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land angenommene sog. Doppelschildsystem zweckmäfsiger, weil dessen äufsere Panzerlage die Zündergranaten zum Zerspringen bringt, so | dafs der innere Panzerschild nur von Spreng stücken getroffen wird, die gegen ihn wirkungslos | bleiben. Ein solcher Panzer ist sowohl auf den Schlachtschiffen, als den Kreuzern anwendbar; denn es erscheint nicht mehr zweifelhaft, dafs man fernerhin selbst den Kreuzern einen Panzer- . schütz nicht wird vorenthalten können. Das | japanische Flaggschiff ,Matsusima“, ein Kreuzer mit offenen Panzergeschützthürmen, aber ohne Seitenpanzer, hatte durch das chinesische Artillerie feuer so sehr gelitten, dafs Admiral Ito es ver lassen mufste. — Wer in den Kampf geht, hofft zu siegen, | aber der Stärkere hat die meiste Aussicht auf 1 Erfolg; daher ist es nicht nur richtig, sondern auch Pflicht eines Jeden, der dem Kampf nicht 1 ausweichen will, oder um seiner Existenz oder anderer Gründe willen nicht ausweichen kann I und darf, sich durch seine Streitmittel so stark | zu machen, als die Technik es ermöglicht. Wer j daher zur See kämpfen und um den Sieg ringen | will, kann Schlachtschiffe nicht entbehren. Da [ in ihrem Kampf die Artillerie entscheidet, so wird ihre Kampfkraft durch die Art und Zahl der Geschütze bedingt. Hieraus erklärt sich die starke Geschützausrüstung der neuesten Schlacht- I schiffe. Die deutschen Panzerschiffe der Branden- | burgklasse sind mit vier 28 - cm • Kanonen L/40, zwei 28-cm L/35, sechs 10,5-cm-Schnelllade- I kanonen L/35, acht 8-cm-Schnellladekanonen L/30, zwei 6 - cm - Bootskanonen und acht Maschinen gewehren (vom Gewehrkaliber) ausgerüstet. Die sieben in Bau genommenen grofsen englischen Panzerschiffe der Majestic ■ Klasse werden vier 30,5-cm-Kanonen, zwölf 15,2-cm-, sechszehn 6,6-cm-, zwölf 4,7 - cm - Schnellfeuerkanonen und eine Anzahl Maschinengewehre erhalten. Dafs diese Schiffe und Geschütze Panzerschutz haben müssen, ist wohl selbstverständlich, aber er mufs auch genügend widerstandsfähig gegen die in so hohem Mafse gesteigerte Durchschlagskraft der Geschosse sein, denn davon hängt die Defensiv kraft des Schiffes ab, auf welche seine Offensiv kraft sich stützt. Der Flächenausdehnung des Panzers sind aber in Rücksicht auf die Trag fähigkeit des Schiffes und seine übrige Ausrüstung, in erster Linie an Artillerie, nächstdem starker Maschinen, grofsem Kohlenvorrath u. s. w. ebenso Grenzen gesetzt, wie der Dicke des Panzers. Treffend hat Kaiser Wilhelm II. diese Ver hältnisse und die leitende Idee zu ihrem Aus gleich in der Unterschrift bezeichnet, die er unter sein, dem bekannten ehemaligen Chefconstructeur der englischen Admiralität, Sir Edward Reed, überreichtes Bildnifs gesetzt hat: „In einem mo dernen Kriegsschiff macht die Vertheilung der Belastung ein Compromifs zwischen Panzerung und Artillerie nöthig. Man gebe dem Schiff einen vollen Panzergürtel ringsherum. Damit ist es aber genug. Danach bleibt das Entscheidende die Artillerie.“ Diejenigen, die Ende der sieb ziger Jahre das allmähliche Verschwinden der grofsen Panzerschlachtschiffe aus den Kriegs flotten vorhersagten, haben nicht nur nicht Recht behalten, der Bau solcher Schiffe hat sich im Gegentheil immer mehr ins Riesenhafte entwickelt. Man meinte damals, die Grenze des nautisch und technisch Zulässigen würde bei 10 000 t Wasser verdrängung erreicht sein; die in diesem Jahre in England auf Stapel gelegten 7 Schlachtschiffe der Majestic-Klasse werden aber schon 14 900 t Gewicht erhalten, und es ist sehr die Frage, ob damit die Grenze betreten ist. Dementsprechend ist die Bedeutung des Panzers gestiegen. Wohl ist es begreiflich, dafs das passive Streitmittel, der Panzer, vor dem activen, der Artillerie, zurück stehen mufs, denn der alte preufsische Gefechts grundsatz: »Wirkung geht vor Deckung“ hat hier nicht minder Geltung, wie im Feldkriege. Daraus darf indessen eine Rechtfertigung zur Vernachlässigung des Panzers als Schutzmittel nicht hergeleitet werden, weil das eine nutzlose Selbstopferung wäre. Die Maschinengewehre fegen heute Jeden vom Deck, der nicht geschützt steht. Ist man aber gezwungen, dem Panzer eine so ausgedehnte Verwendung zu geben, so mufs er von bester Güte sein, denn bei dem Compromifs zwischen Artillerie und Panzer handelt es sich um das Gewicht, nicht in erster Linie um die Ausdehnung des Panzers. Die Wider standsfähigkeit des Panzers soll nicht durch seine Dicke, sondern durch die Güte des Panzermaterials gesteigert werden, um an Gewicht zu sparen. Dies ist die Ursache, dafs selbst die kleinen See mächte, die früher willig den Spuren Englands und Frankreichs folgten, heute selbst Panzer schiefsversuche anstellen und dafs immer neue Panzerfabriken entstehen, die den Wettbewerb mit den alten führenden Werkstätten mutbig und erfolgreich aufgenommen und die heimische Ma rine vom Auslande unabhängig gemacht haben, z. B. die Gewerkschaft Witkowitz in Oesterreich. Durch die Schiefsversuche in den verschie- | denen Ländern ziehen sich indessen gewisse I Widersprüche, die das vergleichende Urtheil er- ! schweren. In jedem Lande wird mit .eigenen Geschützen und Geschossen und unter den dort | für gut befundenen Bedingungen die Beschufs- I probe ausgeführt, woraus von selbst manche sich widersprechenden Versuchsergebnisse erklären. So will man in Frankreich die Ergebnisse der Be- schufsproben in Nordamerika und England nicht als mafsgebend ansehen, weil sie mit Geschützen zu kleinen Kalibers und zu geringer Geschofs- geschwindigkeit erschossen wurden. Man will in Frankreich durch die Beschufsprobe möglichst diejenige Widerstandsfähigkeit ermitteln, die im