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1. Februar 1896. Die Mannesmannröhren- Werke, ihre Entwicklung u.s.w. Stahl und Eisen. 105 Die Entwicklung der allein Gewinn ver sprechenden Fabrication von Stahlrohren war durch die Abschweifungen selbstverständlich auf gehalten werden. Kein Wunder, dafs die Leistungs fähigkeit des mit so vielen Hoffnungen gegründeten Unternehmens fraglich wurde. Um seine Lebens functionen in einen normalen Zustand hinüber zuführen, bedurfte es eines tiefen, energischen Eingriffs in die Organisation des Unternehmens, der auch stattfand. — Es galt zunächst, den Betrieb planmäfsig auf das fest ins Auge gefafste Ziel einzurichten. Es mufsten selbstredend alle jene Nebendinge, die wohl interessant sein mögen, aber keinen Gewinn bringen, ganz beiseite geschoben, die Erzeug nisse der Fabrik auf solche Gegenstände beschränkt werden, die ein weites Absatzgebiet mit dauerndem, grofsem Bedarf besitzen und bei welchen die Stärke des Mannesmannschen Walzverfahrens möglichst zur Geltung kommt. Das waren Leitungsrohre aller Art für Gase und Flüssigkeiten, besonders für Hochdruckleitungen; ferner stufen förmig abgesetzte Masten für elektrische Beleuchtung, sogenannte Lichtmasten und zur Stromzuführung an elektrischen Strafsenbahnen, Telegraphen- und Telephonstangen, Bohr- und Gestängeröhren für Tiefbohrungen, Siede- und Wasserrohre für Loco- motiv- und Schiffskessel; auf dem Wege des Kaltziehens hergestellte dünnwandige Stahlrohren, sogenannte Präcisionsröhren, für den Fahrradbau sowie endlich Stahlflaschen für flüssige Kohlen säure und verdichtete Gase. Die der neuen Leitung sich entgegenstellende Aufgabe wurde weniger durch den Ausfall ent behrlich gewordener Betriebseinrichtungen als dadurch erschwert, dafs die ruck- und stückweise Erweiterung der Anlagen dem Ineinandergreifen des Betriebes oftmals recht ungünstig waren. Durch Anpassung der Betriebseinrichtung an den Arbeitsgang liefsen sich Arbeitszeit und Kohlen ersparen. Das mufste geschehen, um die Fabri cation wettbewerbsfähig zu machen. Dabei durfte der Betrieb jedoch nicht nur nicht eingeschränkt, sondern er mufste unbedingt erweitert werden, um zunächst durch prompte Lieferung die Stellung am Arbeitsmarkte zu befestigen. Alle diese Verhältnisse, die ich hier nur von der technischen Seite beleuchten konnte, werden einen hinreichenden Einblick in den Entwicklungs gang des grofsen Unternehmens gewähren, der manche mifsverstandene Erscheinung in der Production und in den geschäftlichen Beziehungen erklären, aber auch gleichzeitig den Beweis liefern wird, dafs die hier ins Leben gerufene Röhren industrie technisch auf einer durchaus gesunden Grundlage ruht. 4. Die heutige Röhrentechnik im allgemeinen. Das Verfahren zur Herstellung von Röhren be ginnt heute, wie bisher mit dem „Blocken“, d. h. mit dem Auswalzen einer dickwandigen Röhre aus dem massiven Stahlblock im Schrägwalz oder Blockapparat. Mit dem Aufgeben dieses Verfahrens und Ver wendung von Röhren, welche durch Gufs oder in irgend einer andern Weise, als durch Schrägwalzen, hergestellt wurden, würde man ohne Noth die Grundlage verlassen, auf welcher mir die Con- currenzfähigkeit der Mannesmannwerke so lange gesichert erscheint, bis ein besseres Verfahren erfunden worden ist. Die massiven und ausgewalzten Stahlblöcke werden in bestimmten Längen und Dicken von Stahlwerken bezogen. Die Weite des Loches sowie die Wanddicke müssen erfahrungsgemäfs in einem bestimmten Verhältnifs zu dem anzufertigen den Rohre stehen, ebenso mufs die Gröfse des Blockapparats der zu blockenden Röhre entsprechen, weshalb auch Blockapparate verschiedener Gröfse im Gebrauch sind. Es ist üblich, das Schräg walzen an zwei bildlich dargestellten Walzen zu erklären, deren Oberfläche eine Anzahl spiral förmiger Linien trägt. Letztere sollen Rillen be deuten, zwischen denen das Metall wulstartig abgerundet ist. Die Achsen beider Walzen stehen, von der Seite gesehen, in einem spitzen Winkel zu einander. Diesem Bilde darf natürlich nur eine schematische Bedeutung zugesprochen werden, an welches die Wirklichkeit nicht gebunden ist. Hier möchte ich auch die oft gehörte Ansicht berichtigen, dafs mit grofser Geschwindigkeit, in Augenblickszeit, mehrere Meter lange Rohre her gestellt werden. Wenn dies früher geschah, so ist man heute, von der Erfahrung geleitet, zu einem wesentlich langsameren Walzgange über gegangen, der die Maschine mehr schont und besseres Fabricat liefert. Es lassen sich Röhren bis zu 7 m Länge im Blockapparat herstellen, doch ist der Bedarf für so lange dickwandige Röhren gering; dünnwandige Röhren werden auf dem Blockapparat überhaupt nicht mehr hergestellt. Je nach Bedarf werden die aus dem Blockapparat kommenden Röhren mittels grofser Pendel-Kreissägen noch in mehrere Stücke zerschnitten, um dann im Pilgerwalzwerk über einen Dorn zu langen dünnwandigen Röhren ausgewalzt zu werden. Auch die Pilgerwalzwerke haben bereits einen wechselvollen Entwicklungsgang hinter sich. Während früher die Dornführung mit der Hand gebräuchlich war, ist heute fast überall selbstthätige Maschinenführung an ihre Stelle getreten. Man hat mit diesen Walzwerken bei den kleinen Kalibern, hauptsächlich für Siede rohre, begonnen und ist nach und nach zu immer gröfseren Rohrweiten hinaufgegangen. Bis zu welchem Kaliber man beim Pilgerwalzwerk zweck- mäfsig steigen kann, um vortheilhaft zu arbeiten, ist noch nicht festgestellt. Der Bau eines gröfseren Pilgerwerkes, als solche bis jetzt im Betriebe sind, befindet sich in der Vorbereitung. Heute werden Rohre von gröfserem Durchmesser durch III.16 2