rundem Querschnitt, sondern auch mit eckigen und mit allen anderen, meist früher er wähnten Querschnitten zu verwenden. Als beach- tenswether weiterer Fortschritt hinsichtlich der Methode der Herstellung von Kratzendraht ist seit ein paar Jahren die Batemannsche Erfindung des blankgehär teten Stahldrahtes zu verzeichnen, welcher den Vorzug gröfster Glätte besitzt, da bei diesem Verfahren die Bildung von Glühspahn (Oxydschichten) mit der nach theiligen Folge, dafs daran die Spinnfasern haften bleiben können, vermieden ist. Nach Erwerbung des Patentrechtes für den ganzen Gontinent hat die rühm lich bekannte Firma Felten & Guilleaume in Mülheim a. Rh. die Herstellung dieser bewährten neuen Draht sorte mit grofser Energie in die Hand genommen. Ihre Leistungen auf dem Gebiete der Kratzendraht- fabrication verdienen hohe Anerkennung, und ihre Erzeugnisse haben diejenigen der englischen Draht industrie, welche bis vor etwa 13 bis 15 Jahren fast ausschliefslich den Kratzendraht in den feineren Nummern lieferte, in Deutschland fast überall ver drängt. Naturgemäfs kommen die Vorzüge, welche die deutsche Kratzenfabrication auszeichnen, insbeson dere den deutschen Kratzenerzeugnissen zu gute. Es verdient an dieser Stelle als eine Entwicklung aus der Kratzenindustrie wie auch als ein rühmliches Beispiel ausdauernden deutschen Gewerbfleifses und seiner wohlthätigen Wirkungen hervorgehoben zu werden, dafs die erwähnte Kratzendrahtfabrik in dieser Ahtheilung ihres ausgedehnten Betriebes bei einer Jahresproduction von 500000 bis 600000 kg Kratzen draht durchschnittlicb 280 bis 300 Arbeiter beschäf-