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1. Juli 1897. Der Einflufs des Phosphors auf Kaltbruch. Stahl und Eisen. 529 würde. Demzufolge wäre die Erscheinung des Kaltbruches nicht in so bedeutendem Mafse, oder doch wenigstens nicht allein von der Menge des vorhandenen Härtungsphosphors abhängig. Es mufs da mindestens die Gesammtmenge der vor handenen Carbide und Phosphide, oder mit anderen Worten die Menge des bei der Abkühlung des geschmolzenen Metalles zuletzt erstarrenden Theiles der Legirung in Betracht gezogen werden, indem mit wachsender Menge des Muttermetalls (der , Mutterlauge“) die Bildung von Krystallen in dem zuerst erstarrenden Theil des Eisens wesentlich erleichtert wird. Hier wird es am Platze sein, genauer zu unter suchen, was bei der Erstarrung geschmolzenen Eisens vor sich geht, und zu diesem . Zweck die Erscheinungen bei der Erstarrung von Salzlösungen zum Vergleiche heranzuziehen. Die meisten wässerigen Salzlösungen sowohl, als Mischungen fester Körper im flüssigen Zu stande bleiben noch bei Temperaturen flüssig, welche weit unter dem Schmelzpunkt der gelösten Salze liegen, und alle können, ohne zu erstarren, unter 0° C., d. i. unter den Schmelzpunkt des leichtest flüssigen Bestandtheils abgekühlt werden, I vorausgesetzt, dafs sie nicht zu concentrirt sind. Bei der Abkühlung von concentrirten Lösungen wird zunächst ein Punkt erreicht, bei welchem Salz abgeschieden wird, da im allgemeinen die Löslichkeit mit der Temperatur abnimmt. Dieser Punkt ist als der Erstarrungspunkt des Salzes in Gegenwart von Wasser zu betrachten. In gewisser Beziehung ist geschmolzenes Roh eisen eine gesättigte Lösung von Kohlenstoff in Eisen. Bei seiner Abkühlung wird der Ueber- schufs des vorhandenen Kohlenstoffs in krystalli- nischer Form — d. i. als Graphit — abgeschieden. Hoch chromhaltiges Ferrochrom ist als eine Lösung von Chrom in Eisen zu betrachten. Wird es bis zu einer gewissen Temperatur abgekühlt, so be ginnt sich das Chrom in Krystallen äbzuscheiden, aber nicht als solches, sondern in Verbindung mit Eisen und Kohlenstoff, ganz analog den Salzen, welche aus ihren wässerigen Lösungen mit Krystall- wasser auskrystallisiren. Nach den Untersuchungen von H. Behrens und van Linge* und dem Verfasser** entspricht die Zusammensetzung solcher Krystalle aus 50 procentigem Ferrochrom der Formel Crs FeC2. — Man hat nun bemerkt, dafs im allgemeinen die Löslichkeit mit der Temperatur steigt. Aus einer bei hoher Temperatur gesättigten Lösung krystallisirt ein Theil des gelösten Salzes schon bei ziemlich hoher Temperatur, und zwar meist zusammen mit einem Theil des Lösungsmittels — * Fresenius, „Zeitschrift für analyt. Chemie“ 33, Seite 513. ** „Oesterr. Zeitschrift f. Berg- u. Hüttenwesen“ 1896, Seite 14. XI1I.17 dem Krystallwasser — aus. Dies entspricht genau der eben besprochenen Abscheidung des Ferro chromcarbids aus 50 procentigem 'Ferrochrom. Ist die Lösung weniger concentrirt, als der Temperatur entspricht, bei welcher, wie eben er wähnt, Salz (mit oder ohne Krystallwasser) sich abzuscheiden beginnt, so mufs die Temperatur noch weiter sinken, bis Salz auszukrystallisiren beginnt. Diese Krystalle enthalten aber eine andere und zwar gewöhnlich eine gröfsere Menge Krystall wasser, als die bei höherer Temperatur abge schiedenen. Beispielsweise giebt eine . Lösung von Mangansulphat: bei etwa 100° C. Krystalle von Mn SO. + 3HaO zwischen 6 und 20 0 C. „ „ Mn SO + 6H20 unter 6° C. „ „ Mn SO* + 7HaO Genau dasselbe kommt auch bei Eisenlegirungen vor. Ferrochrom mit 50 % Chrom enthält, wie schon erwähnt, Krystalle von CrzFeCg, während die Legirungen mit 13 % Chrom und weniger Krystalle von Gr a Fe C3 * enthalten. Wie man sieht, enthält das Abscheidungsproduct aus der verdünnteren Lösung, das bei einer niedrigeren Temperatur entstanden sein mufste, weit mehr des als „Krystallwasser“ zu betrachtenden Lösungs mittels — kohlenstoffhaltiges Eisen — als jene Verbindung, welche sich aus der concentrirteren Lösung abscheidet. Andererseits gefriert bei der Abkühlung ver dünnter Lösungen zuerst eine Partie des Lösungswassers, und der flüssig bleibende Theil wird somit concentrirter. Nun liegt aber der Erstarrungspunkt wässeriger Lösungen um so niedriger, je concentrirter dieselben sind. Bei der weiteren Abkühlung bildet sich somit immer mehr und mehr Eis und der Salzgehalt der Lösung steigt, bis dieselbe an ihrem Erstarrungspunkte vollständig gesättigt ist. Dann erstarrt Salz und Eis zu sammen bei constanter Temperatur, und die Zu sammensetzung erleidet keine weitere Veränderung. Ganz dasselbe ist beim Erstarren von Flufs- eisen und Flufsstahl der Fall, da diese gleichfalls in den meisten Fällen verdünnte Lösungen dar stellen. Die Abkühlung und Erstarrung von an fremden Begleitstoffen relativ armem Eisen beginnt zuerst an den Seiten und dem Boden der Gufs- formen, wodurch der flüssig bleibende und an fremden Stoffen angereicherte Theil des Metalles gegen das Innere des Gufsstückes gedrängt wird. Bei weiterer Abkühlung erstarrt eine andere, weiter nach Innen gelegene und an fremden Elementen reichere Schicht, der noch mehr con- centrirte flüssige Theil wird weiter gegen das Innere getrieben, u. s. f. Da das Eisen jedoch nicht plötzlich fest wird, sondern bei dem Ueber- gang aus dem flüssigen in den festen Zustand einen dickflüssigen, teigigen Zustand durchläuft, kann der noch flüssig bleibende Theil des Metalles * Behrens und van Linge, a. a. 0. 2