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1. August 1895. Referate und kleinere Mittheilungen. Stahl und Eisen. 785 1/2 % des Gesammtumschlags beträgt. Wenn man von einer solchen Ermäfsigung einen Erfolg oder auch nur eine Hebung des Verkehrs erwartet, die den entstehenden Ausfall an Frachten ausgleicht, so täuscht man sich. Diese wirthschaftlichen Anschau ungen decken sich in keiner Weise mit der Praxis. Die Frachtermäfsigung hat es denn auch nicht vermocht, den weiteren Stillstand hiesiger Werke auf zuhalten. Das Eichener Walzwerk von H. Stähler & Co. ist am 1. Juli d. J. diesem Schicksal verfallen. Eine gründliche Aenderung in diesen Verhältnissen und ein neuer Aufschwung des Siegerlandes wird erst eintreteu, wenn endlich die gerechte Forderung erfüllt wird, dal's man uns die Brennmaterialien zum Industriebetrieb so billig zuführt, wie man den rhein.- westfälischen Werken unsern Eisenstein zubringt. Die Walzengiefsereien streben eine gemeinsame Haltung in betreff der Garantieleistungen für Hartwalzen an. Um eine genügende Grundlage für die an Hartwalzen zu stellenden Anforderungen zu erhalten, haben im Juni hier mehrtägige und sehr eingehende Verhandlungen mit dem Vorsteher der König!, mechanisch technischen Versuchsanstalt zu Charlottenburg, Herrn Professor Martens, stattgefunden. Mit Hülfe dieser Anstalt hofft man zu einem die Abnehmer und Lieferanten befriedigenden Ergebnifs zu gelangen. Recht beunruhigt wird die hiesige Industrie durch die scharfe Thätigkeit, mit der auf allen Werken nach der Concession selbst der ältesten seit langen Jahren bestehenden Einrichtungen geforscht wird. Es scheinen Anordnungen gegeben worden zu sein, die strengste Prüfung aller der Theile der Anlagen, die noch nicht concessionirt sind, vorzunehmen und scheint man auch nicht vor den letzten Consequenzen zurück zuschrecken, wenn die Werkbesitzer sich säumig zeigen. Ein solches Vergehen entspricht wenig der Lage der Zeit, es deckt sich ebensowenig mit der angeblichen Fürsorge für das Wohl der Industrie und der arbeitenden Klassen. — Referate und kleinere Mittheilungen. Wahrheit und Dichtung. Unter diesem Titel schreibt die unter der Redaction von W. Kirchner in Berlin erscheinende „Eisen zeitung“, deren freundschaftliches Verhältnifs zu „Stahl und Eisen* bekannt ist, Nachfolgendes: „Angesehene amerikanische Hüttenleute, welche neulich in Deutschland weilten, um das basische Ver fahren zu erproben, haben, wie die neueste Juli- Nummer von „St. u. E.“ behauptet, ihre Landsleute veranlafst, amerikanische Erze nach Deutschland zu senden. Mit richtigem Blick haben sie auf ihrer Studienreise erkannt, dafs die Frachtsätze, welche die | preufsischen Eisenbahnen für die in den Hochofen wandernden Rohstoffe, also auch für das Erz, berechnen, so hoch sind, dafs es bei gegenwärtigen Seefrachten für sie noch lohnend ist, dasselbe von der neuen Welt nach den am Niederrhein gelegenen Hochöfen zu schicken, sofern es mindestens 60 % metallisches Eisen und nicht weniger als 0,9 % Phosphor enthält. Nach zuverlässiger (!?) Nachricht des „Iron Age“ vom 13. Juni sind bereits 1500 t unterwegs, und die Ver ladung weiterer Mengen ist im Gange. Im ganzen legen diese Erze bis Ruhrort einen Weg von ziemlich 6000 km zurück, werden dabei zweimal umgeladen und treten dann mit Erfolg in Wettbewerb in Deutsch land gegen deutsche Erze, welche einen Bahnversand von nur 350 km Länge zurückzulegen haben. (Darauf wird dann die schleunige Kanalisation der Mosel als einzige Rettung für Deutschland gefordert.) Schade, dafs der hinkende Bote in Form einer Berichtigung nachkommt, denn der Londoner Cor- respondent der „K. V.-Ztg.“ bezeichnet auf Grund von Erkundigungen, die er bei hervorragenden englischen Fachfirmen eingezogen, die Nachricht von der Ver ladung von Stahlknüppeln aus Ohio nach England und von amerikanischem Eisenerz nach Deutschland, als Märchen, die von den Demokraten zu Parteizwecken erdichtet seien. (In unserem Artikel „Zur Lage“ in voriger Nummer ist aufserdem betont, dafs Amerika z. Z. gar nicht an derartigen Export denken kann, da die Preise viel zu hoch und der Bedarf viel zu leb haft ist. Angesehene Fachblätter, wie „St. u. E.‘, sollten sich aber nicht so leicht anführen lassen.)“— So weit die „Eisenzeitung“ des Herrn Kirchner. Wir haben diesem freundlichen Ergufs lediglich hin zuzufügen , dafs die Erzladungen, von welchen in unserem Artikel die Rede war und für deren Her überkommen nach Europa Herr Kirchner in seinem Leitartikel „Zur Lage“ die völlige Unmöglichkeit klipp und klar bewiesen hat, am 5. Juni d. J. im Hafen zu Ruhrort eingetroffen sind und sich bereits auf den Hüttenplätzen zweier Hochofen wer k e befinden, welche dieselben für ihren Bedarf bestellt haben. Si tacuisses! — Die Redaction. Anstrengungen der englischen Fabriken behufs Herstellung von Panzerplatten. Die von deutschen und amerikanischen Panzer fabriken errungenen Erfolge werden jetzt von den Engländern als ernste Mahnung empfunden, sich zum Wettstreit in dieser Industrie zu stärken. Bis gegen Ende des vorigen Jahrzehnts durften sich die eng lischen Panzerplattenfabricanten des wohlerworbenen Rufes erfreuen, mit ihren Compoundplatten an der Spitze dieses Industriezweiges zu marschiren. Die französischen Panzerfabriken, voran die Creuzotwerke, dürfen zwar das Verdienst für sich in Anspruch nehmen, mit ihren Stahlplatten die Bewegung hervorgerufen zu haben, welche nach und nach die Compoundplatten verdrängte und damit das englische System stürzte, aber diese Stahlplatten hatten, bis die Bethlehem- und Carnegiewerke die Anfertigung von Panzerplatten begannen, noch nicht eine solche Güte erlangt, dafs sie die altbewährten englischen Platten hätten ver drängen können. Die Rückwirkung der amerikanischen Erfolge auf die europäische Panzerindustrie ist be kannt, ebenso, dafs heute die englischen Panzerfabriken nicht mehr die führende Stelle einnehmen, die sie ehemals inne hatten. „The Engineer“ vom 5. Mai d. J. sagt nun aber, dafs die britischen Eisen- und Stahlleute entschlossen seien, nicht die erste Stelle in dieser Industrie aufzugeben, woraus zu schliefsen ist, dafs sie sich dieselbe noch gegenwärtig zusprechen. Dann wird weiter erzählt: Ein (Anfang Mai?) in Eng land eingegangenes Telegramm aus Odessa, nach welchem sich eine belgische Gesellschaft mit einem Kapital von 3 Millionen Francs zu dem Zweck dort gebildet habe, Eisen- und Stahlwerke zu errichten, welche imstande sein sollen, alle erforderlichen Panzer-