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170 Stahl und Eisen. Hermann Gruson t. 15. Februar 1895. Industrie beschäftigungslos wurde, kamen der Giefserei die Erfolge der Versuche zu rechter Zeit zu statten. Die von ihr verfertigten Hartgufs - Herzstücke bewährten sich auf der Magdeburg-Halberstadter Eisenbahn vorzüglich, es folgte die Fabrication von Kreuzungen und Durchschneidungen, Drehscheiben, Wendeplatten und Weichen für Haupt- und Strafsenbahnen. Diese Stücke bilden heute noch einen erheblichen Theil der Fabrication des Grusonwerks; die Hartgufs-Räderfabrication, welche sich bald anschlofs, erhielt einen gefährlichen Wettbewerb in den Stahlgufsrädern, hat sich aber bis heute ein sehr bedeutendes Absatzgebiet zu erhalten gewufst. Die genaue Kenntnifs des Materials, das grofse Härte mit hoher Festigkeit ver einigte, legte Gruson den Gedanken nahe, dafs dasselbe zu den damals aus weichem Stahl hergestellten Panzergranaten sich eignen müfste; die nicht ohne Schwierigkeiten inscenirten ersten Parallelversuche, welche im Jahre 1864 mit Hartgufs- und Stahl geschossen gegen schmiedeiserne Panzerplatten vorgenommen wurden, fielen für die Hartgufsgranaten günstig aus, ihre Billigkeit sprach ferner für sie, und das Werk erhielt grofse Aufträge auf Hartgufsgeschosse, Lang- und andere Granaten aller Kaliber. Die an der Elbe gelegenen Werkstätten erwiesen sich als zu eng, und es erfolgte im Jahre 1869 die Verlegung an die jetzige Stelle, der Marienstrafse in Magdeburg- Buckau. Nachdem hier die technischen Einrichtungen, insbesondere die zum Schmelzen des Eisens in gröfserer Vollkommenheit und Fassungskraft eingerichtet waren, that Gruson den bedeutungsvollsten Schritt seines arbeitsreichen Lebens, indem er es unter nahm, das früher wegen seiner Brüchigkeit mit Recht als für den Zweck untauglich befundene Gufseisen in Gestalt des Hartgusses als Panzermaterial zu erproben. In einer Reihe von Versuchen, welche auf seine Initiative zuerst mit einzelnen Panzer stücken , dann mit Thürmen und Batterieen * unternommen wurden, wandelten die erzielten glänzenden Resultate das anfängliche und erklärliche Mifstrauen in das Gegen theil um; man sah die Richtigkeit des Gedankens ein, den Gruson seinen Panzer- Constructionen zu Grunde legte, und der lautete: ,Nicht in der Localisirung der Wirkung des Treffers liegt der Schwerpunkt der Vertheidigung, sondern in der Paralysirung derselben, welche letztere einerseits durch die Härte der angegriffenen Aufsenfläche des Panzers, andererseits durch die Vertheilung der Wirkung des Geschosses auf eine grofse Fläche erreicht werden kann.“ Zur Gewinnung der Widerstandsfähigkeit der Hartgufsplatten wählte Gruson mit glücklichem Griff die gewölbte Form, welche sich im senkrechten Schnitt derjenigen eines Ellipsenquadranten nähert. Sie befördert gleichzeitig das Abgleiten der auf die glasharte Oberfläche auftreffenden Geschosse, wodurch ein erheblicher Theil ihrer lebendigen Kraft vom Panzer abgelenkt wird, bevor sich dieselbe auf oder in demselben vollständig in Arbeit umsetzen kann, wie es beim Walzeisenpanzer in der Regel geschieht. Der Hartgufs bietet auch die Möglichkeit, den Panzern nicht nur jede gewünschte zweckentsprechende Form zu geben, sondern sie auch vor Allem in jeder beliebigen Dicke auszuführen. Nachdem durch Versuche das richtige Mafs der letzteren fest gestellt war, hatte Gruson die Genugthuung, dafs sein Panzerthurm die Bedingungen, welche an ihn bei der Beschiefsungsprobe gestellt wurden, weit übertraf. Es fiel dieser Triumph, der sich gleichzeitig auch auf Panzerbatterieen erstreckte, in das Jahr 1874, ihm folgte ein zweiter gröfserer im Jahre 1886 bei den Proben, welche der Grusonsche Hartgufs in Spezia glänzend bestand, trotzdem die Angriffsmittel inzwischen wesentlich vervollkommnet worden waren. Infolgedessen gewann der Hartgufs für Küstenbefestigungen eine hohe Bedeutung; Preufsen ging mit gröfseren Bestellungen bereits 1874 voran, bald folgten viele andere Staaten. Die Erfolge, welche das Grusonwerk bei den Bukarester Schiefsversuchen gegen den französischen Wettbewerb in heifsem Kampfe davontrug, sind den Lesern dieser Zeitschrift bekannt;** sie brachten dem Werke umfangreiche Bestellungen von Rumänien und anderen Ländern. Von grofser Wichtigkeit für den Erfolg hierbei war, dafs damals Gruson mit dem König]. Preufs. Ingenieur- * Vergl. „Stahl und Eisen“ 1893 Nr. 8, 1892 Nr. 5 u. a. N. ** Vergl. Nr. 4, 1886.