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1. August 1897. Die Entwicklung des Dampfschiffbaues in den Ver. Staaten. Stahl und Eisen. 649 Die Entwicklung 1 des Dampfschiffbaues in den Vereinigten Staaten von Nordamerika. Der Mifserfolg, den Fulton mit seinem ersten Dampfschiff 1803 in Paris auf der Seine hatte, der ihm auch die hülfreiche Gunst Napoleons verscherzte, trieb den nimmer müden und über zeugungstreuen Erfinder in sein Heimatbland zurück. Dort glückte es ihm, mit seinem neu erbauten Dampfschiff Clermont am 7. October 1807 von New York den Hudson bis Albany hinaufzufahren und die 120 km lange Strecke mit einer Höchst geschwindigkeit von 8 km in der Stunde zurück zulegen. Die Maschine von 20 HP zu diesem Schiff von 160 t war von Boulton und Watt in England erbaut. Die Räder glichen denen von Miller und die Verbindung ihrer Welle mit der Maschine war der von Symington an gewendeten nachgebildet. * Das Symington versagt gebliebene Glück ward Fulton zu theil. Seine erste Fahrt nach Albany hatte so durchschlagenden Erfolg, dafs sein Dampfer sofort als Passagierboot weiter verwendet wurde. Damit war die Dampfschiffahrt in aller Form eröffnet, die sich nun ohne Unterbrechung fort schreitend entwickelte, wozu ja allerdings die günstigen Verkehrsbedingungen und das lebhafte Bedürfnifs nach einem besseren Verkehrsmittel auf dem Hudson fördernd mithalfen. Schon 15 Jahre später wurde der Hudson von 86 Dampfern in regelmäfsigem Betriebe befahren. ** * Der schottische Banquier Patrick Miller, ein Freund des Wassersports, hatte sich 1788 durch Symington ein 7,6 m langes Doppelboot bauen lassen, in dessen Zwischenraum ein nach seinen An gaben angefertigtes Schaufelrad durch eine von Symington erbaute Dampfmaschine von 2 HP gedreht wurde. Die erfolgreiche Probefahrt mit demselben fand am 27. October 1788 auf dem Landsee zu Dalswinton statt. Hierdurch angeregt, baute Symington in Grangemouth einen Heckraddampfer, Charlotte Dundas, mit einer doppeltwirkenden Wattschen Dampfmaschine, mit welchem er im März 1802 auf dem Forth- und Clydekanal zwei beladene Prähme in 6 Stunden 32 km weit schleppte. An der Fahrt hat Fulton theilgenommen. Symington gebührt das Verdienst, die praktische Verbindung des Schaufel rades mit der Maschine, auf Grund deren sich das Dampfschiff weiter entwickelte, erfunden zu haben. Er würde auch wahrscheinlich heute als Erfinder des Dampfschiffes genannt werden, hätte er nicht das Unglück gehabt, mit allen seinen Bemühungen am Unverstände der Kanalverwaltung zu scheitern. Im Smithsonian-Institut in Washington wird die von John Stevens in Hoboken 1804 erbaute Dampf- ' maschine zum Betriebe von zwei vierflügligen Schrauben für ein Boot, mit welchem er auf dem Hudson eine Fahrgeschwindigkeit von 6,5 km in der Stunde er reichte, aufbewahrt. ** Der Clermont war 40,5 m lang, 5,5 m breit und 2,7 m tief. Ihm folgten 1808 und 1811 zwei neue Dampfboote, Raritan und Car of Neptune. Von | Nachdem 1803 das Gebiet am Missouri von Frankreich an die Vereinigten Staaten abgetreten worden, entwickelte sich dort ein lebhafter Handelsverkehr auf den die weiten Gebiete durch ziehenden Wasserstrafsen, den der Mississippi mit dem Meere vermittelte. St. Louis, damals noch eine kleine Ansiedlung, wurde bald durch seine Lage am Mississippi unterhalb der Einmündung des Missouri in denselben der Mittelpunkt dieses Handels und schon 1822 zur Stadt erhoben. Der Umsicht und Unternehmungslust der Amerikaner entsprach es, sich auch für den Handelsverkehr auf den Western Rivers die Vortheile der eben ins Leben getretenen Dampfschiffahrt zu nutze zu machen. 1811 befuhr der erste Dampfer — es soll das in Pittsburg erbaute Dampfschiff „New Orleans“ gewesen sein — den Mississippi. Er war 36,4 m lang und 6 m breit, ein Beweis für den schnellen Fortschritt zur neuen Schiffsform, der durch die Einführung der Dampfkraft gestatteten und die Fahrgeschwindigkeit begünstigenden gröfseren Länge im Verhältnifs zur Breite, die bei Segelschiffen nur 1:3 bis 31/2 betrug. Der Dampfer hatte eine eincylindrige Maschine von 864 mm Cylinder- durchmesser und 400 t Ladefähigkeit. Er kostete 38 000 $, sank aber bereits im Juli 1814. Die Zahl der Dampfer stieg 1816 auf 8 und bis 1820 schon auf 60. Das Dampfboot Zebulon M. Pike war das erste, welches im August 1817 St. Louis erreichte. Es war mit einer Nieder druckmaschine mit Balancier ausgerüstet, hatte also nur einen Schornstein und keine Radkasten. Kühn und unaufhaltsam dehnten die Dampf schiffe ihre Fahrten weiter aus die Ströme hinanf. Im Juni 1819 kam die Independence bereits 320 km den Missouri hinauf. Heute versteht man unter den „Western Rivers“ den Mississippi mit seinen Nebenflüssen, dem Missouri, Osage, Illinois, Ohio, Tennessee, Arkansas, Onachita und Red, die insgesammt eine schiff bare Wasserstrafse von 19 000 km Länge bieten, 1811 bis 1813 entstand eine Gruppe von Dampffähr booten für den Verkehr zwischen New York, Jersey und Brooklyn. Der 1813 vom Stapel gelaufene Dampfer „Robert Fulton“ erhielt bereits die über die Bordwände hinausragende Galerie, in welche nach heutigem Brauch die Radkasten eingebaut waren. Er hatte 40,8 m Länge, 7,9 m Breite im Rumpf und 13,1 m Breite über den Radkasten; der Rumpf war 3,9 m tief, wovon 1,36 m in das Wasser tauchten. Der „Robert Fulton“ machte seine erste Fahrt im März 1815 nach New Haven und erreichte gegen 13 km Geschwindigkeit. Diesem Dampfer glich der „Washington“, der 1815 die Dampfschiffahrt auf dem Potomac River zwischen Washington und Norfolk eröffnete. XV.17 5