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112 Stahl und Eisen. Die neuere Theorie der Elektrolyse. 15. Januar 1896. Offenbar findet ein Gleichgewicht statt, sofern eine elektrostatische Gegenwirkung gegen die ,elektrolytische Lösungstension“ des Zinkes die unausbleibliche Folge ist und einen Stillstand der Zinkabsonderung bedingt. Sicherlich ist nur eine sehr kleine Menge Zink in den lonenzustand über gegangen , eine Menge jedoch, die hinreicht, ein merkliches negatives Potential der Platte und ein positives der Flüssigkeit zu ertheilen. Die elektrolytische Lösungstension des Zinkes ist eine sehr grofse und bedeutend gröfser als der osmotische Druck der Zinkionen. So ist es erklärlich, dafs selbst in gesättigter Zinklösung sich das Potential bildet, nur ist es ein wenig kleiner, als in ver dünnter Lösung oder in reinem Wasser. Andere Metalle verhalten sich anders. So ist beim Kupfer die Lösungstension kleiner als der osmotische Druck der Ionen, deshalb tritt beim Eintauchen einer Kupferplatte in eine Kupferlösung die umgekehrte Erscheinung ein, denn es treten positive Ionen aus der Lösung an die Elektrode heran, die bereit sind sich auszuscheiden, wenn ihnen die ent sprechende Menge negativer Elektricität dargeboten wird. Hält man beide Umstände fest, so steht, praktisch genommen, ein offenes Daniellsches Element vor uns; wir brauchen uns nur die bekannte Tonzelle zwischen die beiden Flüssigkeiten eingeschoben zu denken. Jetzt ist es aber auch leicht einzusehen, was beim Schlufs der beiden Platten durch einen metallischen Leiter geschehen wird. Die auf dem Zink angesammelte negative und die auf dem Kupfer befindliche positive Elektricität können sich neutralisiren. In folgedessen tritt in der Lösung eine Verschiebung sämmtlicher Ionen ein, die Zinkionen treten in die Lösungen hinein, und die Kupferionen, ihrer Tendenz gemäfs, aus der Lösung heraus, beides in äquivalenter Menge. Innerhalb der Lösung haben wir also durchaus einen Vorgang anzunehmen, gleich dem schon in der alten Grotthufsschen Theorie geltenden. Nun ist die Zinkplatte ent laden, um sich sofort mit einer neuen Schicht Jonen zu beladen, d. h. so lange die Leitung vor handen ist, beharrt der Strom in gleicher Weise. Wir haben vorstehend den Vorgang in einem Constanten Elemente, wie in dem Dani el Ischen, betrachtet. Nernst war bei Begründung seiner Theorie von sogenannten Goncentrationsströmen ausgegangen, die man in verschiedener Weise aufbauen kann. Zunächst können die Elektroden selbst die Verschiedenheit der Zusammenstellung enthalten. Man nimmt z. B. als Elektroden zwei Amalgame von Zink von verschiedener Goncen- tration, die beide etwa in dieselbe Lösung von Zinksulphat eintauchen. Alsdann ist der osmotische Druck nach beiden Elektroden hin gleich grofs, aber die Lösungstentionen können proportional den Concentrationen angesetzt werden. Die be rechneten elektromotorischen Kräfte stimmen genau mit den beobachteten überein. Mannigfache Com binationen dieser Art sind möglich, so Cadmium- Amalgam in Jodcadmium-Lösung. Der Grund gedanke des theoretischen Ansatzes ist ein ener getischer, sofern die Gleichheit der osmotischen Arbeit mit der zu leistenden elektrischen verlangt wird. Dieser Ansatz in Differentialausdrücken giebt integrirt eine Formel von grofser Fruchtbarkeit. Für die vorhin angeführten Beispiele ist noch be- merkenswerth, dafs das Quecksilber keine elektro motorische Wirkung ausübt, denn sein Lösungs druck ist viel kleiner als der des mit ihm verbundenen Zinkes, und das energischere Metall giebt den Ausschlag. Uebrigens kann auch das Quecksilber zur Wirkung gelangen, wenn man einerseits reines Quecksilber, andererseits Gold-Amalgam anbringt. Die Lösungstension des Goldes ist nun geringer als die des Quecksilbers, daher entsteht ein Strom beim Schlufs der Kette, der im Elemente vom reinen Quecksilber zum Amalgame geht. Als Elektrolyt wird Quecksilberoxydul-Salz genommen. Dieser Versuch bietet sogar ein Mittel dar, das Moleculargewicht der gelösten Stoffe zu bestimmen. Des-Goudres erhielt sogar mefsbare und voraus zuberechnende elektromotorische Kräfte, indem er beiderseits reines Quecksilber anwandte, aber unter verschiedenem Drucke, und hier ergaben sich Werthe von nur 7 bis 21 Milliontel Volt, die dank unseren vorzüglichen Elektrometern noch genau gemessen werden konnten. Auch gas förmige Elektroden können angewandt werden, indem man beiderseits Platinelektroden anwendet, die in verschiedenen Gasen eingeschlossen sind. Platinirtes Platin vermag viel Wasserstoff zu binden. Nimmt man beiderseits Wasserstoff, aber mit verschiedenen Mengen, und als Elektrolyt eine Säure, so erhalten wir einen Strom, der von der concentrirteren zur weniger concentrirten Elektrode geht, und der, wie Le Blanc gezeigt hat, sich gleichfalls vorausberechnen läfst. Platin und Palla dium-Elektroden gaben ganz gleiche Werthe, weil eben nur das eingeschlossene Gas mafsgebend war. Nernst begründet übrigens seine Theorie an solchen Ketten, bei denen nicht die Elektroden, sondern die Lösungen verschieden waren. Der Art ist die zuerst von ihm betrachtete Kette: Silber, Sibernitrat (concentrirt), Silbernitrat (ver dünnt), Silber. Hier herrscht beiderseits gleiche Lösungstension; die osmotischen Drucke sind aber verschieden, und daher entsteht eine Potential differenz. Nernst beweist, dafs der Strom von der verdünnten zur concentrirteren Lösung — im Element — gehen mufs, und auch hier ist der Betrag vorauszuberechnen. Eine fernere interessante Kette ist die Gombination folgender sechs Körper: 1. Silber, 2. Silbernitrat, 3. Kaliumnitrat, 4. Chlor- kalium, 5. Chlorsilber, 6. Silber. Als negative Elektrode kann hier das Chlorsilber betrachtet werden, wie Ostwald gezeigt hat, und zwar hat dasselbe die Tendenz, negative Chlorionen zu bilden. Nr. 3 ist nur eingeschaltet, um einen