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172 Stahl und Eisen. Eine merkwürdige Tarifmafsregel. 15. Februar 1895. Eine merkwürdige Tarifmafsregel. Der Abgeordnete für den Wahlkreis Hagen- Schwelm, Hr. Dr. Beumer, hat am 9. ds. Mts. im preufs. Abgeordnetenhause ein höchst merk würdiges Tarifabkommen der Kaiserl. deutschen Eisenbahndirection in Elsafs-Lothringen mit der belgischen Staatsbahn und der Prinz-Heinrich- Bahn zur Sprache gebracht, worüber die nach folgende Rede Aufschlufs giebt: Dr. Beumer (n.-l.): M. H.! Seit Jahren bemüht sich die niederrheinisch ■ westfälische Eisen- und Stahlindustrie um die Ermäfsigung der j Frachten für Erze aus Luxemburg und Lothringen ohne den wünschenswerthen Erfolg. Da erhalten wir Kenntnifs von dem nachfolgenden, Aufsehen erregenden Tarifabkommen der Reichseisenbahnen in Elsafs-Lothringen mit der belgischen Staats bahn und der Prinz-Heinrich-Bahn, das lediglich dazu dienen wird, die Schätze des genannten Erz vorkommens dem Ausland, und zwar England, zu einem billigeren Tarifsatz zu liefern als den deutschen Werken, die ausdrücklich von diesem ermäfsigten Tarif ausgeschlossen worden sind. (Hört, hört!) Diese Tarifmafsregel, die wohl das Merkwürdigste und Gefährlichste darstellt, was je auf dem Gebiete deutscher Eisenbahntarif politik geleistet worden ist, geht aus einer Reihe von Briefen hervor, die ich hier verlesen zu dürfen den Herrn Präsidenten ehrerbietigst ersuche; denn eine blofse Inhaltsangabe könnte bei Manchem den Glauben erwecken, die Sache sei unmöglich und habe doch noch einen Haken, den sie aber nicht hat. Hier sind die Briefe. Das belgische Ministerium der Eisenbahnen, Posten und Telegraphen, Verwaltung der Staats eisenbahnen, Abtheilung für Handel, Tarifs 2 Bureau Nr. 2776/20/5042 schreibt an ein deut sches Erzgeschäft: „Brüssel, 2. Mai 1894. In Erwiderung Ihres Schreibens vom 20. März d. J. und Ihrer verschiedenen vorhergehenden Mit- theilungen haben wir die Ehre, Sie davon in Kenntnifs zu setzen, dafs wir bereit sind, für den Transport von Erzen aus dem Grofsherzogthum Luxemburg über Antwerpen nach England einen Tarif nach folgenden Sätzen einzuführen: f. d. Tonne von Petingen nach Antwerpen 4,19 Fres. „ Rödingen „ „ 4,19 , » Esch „ » . 4,50 , folgen noch mehrere Stationen bis von Düdelingen nach Antwerpen 5,22 „ Diese Frachtsätze, welche für Versendungen gültig sind, die mindestens 200 t betragen, sind die niedrigsten, die für die in Rede stehenden Transporte zugestanden werden können, und Sie haben nur unter der Bedingung Anspruch auf dieselben, dafs Sie uns den, Beweis liefern, dafs Sie mit England beträcht liche Geschäfte abgeschlossen haben. Hierbei ist zu beachten, dafs diese Sätze in keinem Falle | für Erze Gültigkeit haben, die aus dem Grofsherzogthum über den Antwerpener Hafen nach den rheinischen und westfäli schen Werken gehen. Wir ersuchen Sie, uns die Mafsnahmen mitzutheilen , die Sie in dieser Be ziehung getroffen haben. Genehmigen Sie u. s. w. Im Namen der Verwaltung: Der Handelsdirector gez. Garnir. 11 In einem Briefe des belgischen Ministeriums der Eisenbahnen d. d. Brüssel den 30. Juni 1894 heifst es dann, nachdem dieselben Bedingungen wiederholt sind: „Bei dieser Gelegenheit halte ich es für angezeigt, Sie davon in Kenntnifs zu setzen, dals die Kaiserliche Eisenbahndirection von Elsafs-Lothringen bei ihrer vorgesetzten Behörde beantragt hat, für die in Frage stehenden Sendungen, deren Ausgangspunkt Oettingen, Rümelingen, Petingen und Kayl ist, dieselben Fracht sätze einzuführen, wie für diejenigen aus Esch mit einem Zuschlag von 10 Gentimes pro 1000 kg. Wenn dieser Vorschlag angenommen wird, wird also der Frachtpreis von diesen Bahnhöfen ab, der pro 1000 kg 5,04 Fres, beträgt, wie Ihnen in dem Schreiben der Eisenbahnverwaltung vom 2. Mai d. J. mitgetheilt wurde, auf 4,60 Fres, ermäfsigt. Genehmigen Sie Im Namen des Ministers: Der Administrator (Name unleserlich).“ Das deutsche Erzimporthaus wendet sich nun an die Stadtverordneten von Antwerpen, diese an den Minister der belgischen Eisenbahnen, der unter dem 26. Sept. 1894 an die Antwerpener Stadtverordnetenversammlung schreibt: „Meine Herren! In Erwiderung Ihres Schreibens vom 14. September d. J. theile ich Ihnen mit, dafs die Verwaltung der Prinz Heinrich-Bahn und die Generaldirection der Kaiserlichen Eisenbahnen von Elsafs-Lothringen zu der Einführung der neuen, für die aus dem Grofsherzogthum Luxemburg nach Ant werpen bestimmten Erze bewilligten Frachtsätze nur unter der Bedingung ihre Zustimmung geben wollen, dafs die Sendungen aus diesem Hafen direct nach Grofsbritannien mittels Seeschiff exportirt werden. Bei Aufstellung dieser Bedingung hat die Eisenbahndirection von Elsafs-Lothringen keinen anderen Zweck gehabt, als zu ver hindern, dafs die von ihr bewilligten Preisermäfsigungen zu Gunsten der nach Antwerpen bestimmten Erze dazudienen, die Transporte dieser Art, die aus dem Grofsherzogthum Luxemburg nach West falen bestimmt sind, von der deutschen Route abzulenken. Unter diesen Verhältnissen ist es mir nicht möglich, Ihrer vorerwähnten Zu schrift stattzugeben. Genehmigen Sie u. s. w. Im Namen des Ministers: Der Administrator: Dubois. 11 Die Direction der Reichsbahnen, an die sich nun die deutsche Firma wendet, bestätigt unter dem 19. November 1894 lediglich die Richtigkeit dieser Auffassung, indem sie schreibt: