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15. Februar 1895. Tetmajers neuestes Gutachten über Thomas-Stahlschienen. Stahl und Eisen. 179 Tetmajers neuestes Gutachten über Thomas-Stahlschienen. /Nachdruck verboten. \Ges. v. 11. Juni 1870./ Unter dem Titel „ das Verhalten von j Thomas-Stahlschienen im Betrieb“ ist soeben von Professor L. Tetmajer in Zürich eine Denk- | schrift erschienen,* welche schon im Hinblick auf die Bedeutung des Thomasprocesses für unser Vaterland naturgemäfs die Aufmerksamkeit der deutschen Eisenhüttenleute herausfordert. Wir sind daher des Danks derselben sicher, wenn wir aus dem reichen Inhalt des Buchs, der für | die ■ genaue Sachkenntnifs des Verfassers über den Thomasprocefs und seine Erzeugnisse erneuter Beweis ist und gleichzeitig eine Fülle von Beleg material bringt, das Wesentliche wiedergeben. Die Denkschrift verdankt ihre Entstehung dem Umstand, dafs Professor Tetmajer von der Rimamuräny-Salgotarjaner Eisenwer ksgesellschaft zum Vertreter ihrer Interessen ernannt worden war, nachdem der ungarische Handelsminister durch Erlafs vom 24. April 1893 die Anwendung basischer Converterschienen auf Hauptlinien der k. ungarischen Staatsbahnen verboten, dann aber auf Grund einer motivirten Eingabe genannten Eisenwerks eine nochmalige Ueberprüfung der Frage der Zulässigkeit von Thomasschienen auf Linien der k. ungarischen Staatsbahnen mit Eil- I Zugverkehr angeordnet hatte. Wie vorausgreifend bemerkt sei, hatte diese Ueberprüfung den Erfolg, I dafs mit ministerieller Ausfertigung vom 6. Sep- I tember 1894 der angeführte Erlafs vom 24. April 1893 aufgehoben und die Thomas-Stahlschienen auch auf Hauptlinien der k. ungarischen Staats bahnen wieder zugelassen wurden. Auf welchen Grundlagen das ministerielle Verbot vom Jahre 1893 fufste, war aus dem Erlafs nicht ersichtlich. Es ist nicht unbekannt, dafs der ungarische Staat verpflichtet ist, Schienen des Stahlwerks Reschitza mitzuverwenden, und dafs das schienenliefernde Stahlwerk Diösgyor der Maschinenfabrik der ungarischen Staatsbahn unterstellt ist und dafs auf Betreiben der Ver waltung dieser Maschinenfabrik eine von vorn- s herein nicht unparteiische Commission zur Prüfung | der Frage der Zulässigkeit der Thomas-Stahl- I schienen eingesetzt wurde, welche die Minder- werthigkeit der Thomas-Stahlschienen aussprach und auf diese Weise die ministerielle Kundgebung vorbereitete. Tetmajer betont jedoch, dafs eine Einsichtnahme in das Protokoll dieser Com mission als .Dienstsache“ ausgeschlossen blieb, und fährt dann fort: .Bei Beginn der Enqute-Verhandlungen hatte | der Verfasser Verwahrung dagegen eingelegt, dafs ; etwa über die Frage der Zulässigkeit von Thomas- I * Zürich bei E. Speidel. Preis 2,50 stahl zu Schienenzwecken im allgemeinen dis- cutirt werde, oder gar Beschlüsse gefafst werden, Seitdem Thomas-Stahlschienen auf den grofsen. internationalen Schienenwegen des Festlandes neben sauren Stahlschienen in Anwendung gelangt sind, ist diese Frage überhaupt gegenstandslos geworden. Die Verhandlungen der Enquete können sich lediglich nur auf dem Gebiete des Aus tausches der bisherigen Erfahrungen mit Thomas stahlschienen bewegen und insbesondere die Frage der chemisch-physikalischen Eigenschaften tangiren, deren Vorhandensein vom Standpunkt der öffentlichen Sicherheit und der Betriebsökonomie gefordert werden mufs. Verfasser bekennt ferner seine Ueberzeugung, dafs ein abschliefsendes Urtheil über den relativen Werth der Thomas- Stahlschienen schon aus dem Grunde nicht durch führbar sei, weil hierzu die nöthigen Grund lagen fehlen. Vor Allem erscheint es unstatt haft, Schienen aus den ersten Entwicklungsperioden des einen Processes mit solchen in Gegenüber stellung zu bringen, deren Entwicklungsperioden vor geraumer Zeit ihren Abschlufs fanden. Bei einer streng sachgemäfsen Erörterung der Frage der Bewährung der Thomas-Stahlschienen müfsten Lieferungen aus den ersten Jahrgängen der Er zeugung gestrichen und Vergleichungen nur Schienen zu Grunde gelegt werden, bei welchen chemische Zusammensetzung, Art der Form gebung, Mafs der Querschnittsabminderung vom Block zur Schiene, Walztemperaturen und der gleichen mindestens angenähert übereinstimmen. Erzeugnisse von Werken mit mangelhaften Ein richtungen und fahrlässigen Betriebszuständen wären gleichfalls von vornherein zu streichen, denn es erscheint unstatthaft, Unzukömmlichkeiten, die aus mangelhaften Einrichtungs- und Betriebs- Verhältnissen fliefsen, dem Processe zuzuschreiben. Solange unantastbare Grundlagen für die Ver gleichung fehlen, lassen sich unmöglich allgemein gültige Schlufsfolgerungen ziehen. In dieser Hinsicht lassen die bisherigen Kundgebungen, so wie die bei den unterschiedlichen Bahnverwaltungen aufgespeicherten statistischen Angaben viel zu wünschen übrig. Völlig werthlos sind Kund gebungen, wie jene, die anläfslich der XIV. Techniker-Versammlung des Vereins deutscher Eisenbahnverwaltungen zu Strafsburg im Juni 1893 gefallen sind; in der Frage der relativen Werthbestimmung kann diesen Kundgebungen schon deshalb kein Gewicht beigemessen werden, weil dieselben ohne Angabe des Zahlenmaterials und der speciellen Erfahrungen erfolgt sind. Wenn beispielsweise die Grofsherzoglich ober hessische Eisenbahnverwaltung attestirt: