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Stirnseite des Panzers zersplittern. Nun erwartet man aber von jüngst gefertigten Geschossen, dafs sie imstande sein werden, solche Platten auf den Gefechtsentfernungen bis zu 1500 Yards (1371 m) bei nahezu senkrechtem Auftreffen zu durchschlagen, ohne zu zerschellen oder ihre Form zu verändern. Wenn dies Schiefsversuche bestätigen und auch anderen Fabriken solche Geschosse gelingen sollten — woran ja nicht zu zweifeln wäre, — so würde es eine Mahnung an die Panzerplattenfabricanten sein, auch ihrerseits fortzuschreiten. Einer solchen Mahnung bedarf es indefs gar nicht, denn es wird überall mit regstem Eifer, unter Aufbietung grofsartiger materieller Mittel und rastlos wissenschaftlicher Forschung um den ersten Platz in der Reihe aller Panzerfabriken der Welt gerungen. Es ist selbstredend, dafs jede Fabrik hierbei ihre eigenen Wege geht und die Besonderheiten ihres Herstellungsverfahrens geheim hält. Ueberall hat man den Typ der G a n z s t a h 1 platten angenommen und den der Verbund (Gompound-)platten aufgegeben; auch die Fabrik von Brown & Go. in Sheffield, von der ihre Erfindung ausging, mufste zu den Ganz- stahlplatten übergehen, obgleich sie anfänglich das Gompoundsystem noch mit dem Härtever fahren von Tresidder verquickte.* Dagegen herrscht in der chemischen Zusammensetzung des Stahls manche Besonderheit. Mit Ausnahme in England wird überall der Nickelstahl dem reinen Kohlenstahl vorgezogen, und St. Chamond verwendet mit gutem Erfolg aufser Nickel noch Chrom zur Stahllegirung. Es hat diese in lang jährigen, eigenen Erfahrungen erprobte Mischung beibehalten, wendet daneben aber auch die Ober flächenhärtung an. Die Versuche in den Ver einigten Staaten mit Nickelchromlegirungen haben zu keinen Erfolgen geführt, so dafs man von deren Fortsetzung Abstand genommen hat. Die Verwendung des Nickels stützt sich auf die Er gebnisse vieler umfassender Versuche. J. Riley aus Glasgow theilte über die von ihm gewonnenen Versuchsergebnisse in einem 1889 vor dem „Iron and Steel Institute“ gehaltenen Vortrag folgende Angaben über Festigkeitsproben mit: 1. Nickelstahl von 0,22 0/o Kohlenstoff- 2. Gewöhnlicher Stahl von und 4,70/0 Nickelgehalt 0,22°/, Kohlenstoffgehalt Elasticitätsgrenze 44 kg a. d. qmm Zugfestigkeit . . 64 » Dehnung .... 20 % Contraction . . 44,8 » 25 kg a. d. qmm 47 23 % 48 » Die hierdurch nachgewiesene und durch zahl- I reiche spätere Versuche vieler Fabriken bestätigte Steigerung der Festigkeit des Stahls durch Zusatz von Nickel ohne nennenswerthen Verlust an Dehnung gegenüber dem reinen Stahl rechtfertigt die Verwendung des Nickels um so mehr, als bei einer geschickten Combination von Nickel und * „Stahl und Eisen“ 1893, Seite 144. Kohlenstoff eine Härte des Stahls erreichbar ist, welche jede Bearbeitung desselben ausschliefst. Härte aber ist immer eine der geschätztesten Eigenschaften des Panzers. Demgegenüber ist die Entscheidung der englischen Admiralität über das Nichtverwenden von Nickel für den Panzer englischer Kriegsschiffe schwer verständlich.* In der amtlichen Entscheidung hierüber heifst es: „Es hat sich herausgestellt, dafs harveyisirte Platten ohne Nickel dieselbe Widerstandsfähigkeit zeigen, wie harveyisirte Platten mit Nickelgehalt. Die Consequenz aus diesem Ergebnifs, d. h. die Verwendung von Platten ohne Nickelgehalt, be deutet eine grofse Ersparnifs.“ Noch schwerer verständlich ist die Behauptung des Kapitän Orde Brown: „Wir haben Grund zu glauben, dafs wir uns in einem gewissen Vortheil anderen Mächten gegenüber befinden, nachdem wir von der Verwendung des Nickels bei harveyisirten Platten abgesehen haben. Wir haben uns für diesen Schritt entschieden, weil solche Platten ohne Nickel bedeutend härtere Oberflächen haben, obgleich freilich ihre Zähigkeit geringer ist.“ Die englische Admiralität hat sich mit dieser Ansicht in Widerspruch zu allen Panzerfabriken der Welt gesetzt und erinnert damit an ihr denk würdiges Aufgeben der gezogenen Hinterladungs kanonen gegen Vorderlader, um an diesen selbst dann noch starr festzuhalten, als das System der Vorderladung in der ganzen übrigen Welt bereits zu den geschichtlichen Ueberlieferungen einer längst vergangenen Zeit zählte. Auch die Behauptungen, welche der General director der Firma J. Brown & Co., Mr. Ellis, in einem am 15. März 1894 in der „Institution of Naval Architects" gehaltenen Vortrag aus sprach : „Das Vorhandensein von Nickel ver ursache, dafs der Stahl bei einer bedeutend niedrigeren Temperatur krystallisire, als ohne diese Beimischung“ und „dafs die bisher übliche Methode für die Bearbeitung der harveyisirten Platten und das Bohren von Löchern in dieselben bei Vorhandensein eines hohen Gehalts von Nickel und Kohlenstoff nicht anwendbar sei“, werden durch die Thatsache widerlegt, dafs stark ge kohlte Nickelstahlplatten mit sehr feinem Korn sowohl von Krupp, als auch in Amerika her gestellt werden und bisher, wenn auch mit einiger Schwierigkeit, bearbeitet worden sind. Durch das elektrische Erhärtungsverfahren Lemps** ist auch der Widerstand der härtesten Platten gegen eine Bearbeitung gebrochen worden. * Wir hatten dies bereits geschrieben, als das Heft Nr. 15 von „Stahl und Eisen“ mit dem Aufsatz von Otto Vogel über „Darstellung, Eigenschaften und Verwendung von Nickelstahl“ erschien. Diese vortreffliche Arbeit enthält ein so reiches Beweis material über diesen Gegenstand, dafs ihm gegenüber die englischen Ansichten nur um so schärfer hervor treten. ** „Stahl und Eisen“ 1895, S. 789.