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1. September 1897. Elnflu[s des Prilfungsverfahrens auf das Ergebnils der Biegeprohen. Stahl und Eisen. 725 die Probestücke nach jedem Schlage etwa 1 5 bis 30 Min. lang in die Kältemasse wieder zurückgelegt. Ermittelt ist bei den Versuchen die Durch biegung in Graden nach jedem Schlage und so fern die Proben vor Erreichung der auf dem Fall werk zulässigen gröfsten Durchbiegung von etwa 90 Grad überhaupt zu Bruch gingen, die hierzu erforderliche Anzahl Schläge. Die Versuchsergebnisse, a) Biege proben auf der Presse. Bei den Biege proben mit eingekerbten Stücken wird das Material hauptsächlich nach dem Verlauf des Bruches und nach dem Aussehen des Bruchgefüges beurtheilt. Hartes, sprödes Material giebt sich durch sprung weises, von lautem Knacken begleitetes Durchbrechen zu erkennen, während der Bruch bei zähem Flufs- eisen allmählich fortschreitet. Bei zähem Schweifs eisen zerreifsen die einzelnen zusammengeschweifs- ten Lagen nacheinander, wenn nicht, wie es häufig der Fall ist, eine Trennung längs einer Schweifs fuge eintritt. Alsdann kann die nächste Schicht sich frei dehnen. Sie kommt dann meistens nicht zum Einreifsen und die Probe kann ohne voll ständigen Bruch bis zum Aufeinanderliegen der beiden Schenkel weiter gebogen werden. Das Bruchgefüge ist bei sprödem Material körnig, bei zähem Schweifseisen blätterig und bei zähem Flufs- eisen kurzsehnig matt. Neben diesen Brucherscheinungen sind bei den eingekerbten Proben die Biegungswinkel bis zur Entstehung des ersten Anbruches und beim voll ständigen Bruch in Rücksicht zu ziehen. Beim Schweifseisen ist der bis zum Anbruch erreichte Biegungswinkel nach dem Durchkälten nicht geringer gefunden als bei Zimmerwärme, er läfst also keine Veränderung des Materials durch die Kälte erkennen; stärkeres Biegen führte bei Zimmerwärme und bei — 20 0 G. unter allmählich fortschreitendem Bruch zu dem im Vorstehenden als Kennzeichen für zähes Material besprochenen Aufreifsen der Schweifsfugen, während von den bei — 80 0 G. gebogenen Proben zwei wie sprödes Material plötzlich kurz durchbrachen und nur eine Probe allmählich fortschreitenden Bruch zeigte. Das Bruchgefüge war bei Zimmerwärme und — 20° C. sehnig bis blätterig, zeugt also eben falls von zähem Material; bei — 80 0 G. war es dagegen von Sprödigkeit zeugend zuin gröfsten Theil grobkörnig, glänzend und nur in einem schmalen Streifen längs der Druckseite noch sehnig. Beim Siemens-Martin-Flufseisen betragen die mittleren Biegungswinkel für die drei Wärme zustände 44, 43 und 33 beim Anbruch und 108, 09 und 36° beim Bruch. Sie nehmen also in beiden Reihen, ganz besonders aber in der letzteren, als Kennzeichen für die mit zunehmender Kälte wachsende Sprödigkeit stetig ab. Der Verlauf des Bruches und das Bruchgefüge lassen bei — 20 0 G. noch keine Einbufse des Materials an Zähigkeit erkennen, wohl aber bei — 80 0 G. Ganz ähnlich fielen die Versuche für den Thomasstahl aus, nur war die Abnahme der Biegungswinkel mit zunehmender Kälte noch gröfser; die Winkelwerthe betrugen beim Anbruch 39, 33, 16 und beim Bruch 86, 51 und 17°. Aus diesen Ergebnissen folgt, 1. dafs die Abkühlung auf — 20° G. die Zähigkeit des Schweifseisens nicht merklich beein trächtigt hat, während bei den beiden Flufseisen- Sorten der Beginn des Sprödewerdens in dem geringeren Biegungswinkel schon zu Tage tritt; 2. dafs sowohl das Schweifseisen als auch beide Flufseisensorten durch das Abkühlen auf — 80 0 G. ganz erhebliche Einbufse an Zähigkeit erlitten haben und 3. dafs der die Zähigkeit des Materials schädigende Einflufs der Kälte sich beim Schweifs eisen um etwas geringer erwies als beim Flufs eisen, und dafs von den beiden Sorten des letzteren das Thomaseisen wieder etwas mehr durch die Kälte litt, als das Siemens-Martineisen. An den unverletzten Proben aus Schweifseisen trat der Einflufs der Kälte bei weitem nicht in gleichem Mafse hervor, wie an den verletzten Proben aus demselben Walzstück. Die mafs- gebenden Beobachtungswerthe für die ersteren sind bei allen drei Wärmegraden nahezu die gleichen, und nur im Bruchgefüge erkennt man auch bei ihnen an stellenweiser Kornbildung die Neigung des Schweifseisens zum Sprödewerden infolge Abkühlung auf — 80 0 G. Die unverletzten Proben aus den beiden Flufs eisensorten zeigten mit wachsender Kälte eine Verminderung der Biegegröfse von 100 auf 85 beim Siemens-Martineisen und von 100 auf 81 beim Thomasstahl. Der Einflufs der Kälte, der sich in dieser Verminderung zu erkennen giebt, ist ebenso wie beim Schweifseisen gering gegen über dem Einflufs, den die eingekerbten Proben erkennen liefsen. Hieraus folgt 4. dafs die Einkerbprobe besser geeignet ist, den Einflufs der Kälte auf die Biegungsfähigkeit des Materials klar zu legen, als die Biegeprobe mit unverletzten Stücken. b) Schlagbiegeversuche. Da von sämmt- liehen unverletzten Proben nur zwei zu Bruch gegangen sind, so läfst sich der Einflufs der Kälte bei dieser Versuchsreihe nur nach der Gröfse der Durchbiegung beurtheilen, welche bei den drei verschiedenen Wärmegraden für die gleiche Schlag zahl erreicht wurde. Der Einflufs der Kälte ist bei den beiden Flufs eisensorten annähernd gleich und etwas gröfser als beim Schweifseisen. Dasselbe Ergebnifs hatten die früheren, auf der Presse ausgeführten Biegeproben geliefert. Dagegen erscheint es auffallend, dafs sich der Tiegelgufsstahl bei jenen Versuchen als das gegen Kälte empfindlichste Material erwies, während