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1. Februar 1896. Die Manne»mannröhren-Werke, ihre Entwicklung u. s. w. Stahl und Eisen. 103 Früchte herangereift sind, deren die deutsche Eisentechnik sich wohl als eine ihrer eigensten und eigenartigsten Errungenschaften rühmen darf. Daraufhin wage icli es, auf Grund persönlicher Anschauungen meinen früheren Mittheilungen weitere über die anderen Mannesmannröhrenwerke folgen zu lassen. A. Komotau. 1. Vorgeschichte des Werkes und die ersten Be- | triebsjahre als Höhremverk. Entwicklung des Schräg walzens. Von den drei der Gesellschaft gehörenden | Werken zu Remscheid, Bous a. d. Saar und Komotau in Böhmen ist das letztere in räumlicher Ausdehnung, wie in seiner baulichen Anlage und maschinellen Betriebsausrüstung das gröfste. Das Werk, inmitten des böhmischen Braunkohlenreviers gelegen, das den Ostabhang des Erzgebirges be gleitet, gehörte der „Erzgebirgischen Stahl- und Eisenindustrie-Gesellschaft“, die im Jahre 1872 ihren Betrieb einstellte. Das Werk blieb todt liegen, bis es im Juni 1887 von der „Commandit- i Gesellschaft Mannesmann“ erworben wurde. In | diese Erwerbung war auch die Ausbeutung der | Braunkohlengrube „Karlsschacht" eingeschlossen, deren ausgedehntes Grubenfeld zwar schon zum grofsen Theil abgebaut war, das immerhin aber noch auf lange Jahre fast den ganzen Bedarf an Kohle für den Betrieb des Werkes zu liefern vermag. Nachdem die hierzu nöthigen Maschinen aufgestellt waren, wurde der Betrieb des Werkes für die Herstellung von Hohlkörpern nach dem Schrägwalzverfahren aufgenommen. Das Schrägwalzverfahren in seinen allgemeinen theoretischen Grundzügen darf ich als bekannt voraussetzen. In der Praxis ist dasselbe von so eigenartiger, so überraschender Wirkung auf den Neuling als Zuschauer, dafs es mir begreiflich ist, wie in den ersten Jugendtagen der Erfindung in ungemessene Fernen hinausschweifende Hoffnungen daran geknüpft werden konnten, und dafs die der Praxis ferner Stehenden auch dann noch an ihnen festhielten, als die rauhe Wirklichkeit ihre Unerfüllbarkeit längst dargethan hatte. Dafs aber die in dem Betriebe mafsgebenden Leiter die Sache nicht vom Standpunkte des geschäftlichen Erfolges betrachten lernten und rechtzeitig ein lenkten, um wieder Boden unter ihren Füfsen zu | gewinnen, das mufste nothwendig zu verhängnifs- vollen Folgen führen, die auch nicht ausblieben. Anfangs war man der Meinung, dafs die Herstellbarkeit von Hohlkörpern durch Schräg walzen ohne Dorn, die in der That die eigen artigste Wirkung desselben darstellt, das Funda ment bilden müsse, auf dem die neue Industrie zu ruhen und sich zu entwickeln habe. Die An sicht wurde später als unerfüllbar aufgegeben. Vor allen Dingen scheint mir der praktische Werth auf solche Art mit allseitig geschlossenem, un- controlirbarem Hohlraum hergestellter Hohlkörper schwer nachweisbar. Die Höhlung der ohne Dorn ausgewalzten Röhren ist aufserdem überaus rauh, wodurch die Fortleitung der Flüssigkeiten benachtheiligt und die Verwendbarkeit der Röhren überhaupt beschränkt wird. Der Dorn ist, wie man später einsah, praktisch unentbehrlich. Man war nächstdem der Ansicht, dafs durch Schrägwalzen im Blockapparat auch alle dünn wandigen Röhren herzustellen seien. Die Erfahrung lehrte jedoch bald, dafs es allerdings möglich, das Gelingen aber sehr vom Zufall abhängig ist. Es entsteht dabei eine solche Unmenge Ausschufs, dafs die Herstellungskosten solcher Röhren zu ihrem Nutzen auf ein wirthschaftlich unmögliches Verhältnifs steigen. Das ist selbst dann noch zutreffend, wenn die Rohre der spiralförmigen Lagerung der Metallfasern in der That eine den gewöhnlichen Röhren so weit überlegene Wider standsfähigkeit zu danken haben, wie man damals allgemein annahm. Es ist ja eine durch Versuche sattsam bewiesene und bekannte Thatsache, dafs die Zerreifsfestigkeit gewalzten Eisens in der Längsrichtung der Fasern eine gröfsere ist, als quer zu derselben. Es darf schon aus diesem Grunde als zutreffend gelten, dafs Schrägwalzrohre den geschweifsten Röhren ebenso an Widerstands fähigkeit gegen inneren Druck überlegen sind, wie Damascener Gewehrläufe schufsfester sind, als über den Dorn aus Platinen geschweifste Flintenläufe. Wieviel von dieser Ueberlegenheit indessen dem besseren Material zugeschrieben werden mufs, ist, meines Wissens, noch nicht festgestellt. Im übrigen ist eine so hohe, in der Regel über das Erfordernifs weit hinausgehende Druckfestigkeit wirthschaftlich nur dann gerecht fertigt, wenn die Herstellungskosten dadurch nicht erhöht werden und die Waare marktfähig bleibt. Wir würden zu Laufbrettern für Erdkarren ver nünftigerweise nur dann Mahagoniplanken ver wenden, wenn wir sie für denselben Preis haben können, wie kieferne. Das war nun aber bei den Mannesmannröhren des anfänglichen Betriebes durchaus nicht der Fall. Das Schrägwalzen verlangt ein Metall von vorzüglicher Gleichmäfsigkeit. Die Erfahrung lehrte, dafs Schweifseisen dazu ganz ungeeignet und nur Stahl von bester Güte verwendbar ist. (Auch Messing, besonders Kupfer und Aluminium eignen sieh zum Schrägwalzen; es sei dies hier nur er wähnt , näher darauf einzugehen, ist hier nicht der Ort.) In der ersten Zeit nahm man ohne besondere Auswahl den Stahl, wie er sich am Markte vorfand, verarbeitete roh gewalzte Stahlblöcke von allen Werken, die sich mit ihrer Herstellung befafsten, machte aber die schmerzliche Erfahrung, dafs man mit einem enormen Ausschufs arbeitete. Das war Grund genug, zuvörderst durch eingehende Untersuchungen des Stahls und durch Versuche den geeigneten Stahl und ein zweckmäfsiges Her stellungsverfahren für denselben zu ermitteln.