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Wenn gemeldet wird, dafs einige Ergebnisse sich schon im September werden publiciren lassen, so wird darunter schwerlich derjenige Theil zu verstehen sein, welcher sich auf das Gewerbe als solches bezieht. Als die Berufs- und Gewerbestatistik des Jahres 1882 in Arbeit genommen war, erschienen, wie das ja auch selbstverständlich ist, zuerst die allgemeineren Zahlen, also diejenigen, welche die beschäftigten Personen innerhalb der verschiedenen Erwerbs zweige angaben, die Zahlen, welche eine Dar stellung der gewerblichen Thätigkeit der gröfseren Städte gaben, Vergleiche zwischen derBevölkerungs- zahl und der Zahl der Gewerbetreibenden be züglich der in den Gewerben beschäftigten Per sonen u. s. w. Erst weit später kamen die Zahlen zum Vorschein, die man als eigentliche Gewerbe statistik bezeichnen mufs. Wenn deshalb irgendwo die Hoffnung gehegt sein sollte, dafs etwa schon in diesem Jahre es sich ermöglichen lassen könnte, die näheren Daten über das Gewerbewesen Deutsch lands, wie es sich bis zum 14. Juni 1895 ent wickelt hatte, in die Hand zu bekommen, so ist diese Hoffnung trügerisch gewesen. Man wird schon von Glück sagen können, wenn die Zahlen im nächsten Jahre veröffentlicht werden können. Natürlich wird man auch bis dahin Vergleiche, welche mit der Gewerbezählung des Jahres 1875 und der des Jahres 1882 überall zu veranstalten in Aussicht genommen worden sind, aufschieben müssen. Es entsteht nun die Frage, ob die Ergebnisse der diesjährigen Gewerbezählung sich ohne weiteres mit denjenigen der Zählungen von 1875 und 1882 werden vergleichen lassen. Die Frage kann im allgemeinen bejaht werden, wenngleich, wie w’ir gesehen haben, der Umfang der darzustellenden Gewerbszweige zugenommen hat. Wenn auch ferner die einzelnen Berufsarten von Zählung zu Zählung mehr specialisirt worden sind, so wird sich dennoch voraussichtlich ohne Schwierigkeiten ein Vergleich nicht blofs zwischen den Gewerbe gruppen, sondern auch zwischen den einzelnen Berufsarten ziehen lassen, und zwar deshalb, weil man seitens der Behörden schon mit Rück sicht auf diesen Umstand so weit als möglich die äufseren Grenzen, in denen die Einzelzählungen vor sich gehen sollen, stehen gelassen hat. Man kann sicher sein, dafs, sobald die Zahlen der diesjährigen Zählung zu haben sein werden, sich nicht nur in der ganzen politischen Presse, sondern auch in der volkswirthschaftlichen Literatur eine grofse Zahl von Darlegungen bemerkbar machen wird, die diesen Gegenstand bearbeiten. Man kann allerdings auch auf die Ergebnisse der dies maligen Zählung gespannt sein. Eine der wich tigsten Fragen, welche dabei zur Entscheidung kommen wird, ist das Verhältnifs der volks wirthschaftlichen Bedeutung zwischen Industrie und Landwirthschaft. Man weifs, dafs die Landwirthschaft den Anspruch erhebt, der bedeutendste volkswirthschaftliche Factor in Deutschland zu sein. Wenigstens konnte sie auf Grund der bisherigen Zählungen den Anspruch erheben, dafs sie von allen Erwerbszweigen den gröfsten Theil der Bevölkerung beschäftigte. Wenn wir nicht irren, so war nach der Berufs statistik vom Jahre 1882 festgestellt worden, dafs die Landwirthschaft vom Tausend der Bevölkerung vierhundert und einige dreifsig beschäftigte. Seit dem Jahre 1882 hat das Gewerbe im engeren Sinne eine grofse Ausdehnung gewonnen. Es sind 13 Jahre seit der letzten Zählung verstrichen. Man hat ein ungefähres Bild über die Entwicklung, namentlich der Industrie, aus den Zahlen, welche die Berufsgenossenschaften von Jahr zu Jahr über die beschäftigten Personen veröffentlichen. Diese Zahlen erstrecken sich auf die Zeit vom 1. October 1885 bis zur Gegenwart. Sie umfassen also nur einen Zeitraum von zehn Jahren. Aber schon aus ihnen geht zur Evidenz hervor, dafs diejenige Personenzahl, welche in der Industrie beschäftigt wird, von Jahr zu Jahr eine Steigerung erfahren hat. Man könnte allerdings annehmen, dafs der handwerksmäfsige Betrieb dem industriellen diese Personen abgegeben hat, und es wird auch nicht zu leugnen sein, dafs dies zum Theil ge schehen ist. Jedoch sicherlich ist ein Theil auch der Landwirthschaft entgangen, und dieser ist der Industrie zu gute gekommen. Man wird sich erinnern, dafs, als einst im Reichstage vom Re gierungstisch der industrielle Standpunkt in dem gleichen Mafse betont wurde, wie der landwirth- schaftliche, die Vertreter des letzteren sich aufser- ordentlich stark darüber beschwerten, eben mit der Begründung, dafs die Industrie in Deutsch land noch lange nicht neben der Landwirthschaft in Frage käme. Die Ergebnisse der Gewerbestatistik dieses Jahres werden ja zeigen, mit welchem Recht solche Behauptungen aufgestellt sind. Des Weiteren wird allgemein die weitesten Kreise die Frage interessiren, inwieweit die Be hauptung der Socialdemokratie durch die neue Statistik ihre Begründung erfahren wird, dafs das gegenwärtige Wirthschaftssystem die kleinen Be triebe vollständig verschlingen und nur Grofs- betriebe übrig lassen werde. Wer Gelegenheit bat, ins tägliche Leben zu sehen, wird sich ja darüber nicht im Unklaren geblieben sein, dafs einzelne Gewerbszweige den industriellen, den Grofsbetriebscharakter angenommen haben, jedoch eben nur einzelne. Es giebt sehr viele Gewerbs zweige, die sich in den industriellen Rahmen niemals werden einpassen lassen, und diese werden selbstverständlich bei der Gewerbestatistik haupt sächlich in die Augen springen. Wir glauben, dafs, wie alle Behauptungen der Socialdemokratie, auch diese gegenüber den durch Zahlen erhärteten Thatsachen ihre Probe nicht bestehen wird. Gleichfalls von gröfster Wichtigkeit wird die Frage nach der Vergesellschaftung der