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15. Juni 1897 Berichte über Versammlungen aus h'achvereinen. Berichte über Versammlungen aus Fach vereinen * Siehe S.477 den Artikel: „Der Osten und der Westen der preufsischen Monarchie“. Verein zur Wahrung der gemeinsamen wirthschaftlichen Interessen in Rhein land und Westfalen. - ■ Stahl und Eisen. 513 Die am 29. Mai zu Düsseldorf um 1 Uhr Mittags eröffnete Hauptversammlung wurde durch den stell vertretenden Vorsitzenden Commerzienrath Servaes geleitet, der die erschienenen Mitglieder und Gäste, unter letzteren insbesondere den Regierungspräsidenten Hrn. v. Rheinbaben, in herzlichen Worten begrüfste und sodann die Mittheilung machte, dafs der bisherige Vorsitzende des Vereins, Geheimrath Dr. Jansen, infolge schwerer Schicksalsschläge von der Leitung des Vereins zurückgetreten sei, um sich in dem noth wendigen Umfange seinen eigenen Geschäften widmen zu können. Nur ungern habe der Verein in diesen Entschlufs gewilligt, da Geheimrath Dr. Jansen seit dem 13. April 1883 ununterbrochen den Vorsitz im Verein geführt und unter persönlichen Opfern diese bedeutsame Stelle mit einer Hingabe bekleidet habe, für die ihm der aufrichtigste Dank der ganzen rheinisch- westfälischen Industrie gebühre (Lebhafte Zustimmung). Um diesem Dank Ausdruck zu geben, beschliefst die Versammlung auf Vorschlag des Vorsitzenden die Absendung eines Telegramms, worin die grofsen Ver dienste des Hrn. Dr. Jansen anerkannt und ihm herz lichster Dank ausgesprochen wird. Die Stelle des Vorsitzenden wird satzungsgemäfs in der nächsten Sitzung des Ausschusses besetzt werden; einstweilen ist die Leitung auf den Commerzienrath Servaes über gegangen. Durch Tod hat der Ausschuls den Eisen- bahndirectionspräsidenten Rennen verloren, dessen Andenken seitens der Versammlung durch Erheben von den Sitzen geehrt wird. Nach Erledigung der Ausschufswahlen und der Aufstellung des Haushaltsplanes erstattet das geschäfts führende Vorstandsmitglied Land tagsabgeordneter Dr. Beumer den Bericht über das Wirthschaftsjahr 1896. Von der Thatsache ausgehend, dafs dasselbe durch einen Aufschwung gekennzeichnet werde, an welchem mit Ausnahme einiger Zweige des Stoff handels durchweg alle Gewerbe theilnehmen, wobei in erfreulicher Weise der inländische Bedarf die Haupt- rolle spielte, legt der Vortragende dar, dafs die Stetigkeit in der Entwicklung dieses Aufschwungs, das Fernbleiben des Sprunghaften nach oben wie nach unten, in erster Linie den Syndicaten und Ver bänden zu danken sei, von deren volkswirthschaft- lichem Nutzen kein anderes Jahr so deutliches Zeugnils ablege als das Wirthschaftsjahr 1896. Auch der Minister der öffentlichen Arbeiten in Preufsen, Hr. Thielen, habe das in der Sitzung des Abgeordnetenhauses vom 13. März d. J. anerkannt. Wenn der Minister dabei zugleich darauf hinwies, „dafs eine derartige Syndicatbildung wirthschaftliche Gefahren mit sich bringt, Gefahren, die ernst werden können, wenn die Syndicate nicht vorsichtig und mit weiser Mäfsigung geleitet werden“, und dann hinzufügte, dafs die Eisenbahnverwaltung diese Gefahren „vielleicht nicht so tragisch aufzufassen brauchte, wie andere Con- sumenten; denn die Eisenbahnverwaltung hat immer noch die Macht, gegen ein Zuviel der Zumuthung durch die Syndicate sich erfolgreich zu wehren, was bei den anderen Consumenten vielfach nicht der Fall sein würde“, so bemerkte der Redner, dafs die Ge- fahren auch für andere Consumenten nicht allzu grolse sein können; denn jede Coalition falle zusammen und müsse zusammenfallen, wenn sie über das durch die Verhältnisse des inländischen und des internationalen Marktes ihr gesteckte Ziel hinausgehe. Thatsächlich verbiete das eigene Interesse den Verbänden, das Publikum zu Übertheuern. Denn, so sagt schon Prof. G. Cohn mit Recht, sobald dies geschehe und der Kapitalgewinn übermäfsig grofs würde, dann müfste das anderweitig angelegte Kapital diesen Anlagen zu strömen, um an dem aufserordentlichen Gewinn theil zunehmen und als Folge davon den Gesammtgewinn herabzudrücken. Einer solchen Gefahr durch eine vernünftige Preispolitik vorzubeugen, haben die Ver bände selbst das gröfste Interesse. Indem der Redner sodann die Angriffe darlegt, welche Graf Kanitz gegen die industriellen Verbände gerichtet, zeigt er, dafs durch derartige Angriffe ein neuer beklagenswerther Beitrag zu dem Gegensatz ge liefert werde, in den die ostelbischen Agrarier immer wieder die Industrie zur Landwirthschaft bringen, während die Industrie an der Gemeinsamkeit der Interessen beider Productivstände festhält und mit der Landwirthschaft des Westens thatsächlich auch im besten Frieden lebt. Wir bringen die Ausführungen des Redners hierüber an anderer Stelle* nach dem stenographischen Bericht. Im weiteren Verlauf seiner Darstellungen bespricht sodann der Redner die bedeutsamen Arbeiten, welche den Verein im abgelaufenen Jahre beschäftigt, das ein besonderes arbeitsreiches genannt zu werden ver dient, indem er die Stellungnahme zu den Gesetz entwürfen betreffend die Invaliditäts- und Alters versicherung sowie die Unfallversicherung, zur Re vision der Coneursordnung, zum Handelsgesetzbuch, zur Frage der Beschickung der Pariser Weltausstel lung, zur Frage der Dampfersubvention, der Ver mehrung unserer Flotte und zur Frage unseres zoll politischen Verhältnisses zu auswärtigen Ländern, insbesondere Nordamerika und Canada, des näheren erörtert. Er geht sodann zu der inländischen Steuer gesetzgebung über und bespricht die Ungerechtigkeit der übertriebenen sogenannten Kopfsteuer, in Bezug auf die auch der Finanzminister und der Minister des Innern durch neueren Erlafs festgestellt haben, dafs „jene Steuerformen nur unter besonderen, in ver- hältnismälsig wenigen Gemeinden gegebenen Voraus setzungen angemessen sind und daher eine allgemeine Verbreitung nicht finden können.“ Die diesem Erlafs beigefügten Muster eines neuen Steuermafsstabes sollen demnächst im Ausschüsse des Vereins näher erörtert werden. Redner wendet sich weiterhin zur Betrachtung der Verkehrsverhältnisse und erwähnt als erfreu liches Ereignis die Ausdehnung des Rohstofftarifs auf Brennstoffe aller Art. So freudig aber' auch diese Ermäfsigung begrüfst worden ist, so wenig kann es einem Zweifel unterliegen, dafs es mit der Einräumung dieses Zugeständnisses an die Industrie, das die Land wirthschaft bereits seit 1890 besitzt, nicht genug ist. Vor Allem haben wir bedeutend niedrigere Frachten für Erze und Kalksteine und eine ermäfsigtell. Stückgut klasse nöthig. Dafs die Eisenbahnverwaltung sehr wohl in der Lage wäre, die wie eine „Verkehrssteuer“ wirkenden Tarifsätze auf der ganzen Linie zu ermäfsigen, ist bei der glänzenden Gestaltung des Eisenbalmhaushalts, die jüngst der Minister im Landtage dargelegt hat,