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Die neuere Theorie der Elektrolyse.* Von Dr. A. von Oettingen, Professor an der Universität Leipzig. M. H.! Wenn in der mir kurz zugemessenen Zeit ich es wagen sol), ein Bild von unserer heutigen Lehre von der Elektrolyse zu geben, so liegt es wohl auf der Hand, dafs ich so manchen Abschnitt der allgemeinen Elektricitätslehre als bekannt voraussetzen mufs, und es sei mir daher gestattet, Allem zuvor das zu besprechende Thema zu umgrenzen. Seit 60 Jahren sind wir mit dem Ohmschen Gesetze vertraut, dafs sich mit wenigen einfachen Formeln aussprechen läfst. Bezeichnen wir die Stärke eines elektrischen Stromes mit i, und das Potential, das gemeiniglich Spannung genannt wird, mit V, so ist i = k . V, wenn k die Leitungsfähigkeit der gesammten Strombahn bedeutet. Das Ohm sehe Gesetz hat uns niemals Schwierig keiten des Verständnisses dargeboten. Anders steht es mit dem Faraday sehen, demgemäfs in einer Stromleitung, die mehrere Zersetzungszellen enthält, in einer jeden derselben äquivalente Mengen der Bestandtheile der sogenannten Elektrolyte ab gesondert werden, während zugleich in einer jeden Zelle auch die ausgeschiedenen Mengen äquivalent sind. Auf den Vorgang, der diesem fundamentalen allbekannten Gesetze zu Grunde liegt, hat die neuere Lehre ein helles Licht geworfen. Während wir nur die Existenz dieses Gesetzes voraussetzen wollen, werden wir vornehmlich mit dem Ver- ständnifs desselben zu thun haben. Ferner aber werde ich die Kenntnifs der elektrischen Mafs- einheiten voraussetzen müssen, da eine Herleitung derselben die ganze Zeit in Anspruch nehmen würde. Was wir unter einem Ohm, einem Ampere, einem Volt zu verstehen haben und unter einem Coulomb, ist auch heutzutage Jedermann bekannt. Zu den oben hingestellten Gleichungen gehört e nur noch die Definition: i= d. h. die Strom ¬ stärke ist gleich der in der Zeiteinheit durch einen Querschnitt geflossenen Elektricitätsmenge, sowie k = w, wo k das Leitungsvermögen und W der Widerstand ist. Endlich soll noch das bekannte Gesetz der Erwärmung erwähnt werden, welches lautet: Q = i 2 . W . t, welch letzter Werth auch gleich i. V . t = e . V ist. Wärme Q ist Energie, und so sehen wir auch V. e, d. h. Potenzial mal Elektricitätsmenge als Energie an. Wir haben es nun mit dem galvanischen Strom zu thun, und bei diesem spielen, wie das Ohmsche Gesetz zeigt, i und V die Hauptrolle, * Vorgetragen vor der „Eisenhütte Düsseldorf“ am Mittwoch den 15. Januar 1896. denn es ist i = k. V. Wir können indefs im Interesse der Theorie statt i die Gröfse k ins Auge fassen, denn, wenn das Potential V = 1 ist, so wird k = i, woraus zu ersehen ist, dafs die Leitfähigkeit k als diejenige Elektricitätsmenge | erkannt wird, die bei dem Potentialwerth V = 1 durchfliefst. Die Theorie der Elektrolyse hat es daher mit zwei Hauptabschnitten zu thun, die sich auf die Gröfsen k und V beziehen und die wir als Lehre von der Leitfähigkeit der Substanzen und als Lehre vom Potential oder von der Quelle der Elektricität bezeichnen können. Selbstverständ lich mufs der Werth von k auf die Einheit der Länge und des Querschnittes bezogen werden in allbekannter Weise. Es empfiehlt sich, die Leitfähigkeit zuvor zu behandeln, obwohl dem Potential die Erregung der Erscheinung an gehört; weil aber dieser Theil bei weitem der schwierigere ist und weil die Strombildung sehr wohl besprochen werden kann in der Voraussetzung eines gegebenen Stromes, so wollen wir jetzt zur Lehre von der Leitungsfähigkeit der Substanzen übergehen. Die Elektrolyse beruht einerseits auf der Leitfähigkeit, die begrifflich zu klären, und zweitens auf dem Potential, weil dasselbe die in der Elektrolyse aufzuwendenden Energieen be stimmt. Man unterscheidet zwei Arten von Leitfähigkeit, I die metallische und die elektrolytische. Bei der I ersten bewegt sich die Elektricität innerhalb der Substanz fort, bei letzterer dagegen mufs die | Substanz selbst mitwandern, und ohne solches Mitwandern giebt es keine elektrische Bewegung | für sich. Auch diese Erkenntnifs haben wir erst | kürzlich gewonnen, und hat namentlich Ostwald ■ die Wichtigkeit derselben betont, sowie entscheidende I neue Versuche beigebracht. Wir haben uns heute nur mit der elektrolytischen Leitung abzugeben und das Wesen derselben zu kennzeichnen. Wiederum mufs ich als bekannt voraussetzen, dafs wir Kohlrausch eine sehr vortreffliche Methode verdanken, diese Gröfsen zu bestimmen. Ein kurzdauerndes Abhören eines Telephons genügt, um eine ganz genaue Bestimmung auszuführen. Weiter wird Ihnen bekannt sein, dafs schon 1858 Prof. Hi 11 o r f sorgfältig die Bewegung der Bestand theile des Elektrolyten untersucht und das Mafs der sogenannten Wanderung der Ionen bestimmt hat. Diese letztere von Faraday bereits ein- | geführte Benennung hat sich vollkommen bewährt. I Nach Kohlrausch besteht die Leitung einer Lösung j nur in dem Fortführen der Elektricität mittels I der Ionen. Dieselben wandern von einer Elektrode ' zur andern einander entgegen; sie haben dabei