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1. Januar 1895. Zur Panzerplatteufrage. III. Stahl und Eisen. 19 Stellung des Stahlblocks, welche das Entstehen von Blasen möglichst ausschliefst (in Nordamerika dürfen nur die unteren 213 des Gufsblockes für die Platte verwendet werden), sowie sorgfältiges Ausschmieden in hydraulischen Pressen oder Walzen und Härten in Oel wird das Widerstands vermögen solcher Platten unterstützt. Dafs auch auf diesem Wege hervorragende Widerstands leistungen erzielt werden können, das hat die I Firma Krupp mit ihren Platten in Chicago und neuerdings die Gewerkschaft Witkowitz bewiesen; auch französische Werke haben mit solchen [ Platten Ausgezeichnetes geleistet. Alle bisher von solchen Platten bekannt gewordenen Widerstands- I leistungen sind, Zeitungsnachrichten zufolge, von ■ der Kruppschen Fabrik bei einem Schiefsversuch i auf ihrem Meppener Schiefsplatz am 15. December 1894, weit überholt worden. Es sollen nach einem besonderen Verfahren aus Nickelstahl ge fertigte 142 und 146 mm dicke Platten gegen 21 - cm - Stahlgranaten einen Widerstand gezeigt I haben, welcher demjenigen von 240 mm Stahl platten der bisher angewandten Herstellungsweise entsprach. Sie erhielten von 5 Schufs aus der 15- und 21-cm-Kanone keine sichtbaren Sprünge. Die 15-cm-Granaten trafen die Platte mit einer lebendigen Kraft, mit der man bisher Stahlplatten von 270 mm Dicke glatt durchschlug, ohne' dafs sie die Platte zu durchdringen vermochten. Ge lingt es, das Verfahren der Oberflächenhärtung von den ihm anhaftenden Mängeln zu befreien, so wird es dadurch vermuthlich geeigneter, dem andern System zu höheren Leistungen zu verhelfen. Es liegt in der Natur der Sache, dafs die Fortschritte in der Herstellung der Panzerplatten die Geschofsfabriken zum Wettstreit herausfordern mufsten, denn die Geschosse müssen, wie wir bereits früher ausführlicher auseinandergeselzt haben, wenn sie die ihnen vom Geschütz ertheilte Durchschlagskraft im Panzer unverkürzt zur Wirkung bringen sollen, eine solche Festigkeit besitzen, dafs sie nicht nur ganz bleiben, sondern selbst ihre Form nicht verändern (sich stauchen), weil die hierbei verbrauchte Arbeitskraft verloren geht. So anerkennenswerth die von den Geschofs- fabriken erreichten Fortschritte auch sind, ist dem Panzer bis heute dennoch eine bedeutende Ueberlegenheit geblieben. Wenn sich aber die Nachrichten von Erfolgen bestätigen, die auf dem Schiefsplatz von Oclita bei Petersburg kürzlich mit Geschossen besonderer Art erzielt wurden, so scheint das Problem gelöst, welches dem Geschofs die Stellung zum Panzer zurückgiebt, die es vor der Herstellung gehärteter Stahlplatten besafs. Man hat vor kurzem, wie wir den „Mit- theilungen aus dem Gebiete des Seewesens“ 1894, Heft XI, entnehmen, auf dem Schiefsplatz von Ochta eine 150 mm dicke Cammell- und eine 250 mm dicke Brown - Platte, beide nach dem Harveyverfahren gehärtet, aus der 15-cm-Kanone L/45 mit zwei Sorten Granaten beschossen; die der einen Art waren in der russischen Fabrik von Putiloff gefertigte Holtzergranaten, die Gra naten der anderen Art waren gleichfalls in Rufsland gefertigt, deren Einrichtung aber streng geheim gehalten und vor unberufenen Blicken gehütet wurde. Während die ersteren Geschosse die Platten nicht durchschlugen und zerbrachen, sich aber immerhin gut und besser bewährten, als in England gefertigte Geschosse gleicher Art, haben die letzteren bei gleicher Auftreffkraft die Platten mit so grofsem Kraftüberschufs durchschlagen, dafs sie erst 1000 m hinter dem Ziel aufgefunden wurden. Durch einen hinter dem Ziel aufgestellten Schirm schlugen sie ein rundes Loch, ein Be weis, dafs sie durch die Platte glatt ohne Form veränderung hindurchgegangen waren. Dem durch sein Härtungsverfahren für Panzerplatten bekannten Kapitän Tresidder, welcher als Vertreter der Firma Brown dem Schiefsversuch beiwohnte, wurde zwar nicht Gelegenheit gegeben, sich von der Einrichtung der Geschosse zu überzeugen, doch glaubt er sich nicht getäuscht zu haben, dafs die Spitze der Granaten mit einer Spitzkappe aus Schmiedeisen oder weichem Stahl bedeckt war. Die Höhe der Kappe betrug etwa 11 bis 12 cm, die Wandstärke etwa 12 bis 13 mm Oli"), ihr Gewicht würde sich auf etwa 1,59 kg errechnen. Dafs die Kappen aus Schmiedeisen gefertigt waren, ist schwerlich anzunehmen, ihr Verhalten macht es wahrscheinlicher, dafs sie aus hartem Stahl bestanden. Die Russen nannten diese Granaten „magnetische Geschosse“, was vielleicht dahin zu erklären ist, dafs die Kappe durch magnetische Anziehung am Geschosse ge halten wurde. So wenig glaubwürdig diese An gaben im ersten Augenblick erscheinen mögen, läfst sich ihnen bei näherer Erwägung eine Wahr scheinlichkeit doch nicht absprechen. Die Er klärung ist jedoch nicht in der Mechanik, sondern in der Wellenlehre zu suchen. Professor Mach in Prag, bekannt durch seine photographischen Aufnahmen fliegender Geschosse, hat nämlich nach gewiesen, dafs das Gelingen des Durchschiefsens eines Brettes mit einer Talgkerze durch Schwin gungen zu erklären ist. Wenn die Kerze das Brett durchschlagen soll, so mufs die durch den An prall erregte Längenschwingung die Kerze bereits durchlaufen haben, bevor die letztere noch eine viertel Querschwingung vollziehen konnte. Wenn dies nicht zutrifft, so ballt sich die Kerze vor dem Brett zu einem Klumpen zusammen. Möglicher weise sind ähnliche Vorgänge die Ursache, dafs die harten Stahlgranaten beim Auftreffen auf harte Panzer zerbrechen und dafs die Spitzkappe den von ihr beim Auftreffen auf die Panzerplatte aufgenommenen Stofs in günstiger Weise als Längensehwingungen auf den Geschofskörper überträgt, die diesen bereits durchlaufen haben, bevor Querschwingungen ihren Einflufs geltend