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1. August 1897. Berichte über Versammlungen aus Fachvereinen. Stahl und Eisen. 659 besteht aus einem zweistufigen, von einem Elektromotor bewegten Luftcompressor und einem damit verbundenen Wärmeaustausch-(Gegenstrom-)Apparat. Dieser bildet eine durch Ineinanderstecken von 3 Kupferrohren hergestellte dreifache Spirale, in welcher ein be stimmter Kreislauf der Luft stattfindet. Die Luft wird zunächst unter Kühlung comprimirt und dann in dem Gegenstromapparat zur Expansion gebracht, dergestalt, dafs die expandirende Luft im äufseren Röhrenraum die im inneren Röhrenraum sich be wegende comprimirte Luft mehr und mehr abkühlt, bis der Beharrungszustand eintritt. Bei einem Arbeits aufwand von 3 HP liefert der Apparat reichlich 1 1 flüssige Luft in der Stunde. Die gewonnene Flüssigkeit zeigt nicht dieselbe Zusammensetzung wie die Atmosphäre in der Luft. Während nämlich die Condensation von Stickstoff und Sauerstoff gleichzeitig erfolgt, findet bei der Wiederverdampfung eine Fractionirung statt in der Weise, dafs zuerst vorwiegend Stickstoff verdampft, so dafs die Flüssigkeit um so sauerstoffreicher wird, je länger die Verdampfung dauert. — Die mit dem Apparat erhaltene Flüssigkeit wurde herumgereicht und der Sauerstoffreichthum derselben durch die lebhafte Entzündung und Ver brennung glimmender Späne gezeigt. Das erwähnte Verhalten der atmosphärischen Luft ermöglicht die Gewinnung von Gasgemischen, welche mehr oder weniger reich an Stickstoff und an Sauerstoff sind, und zwar werden die hierzu dienenden Apparate so eingerichtet, dafs diese Gemische vor ihrem Austritt die ganze Kältemenge an die comprimirte Luft zurückgeben, welche zu ihrer Herabküblung und Verflüssigung nöthig war, so dafs nur derjenige Arbeitsaufwand erforderlich bleibt, welcher der Deckung der Kälteverluste entspricht. Auf solche Weise wird es möglich, z. B. sehr sauer stoffreiche Gemische mit verhältnifsmäfsig geringem Aufwande zu gewinnen, doch können auch andere Gasgemische auf gleiche Weise fractionirt werden. Zum Schlufs seines mit vielem Beifall auf genommenen Vortrags zeigte der Redner noch Ozon, das durch einen Siemensschen Ozonisator aus Sauer stoff gewonnen und durch Eintauchen eines Glas- condensators in flüssige Luft verflüssigt worden war, wobei die tiefblaue Farbe der Flüssigkeit zu be merken war. Als zweiter Redner sprach Professor Ostwald über wissenschaftliche und technische Bil dung. Seine interessanten Darlegungen, die einen sehr lebhaften Meinungsaustausch hervorriefen, richte ten sich insbesondere gegen die geplante Einführung eines Staatsexamens für Chemiker. J. P fleg e r - Frankfurt berichtete sodann über elektrische Oefen. Obwohl die elektrischen Oefen erst seil der fabrikmäfsigen Darstellung von Silicium- und Calcium carbid gröfsere Bedeutung erlangt haben, so kann man doch jetzt schon von einer „Chemie des Lichtbogens“ sprechen. Mit der Bearbeitung dieses Gebietes hat sich bisher fast nur Moissan beschäftigt. Es scheint dies daran zu liegen, dafs den deutschen wissenschaftlichen Laboratorien keine solchen Kraftquellen zur Verfügung stehen, wie sie der genannte französische Forscher benutzt. Die Technik ist der Wissenschaft auf diesem Gebiete vorausgeeilt, denn die Darstellung von Calciumcarbid nimmt heute bereits eine achtunggebietende Stellung ein. Selbst in Ländern, wo bisher keine oder nur eine sehr untergeordnete chemische Industrie bestand, geht man mit aller Macht an die Erzeugung von Carbid, besonders unter Benutzung von Wasserfällen, wie z. B. in Spanien. Die Ausnutzung der vor handenen Wasserkräfte für den genannten Zweck hat