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Mittheilungen aus dem Schiffbau. 714 Stahl und Eisen. 1. August 1895. Fraglos läfst sich durch derartige Mittel, durch vor zügliches Baumaterial, durch sicherste Gonstruction und sorgfältigste Bauausführung des Schiffes Vieles erreichen, wie aber in allen anderen Betrieben, so werden sich auch auf See stets Unglücksfälle wiederholen, nur werden sie seltener und vielleicht auch nicht mehr von solch schreck- ; liehen Folgen begleitet sein, wie dies beim Untergang der „Elbe" sich leider ergab. Seit 1891, dem Jahre der Indienststellung der „Havel“, haben unsere heimischen Rhedereien keinen Schnelldampfer mehr in Auftrag gegeben, und scheint es auch, nach dem heutigen Vor gehen der Rhedereien zu urtheilen, als wenn fürs erste keine weiteren derartigen Schiffe gebaut werden sollten, jedenfalls nicht in der schnellen I Reihenfolge wie zu Ende der achtziger Jahre. Es hat dies seinen Grund hauptsächlich darin, dafs der Betrieb der Schnelldampfer ein un- gemein kostspieliger ist, nicht nur wegen der Verzinsung und /Amortisation der sehr hohen Anschaffungssummen, sondern auch wegen des kolossal hohen Kohlenverbrauchs bei so starken Maschinen und endlich, weil sich Fracht- und Betriebsverhältnisse herausgebildet haben, welche nur durch anders construirte Dampfer gewinn bringend ausgenutzt werden können. So sehen wir denn heutzutage eine Kategorie von Schiffen entstehen, die, was Gröfse anlangt, sogar die Schnelldampfer stark überragen, allein was Ge schwindigkeit angeht, bei weitem hinter ihnen Zurückbleiben. Bei diesen Schiffen sind die folgenden Betrachtungen Hauptentstehungsursachen | gewesen. Zunächst gilt in der Theorie des Schiffs widerstandes, dafs, je länger ein Schiff gebaut wird, es auch desto günstiger für die Geschwindigkeit sich stellt. Nun haben diese Neubauten der letzten Jahre, „Willehad“, „Wittekind“, „Prinz Heinrich“ und „Prinz-Regent Luitpold“, „Phoenica“, „Persia“, „Prussia“, „Patria“, „Pallatia", alle eine Länge von 120 bis 140 m; ihre Geschwindigkeit ist aber sehr gering, sie liegt meist bei 13 Kn., nur „Prinz Heinrich“ und „Prinz-Regent Luitpold" haben 14 Kn. Aber um diese Geschwindigkeit von 12 bis 14 Kn. zu erreichen, bedarf man bei diesen riesigen Schiffen immerhin nur einer äufserst geringen Maschinenstärke. So haben z. B. „Willehad“ und „Wittekind“ bei einem Deplacement von rund 6400 t eine | Maschinenstärke von nur 2500 HP nöthig, um die vorgeschriebene Geschwindigkeit von 12,5 Knoten zu erreichen, das macht also f. d. Tonne Deplacement etwa 0,39 HP. „Patria“ und „Pallatia“, bei einem Deplacement von 13 360 t, haben nur 4309 HP nöthig, um 13,5 Kn. Geschwindigkeit zu erreichen, macht f. d. Tonne Deplacement etwa 0,32 HP. Vergleicht man das einmal mit einem Schnelldampfer, etwa dem „Fürst Bismarck“, so folgt, dafs bei einem i Deplacement von rund 11000 t 15 600 HP | nöthig sind, um dem Schiff eine Geschwindigkeit von 20 Kn. zu geben, also etwa 1,42 HP! Und vergleicht man dies Resultat noch gar einmal mit den letzten von Schichau für die brasilianische Regierung gebauten Torpedobooten, so hat man hier, bei einem Deplacement von etwa 300 t, einer Maschinenstärke von 2200 HP und, wie Busley angiebt, 28,3 Kn. Geschwindigkeit, sogar 7,33 HP f. d. Tonne Deplacement nöthig. Stellt man nun einmal eine kaufmännische Rechnung auf, so ergeben sich bezüglich der Rentabilität allein folgende Vergleichswerthe. Legt man die Strecke Hamburg-New York mit rund 3600 Seemeilen zu Grunde, so gebraucht „Fürst Bismarck“ bei 19 Kn. Durchschnittsfahrt 190 Sid. .Patria“ 13,5 » , 267 , hierbei braucht, 0,75 kg f. d. Stunde und f. d. Pferdekraft zu Grunde gelegt: „Fürst Bismarck“ bei 15 600 HP total 2223 t Kohlen „Patria“ . . . . „ 4 300 HP „ 861 t „ Nun hat „Fürst Bismarck“ ein Deplacement einschliefslich Passagiere und Ladung von etwa 11000 t, „Patria“ 13 360 t. Das ergiebt unter der Annahme, dafs die Tonne Kohlen etwa 15 •6 kostete, für ein Schiff wie „Fürst Bismarck“ an Kosten für Kohlen zum Durchlaufen einer Strecke von 3600 Seemeilen 33 345 •6, für „Patria“ für dieselbe Strecke 12 915 46, oder f. d. Tonne Deplacement gerechnet: für „Fürst Bismarck“ 3,031 •6 für Kohlen, für „Patria“ 0,906 •6, also nur rund 1/4 der Kosten des Schnell dampfers und dabei werden im ganzen nur 77 Stunden Fahrzeit gespart. Für die meiste Ladung aber, besonders für den beabsichtigten Fleisch- und Viehtransport, und auch für die Zwischendeckpassagiere wiegt der Zeitunter schied von 77 Stunden oder 3 Tagen nicht den kolossalen Kostenunterschied auf, der sich schon ganz allein aus den Kohlen ergiebt! Diese Betrachtung nun, zugleich mit dem oben an geführten Satz der Theorie, dafs eine Längen- vergröfserung im allgemeinen nur günstig auf die Schiffsgeschwindigkeit wirkt, ist auch Ursache, dafs in letzter Zeit so manche Schiffe verlängert worden sind. So ergaben z. B. die Resultate mit der verlängerten „Preufsen“, „Bayern“, „Sachsen“, dafs dieselben bei einer Verlängerung von etwa 20 m und einem dadurch herbeigeführten Lade- raumzuwachs von rund 2500 cbm bei gleichem Kohlenverbrauche vor der Verlängerung nur rund 12,70 Kn. liefen und jetzt sogar 13,05 Kn., dafs also die eingebauten 2500 cbm bezüglich des Kohlenverbrauchs vollkommen frei mitgeführt werden, dafs also die Rentabilität dieser Schiffe fraglos bedeutend gewonnen, und dafs der Lloyd, als er diese sehr schwierige Arbeit von der be währten Firma Blohm & Vofs in Hamburg ausführen liefs, einen sehr glücklichen Griff that und deshalb jetzt auch beabsichtigt, die „Mark“ und „Pfalz“ entsprechend verlängern zu lassen.