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Zahl von Thören, Luken und Ventilen, auf deren rechtzeitigen) Verschlufs ihre Sicherheitswirkung beruht (auf der „Victoria“ waren 969 vorhanden), wird auch bei strengster Dienstordnung, wie sie auf Kriegsschiffen Gebrauch ist, keine Gewähr für seine Ausführung bieten. Hier kann wirk liche Hülfe nur von der Technik kommen, die Vorrichtungen herstellt, welche das Verschliefsen jener Thüren im Augenblick der Gefahr selbst- thätig bewirken. Wie verlautet, sollen amerika nische Werftarbeiter eine solche Vorrichtung er funden haben, die alle Thüren schliefst, sobald das eindringende Wasser die Höhe von 152 mm erreicht. Wenn wir somit Schutzmittel gewonnen haben, welche es möglich machen, dafs dem vom Sporn des Gegners getroffenen Schiff die Schwimm fähigkeit erhalten bleibt, so ist man andererseits auf Grund von Erfahrungen über den Gefechts- werth des Rammens zu Ansichten gekommen, die den bisherigen gerade entgegen laufen und die Idee einer „Rammtaktik“, wie es scheint, voll ständig beseitigen. Der bekannte englische Ma rineschriftsteller Laird Glowes hat festgestellt, dafs in den von 1861 bis 1879 vorgekommenen 74 Fällen, in denen der Sporn mit der Absicht, den Gegner zu rammen, gebraucht worden ist, 32 Fälle ohne Erfolg blieben, in den übrigen 42 Fällen erlitt mindestens einer der beiden Gegner Beschädigungen; in 7 Fällen beschädigte sich das rammende Schiff ebenso stark, wie das von ihm gerammte; in anderen 7 Fällen erlitt sogar der Rammende gröfsere Beschädigungen als der Gerammte. Merkwürdig genug ist die That- sache, dafs die sowohl im Gefecht als bei Friedens übungen vorgekommenen unbeabsichtigten Rammstöfse meist von viel verhängnifsvolleren Folgen begleitet waren, als jene absichtlich aus geübten, dafs aber auch hierbei der Rammende meist nur mit gröfseren Verletzungen davon kam. Das letzte Beispiel hierfür ist der Zusammenstofs des „Gamperdown“ mit der „Victoria“. Wenn unter solchen Umständen der Gefechtswerth des Sporns gewifs angezweifelt werden darf, so steht doch andererseits fest, dafs die heute gebräuch liche Form des Sporns ihrem Zwecke nicht entspricht und darum zu einem einwandfreien Urtheil über den Werth des Rammens nicht ge eignet ist. Wenn nun auch zugegeben werden mufs, dafs auf den absichtlichen Gebrauch des Sporns im Gefecht nicht ganz verzichtet und sein unabsichtlicher Gebrauch im Gefecht unmöglich vermieden werden kann, dann wird es auch noth- i wendig sein, den Bug der Schlachtschiffe für einen Rammstofs so einzurichten, dafs die ram menden Schiffe möglichst ohne Beschädigungen aus einem Zusammenstofs hervorgehen. Es ist nicht daran zu zweifeln, dafs der Technik die | Lösung dieser Aufgabe gelingen wird. Aus diesen Betrachtungen geht indefs hervor, | dafs Sporn und Torpedo von dem hohen Ansehen, j in dem sie standen, viel verloren haben. Da durch ist das Geschütz zur Stelle der ersten Hauptwaffe hinaufgerückt, von welcher die Ent scheidung im Kampfe abhängen wird. Die Schnell feuerkanonen haben auch den Kampfwerth des Torpedos herabgedrückt, weil sie schon auf Ent fernungen weit jenseits des Wirkungsbereiches des Torpedos das feindliche Schiff kampfunfähig gemacht oder zum Rückzug gezwungen haben können, bevor dieses also von seinen Torpedos Gebrauch zu machen vermochte. Diese Ansicht hat durch die Seeschlacht am Yalu zwischen Japanern und Chinesen eine recht überzeugende Bestätigung erhalten, denn in der Schlacht ist von den Japanern weder der Sporn, noch der Torpedo gebraucht worden, die vier zu Grunde gegangenen Schiffe der Chinesen sind nur durch die Artillerie vernichtet worden. Auch die Ver luste der Japaner sind sämmtlich durch die Wir kung der chinesischen Artillerie entstanden. Aller dings haben die Chinesen einige Torpedos den Japanern zugeschickt, aber thörichterweise auf so grofsen Entfernungen, dafs sie ohne Wirkung bleiben mufsten. Wenn nun aber die Artillerie die Hauptwaffe im Seegefecht ist, so liegt es auf der Hand, dafs damit auch die Bedeutung des Panzers als Schutzmittel entsprechend steigen mufs. Die Verwendung des Panzers ist heute nicht mehr auf die Bekleidung der Seitenwände, der Thürme und Kasematten zum Schutze der Hauptgeschütze auf den Schlachtschiffen be schränkt, er ist heute selbst auf den kleinen Kreuzern nicht mehr entbehrlich, wo er — ab gesehen vom Panzerdeck — als Schutzschild .die Schnellfeuerkanonen auf dem Oberdeck feindwärts umgiebt. Alle nicht hinter Panzerwänden ste henden Geschütze müssen heute mit einem Panzer schild versehen sein, der, auf der Laffete stehend, sich mit dieser dreht, und daher das Geschütz dem feindlichen Feuer niemals ungedeckt preis- giebt. Die durch den Grundsatz des Schnellfeuers bedingte leichte Beweglichkeit des Geschützes setzt naturgemäfs dem Gewichte des Panzers ge wisse Schranken, woraus sich die Nothwendigkeit ergiebt, dafs das Panzermaterial, abgesehen von der das Abweisen feindlicher Geschofstreffer be günstigenden Form des Schildes, um so besser, d. h. um so widerstandsfähiger sein mufs. Fach leute ziehen aus der Schlacht am Yalu auch noch die Lehre, dafs es nothwendig sein wird, den Seitenwänden der Schlachtschiffe einen ausge dehnteren Panzerschutz aus schwächeren, etwa 10 bis 12 cm dicken Platten zu geben, wie es Frankreich (Dupuy de Lome) und Italien (Sar- degna) bei einigen Schiffen bereits gethan, um die Sprenggranaten der Schnellfeuerkanonen ab zuhalten. Lord Brassey verwirft diesen dünnen Panzer, weil sein Widerstandsvermögen selbst gegen die Granaten der 1 2-cm-Schnellfeuerkanonen nicht mehr ausreicht. Ihm scheint das von Eng-