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15. Januar 1896. Verfahren zur Regulirung der Sachblasezeit beim Thoma»procefs. Stahl und Eisen. 51 Die Verwirklichung dieser Idee führte denn auch in der That zu überraschend günstigen Resultaten und in nächster Folge zur Patent anmeldung. Von einem namhaften deutschen Thomaswerke ist gegen die Ertheilung dieses Patentes Einspruch erhoben worden, welcher sich aber in der Haupt- | sache auf eine mifsverständliche Auffassung der Patentbeschreibung gründete. Diese Thatsache . mag es entschuldigen, wenn ich nun zur Er- | klärung der Neuerung etwas weiter aushole. Die Ausführung des neuen Verfahrens erfolgt so, dafs man zunächst in der seither geübten VVeise einige Chargen bläst, die üblichen Schmiede proben macht, in dem Fertigmaterial Kohlenstoff, | Phosphor und Mangan bestimmt und die Schlacke jeder Charge auf ihren Eisengehalt untersucht. Unter der Voraussetzung, dafs die Qualität des Fertig stahls genügt, vergleicht man dann die Eisengehalte der Schlacken miteinander und wird dieselben bei den einzelnen Chargen verschieden finden. Der ] sich ergebende niedrigste Eisengehalt ist nun bei den folgenden Chargen durch Verminderung der ■ Nachblasezeit zu erstreben und, wenn möglich, d. h. wenn die mechanischen Proben noch immer ' gute Resultate ergeben, noch zu unterschreiten. Bei dem heute wohl meistentheils üblichen Verfahren, die Dauer der Nachblasezeit zu reguliren, werden Schöpfproben genommen, ausgeschmiedet und aus dem Aussehen des Bruches ■ auf den । Phosphorgehalt geschlossen. Je nach dem Er- gebnifs dieser Beobachtung sagt sich der Blase meister: „Ich mufs jetzt noch so und so viele Secunden nachblasen, um den gewünschten Ent phosphorungsgrad zu erreichen“. Es ist klar, I dafs selbst ein geübter Meister bei diesem Ver fahren, wegen der schwankenden Zusammensetzung des Roheisens im Converter und wegen der da durch bedingten Veränderungen im Gang der Charge, Täuschungen unterworfen ist. Dem gegen über sollen ihm die Schlackenanalysen ein Mittel bieten. seinen Beobachtungsfehler leichter zu corrigiren. Als besondere Vorsichtsmafsregel möge hier I Erwähnung finden, dafs es sich auch empfiehlt, ! das in den Converter gegebene Roheisen einer I jeden Charge auf seinen Mangangehalt zu unter suchen, um auch in diesem Punkte fortlaufend | über die Beschaffenheit des Roheisens unterrichtet zu sein. Es ist diese Kenntnifs einerseits für die Beurtheilung des Hitzegrades der Chargen wichtig; sodann aber sind zu hohe Mangangehalte in den letzten Minuten der Entphosphorung insofern von schädlicher Wirkung, als man das Bad länger überblasen mufs, um den Phosphor bis auf das gewünschte Minimum auszutreiben. Mangangehalte von 0,6 bis 0.85 % dürften für das dem Con verter zugeführte flüssige Roheisen die günstigsten sein. Beim directen Convertiren vom Hochofen aus mufs dabei das Eisen so erblasen sein, dafs der Schwefelgehalt desselben die zulässige Grenze von 0,1 % nicht übersteigt. Auch der Silicium gehalt des in den Converter gegebenen Roheisens soll ein möglichst geringer sein. Es mag manchem Thomashüttenmann auf den ersten Blick befremdlich erscheinen, dafs bei dem neuen Verfahren eine Verkürzung der Nachblasezeit verlangt wird; er wird sich sagen, dafs er ja nur nothgedrungen die seitherige Nachblasedauer inne- hält, um den Phosphor auf das bisher übliche Minimum aus dem Eisenbade zu entfernen. Indessen setzt meines Erachtens gerade hier der Erfinder des neuen Verfahrens den Hebel an der rechten Stelle an. Das Bestreben, den Phosphor soweit wie möglich zur Verbrennung zu bringen, führt natur- gemäfs, d. h. weil uns ein Mittel zur genauen Beobachtung des günstigsten Entphosphorungs punktes nicht bekannt ist, dahin, dafs man bei den meisten Chargen, namentlich den heifsgehen- den, zu lange nachbläst. Wenn nun gar unter besonderen Umständen der Fall eintritt, dafs die Analyse des Fertigstahls — trotz scheinbar genügen den Nachblasens — doch noch etwas zu viel Phosphor zeigt, so liegt ja allerdings nichts näher, als durch verlängertes Nachblasen den Ueberschufs des Phosphors an die Schlacke zu binden. Es ist aber klar, dafs durch dieses verlängerte Nach blasen der Gehalt sowohl des Eisenbades als auch der Schlacke an Oxyden zunimmt und damit die Grundbedingungen für eine erhebliche, in der Periode der Rückkohlung eintretende Rückphos- phorung gegeben sind. Was immer man zur Erklärung des Rückphosphorungs-Processes an führen mag. die Anwesenheit von phosphorsaurem Kalk neben Eisenoxyden, welch letztere in der hohen Temperatur des Bades durch den Kohlen stoff der Rückkohlungssubstanzen reducirt werden, läfst es durchaus klar erscheinen, dafs auch ein Theil des Phosphorgehaltes im Schlackenrest mit reducirt und als Phosphoreisen in das Eisenbad zurückgeführt wird. Zwischen diesem Vorgang und der Reduction phosphorhaltiger Eisenerze im Hochofen besteht ein wesentlicher Unterschied nicht. Während man sich also bemüht hat, den Phosphor durch langes Nachblasen in die Schlacke zu treiben, kehrt er durch die Hinterthür der Rückphosphorung wieder in das Eisenbad zurück und man beobachtet an dem Fertigstahl einen höheren Phosphorgehalt als an der Vorprobe. Man befand sich also bisher überall da in einem bedeutenden Irrthum, wo man glaubte, das Nachblasen einer Charge zur rechten Zeit unterbrochen zu haben, sobald die Vorprobe einen geringen Phosphorgehalt aufwies. Die Vorprobe kann sehr wohl einen geringen Phosphorgehalt haben und das .Fertigproduct nach dem Zusatz der Rück kohlungsmaterialien trotzdem einen solchen, der weit über der zur Zeit als zulässig erachteten Höhe liegt. Wenn aber die Höhe des Phosphorgehaltes im Fertigstahl abhängig ist von dem quantitativen