ihren Grund darin, dafs zur Carbidbildung sehr viel Energie erforderlich ist. Ein Carbidofen, in welchen ein Strom von 250 bis 300 elektrischen Pferdekräften geschickt wird, ist gar kein grofser Apparat. Nach einer thermochemischen Berechnung von Pictet kann man theoretisch mit einer Pferdekraft in 24 Stunden etwa 4 kg Carbid herstellen. Es sind bereits eine grofse Anzahl von Carbidöfen con- struirt worden, und alle Vorrichtungen sollen den Zweck haben, die Ausbeute an Carbid zu steigern; es soll Oefen geben, die 9 bis 12 kg gutes [Carbid f. d. Pferdekraft in 24 Stunden geben. Diesen Angaben mufs man indessen skeptisch gegenüberstehen. Dafs Spanien, mit seinen zahlreichen und so billigen Wasserkräften sich für die Carbidfabrication eignet, liegt auf der Hand, um so mehr als auch die indessen menschlichen Arbeitskräfte billig sind und sich Kalk an Ort und Stelle vorfindet, der blofs geholt zu werden braucht, ohne Jemand zu fragen. Koks mufs allerdings aus England beschafft werden. Man will nun auch in der That grofse Carbidmengen in Spanien herstellen: die am Ebro zu errichtende Anlage soll für eine jährliche Erzeugung von 30000 t eingerichtet werden. In Spanien ist aufser für Lichtzwecke noch eine Verwendung ins Auge gefafst, die, wenn sich die durch Vorversuche erzielten Resultate bestätigen sollten, allerdings riesige Mengen Carbid verschlingen würde, nämlich die Reblausvertilgung. Wenn sich in der That herausstellen sollte, dafs im Carbid ein sicher wirkendes Mittel gegen den so gefürchteten Reben schädling gefunden ist, dann wäre dies nicht allein für Spanien, sondern für alle weinbautreibenden Länder von gröfster national-ökonomischer Bedeutung. Der Betrieb einer Calciumcarbidfabrik ist äufserst einfach. Koks und Kalk werden gemahlen, und zwar soll der Koks etwas feiner gemahlen werden als der Kalk; und dann werden beide Substanzen gemischt in solchem Verhältnifs, dafs Calciumoxyd und Kohlen stoff in ungefähr theoretischen Mengen vorhanden sind. Diese Mischung wird dem Ofen continuirlich zugeführt. Die gegenwärtig im Betrieb befindlichen Carbid öfen sind nicht zum Abstechen des geschmolzenen Carbids eingerichtet, sondern es werden im Ofen grofse Carbidblöcke erzeugt, die nach dem Heraus nehmen aus dem Ofen und nach dem Erkalten in grobe Stücke zerschlagen und luftdicht verpackt werden. In Amerika geht man jetzt bereits so weit, dafs man Blöcke bis zum Gewicht von 200 kg erzeugt. Bei einigermafsen guter Ofenführung sind diese Blöcke in sich und die einzelnen Blöcke unter sich annähernd constant zusammengesetzt. In den erstarrten Carbidblöcken und zwar in dem untersten Theile derselben finden sich häufig glänzende Metallkugeln eingelagert, bestehend aus Ferrosilicium und herrührend aus dem Eisenoxyd und der Kieselsäure der Koksasche. Die Thatsache, dafs sich dieses Eisensilicid bilden und sich zu gröfseren Königen vereinigen kann, ist höchst bemerkenswerth, wenn man sich überlegt, in wie feiner Vertheilung und wie dünn gesäet sich die Componenten im Aus gangsmaterial vorfinden. Durch die Bildung von gröfseren Ferrosiliciumkugeln wird dargethan, dafs das Carbid im Ofen so dünn geschmolzen ist, dafs dasselbe wie ein Flufsmittel wirkt. Aber trotz dieser Dünnflüssigkeit läuft beim Oeffnen eines Abstichloches das Carbid nur zum Theil aus dem Ofen ab, und der Rest erstarrt zu einer Ofensau, die recht unangenehm werden kann. Aus diesem Grunde ist man darauf angewiesen, im Ofen gröfsere Blöcke zu erzeugen und hen Ofen so zu construiren, dafs diese Blöcke bequem derausgenommen werden können. In der Erläuterung des Vortrags wies Director Rathenau darauf hin, dafs diejenigen Fabriken, die