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15. Juni 1897. 480 Stahl und Eisen. Der Westen tinii der Osten unserer preussischen Monarchie. nehmende Entfernungen der Bezugsorte von den Gewinnungspunkten hinzuwirken. Nehmen Sie nun noch hinzu, dafs auf dem Gebiete des Kleinbahnwesens die hauptsächlichsten Unterstützungen an reinlandwirthschaftlicheDistricte gezahlt worden sind, dafs die Bewilligung weiterer Unterstützungen in Höhe von 4 557 500 •46 in Aussicht gestellt worden ist, durch deren endgültige Bewilligung das Zustandekommen von rund 681 km Kleinbahnen ermöglicht werden soll, dafs weiterhin durch das Gesetz vom 3. Juli 1896 zur Errich tung von landwirthschaftlichen Getreidelagerhäusern die Summe von 3 000 000 •/6 zur Verfügung gestellt ist und dafs zu gleichem Zwecke in dem Gesetzentwurf vom 29. April 1897 weitere 2 000 000 e gefordert und bewilligt worden, dafs endlich sorgfältigste Instructionen betreffs des „Ankaufs landwirthschaftlicher Erzeugnisse seitens der Staatsbehörden direct vom Producenten“ er lassen worden sind, ja, m. H., ich glaube, die Industrie würde sich sehr freuen, wenn sie auch nur annähernd Aehnliches, in ihrem Interesse Geschehenes zu constatiren hätte. (Lebhafte Zu stimmung!) Wir mifsgönnen der Landwirthschaft keine einzige dieser Mafsregeln ; aber, ich meine, nun immer noch angesichts solcher Thatsachen mit der Behauptung zu kommen, die Gesetzgebung der letzten Jahre habe lediglich im Interesse der Industrie gearbeitet, das überschreitet doch das Mafs des Erlaubten in so hohem Grade, dafs mir eine gründliche Auseinandersetzung mit dieser Legendenbildung bei der heutigen Gelegenheit durchaus angezeigt erscheint. (Sehr richtig!) Was die Gesetzgebung der letzten Jahrzehnte der Industrie gebracht hat, das sind in der Haupt sache keine Erleichterungen, sondern Belastungen gewesen. Das zeigt ein Blick auf die Ergebnisse der socialpolitischen Gesetzgebung, in der in den Jahren 1885 bis 1895 an Krankheitskosten und laufenden Renten 25 061 620 Personen nicht weniger als 1243 763965 6 zugewendet wor den sind, also nahezu 1 1/4 Milliarden Mark, eine Last, die doch wohl in erster Linie von der Industrie getragen worden ist. Auf dem Gebiete der Arbeiterschutz - Gesetzgebung aber ist man den Betriebsbedürfnissen der Landwirthschaft weit mehr entgegengekommen, als denen der Industrie. Schmerzlich warten Bessemer- und Thomas stahlwerke , die Martin- und Tiegelgufsstahl- werke, die Puddelwerke, die Walz- und Hammer werke und unter diesen insbesondere die Weifs- blechwalzwerke auf Erleichterungen bezüglich der Sonntagsruhe, die man den Molkereien von Seiten des Bundesrathes ohne weiteres zuge standen hat. Diese Denkschrift des Landwirthschaftsministers enthält endlich eine Tabelle über die Eisenbahn bauten aus dem Zeitraum vom 1. April 1887 bis zum 3. Juni 1896. Aus dieser Tabelle geht hervor, dafs zum Bau in diesem Zeitraum genehmigt sind 4598,5 km im Betrage von 516 948 000 -6, davon entfallen auf die östlichen Provinzen 239 7,3 km (also mehr als die Hälfte!) im Betrage von 205 945 000 •6. Wir gönnen dies Alles dem Osten; aber wir erlauben nicht, den Westen be gehrlich zu nennen, wenn er nun auch für seine Eisenbahnentwicklung nur das Allernothwendigste fordert. Man sucht die Sache immer so darzu stellen, als dafs die Steuerzahler des Ostens in unverhältnifsmäfsiger Weise dazu beitragen, die Bedürfnisse des Westens zu befriedigen. Das Umgekehrte ist richtig, wie aus folgender Rech nung hervorgeht, die ich, um dem unverständigen Gerede endlich einmal ein Ende zu machen, aus dem amtlichen Material aufgemacht und zum Theil schon in der „Köln. Ztg.“ veröffentlicht habe. Sehen wir uns nämlich einmal die Steuerver hältnisse an, wie sie sich in Wirklichkeit gestalten, so stellt sich nach den dem Abgeordnetenhause zugegangenen amtlichen Berichten die Einkommen- und Ergänzungssteuerveranlagung der östlichen Provinzen verglichen mit derjenigen des Westens für 1896/97 also: Westpreufsen und Ostpreufsen. Regierungsbezirk Königsberg 2 946 376 , Gumbinnen 1 261 389 46, Danzig 1667 703 , Marienwerder 1 429 967 l6, zus. 7 305 435 . Westfalen und Rheinland. Regierungsbezirk Münster 2579393.6, Minden 2 234 934 06, Arnsberg 6 708 350 Goblenz 2 452 877 JI, Düsseldorf 14 366 484 6, Köln 7 484 404 •, Trier 2 542 525 •, Aachen 3 229 412 JI-, zusammen 41 598 370 ^. Das heifst also, der Westen liefert an den Steuersäckel des Staates fast sechsmal so viel ab als der Osten ; der Regierungsbezirk Köln zahlt allein so viel und der Regierungsbezirk Düsseldorf mehr als das Doppelte an Staatssteuern als Ost- und Westpreufsen zusammen. (Hört! Hört!) Wie man angesichts solcher Thatsachen von einer Belastung der Steuerzahler des Ostens zu Gunsten des Westens sprechen kann, bleibt uns unerfindlich. Wenn jede Provinz, was ja nicht angängig ist, ihre Steuern für sich behalten oder der Staat diese Steuererträgnisse getrennt verwalten könnte, wir im Westen hätten allen Grund damit sehr zufrieden zu sein; wo aber bliebe denn da der Osten ? Die Thatsachen beweisen, dafs der Osten auf Kosten des Westens seine staatlichen Bedürf nisse befriedigt erhält, nicht umgekehrt! Wie steht es nun weiter mit dem Verkehr? Es betrug der Gesammtgüterverkehr aller deutschen Eisenbahnen im Jahre 1895/96 187 446 464 t. Davon entfielen auf die norddeutschen Binnen verkehrsbezirke (umfassend die preufsischen Pro vinzen einschliefslich Oldenburg, Braunschweig, Anhalt, Thüringen), mit Ausschlufs von Mecklen burg und Sachsen, ohne die See- und Rheinhäfen 129 272 546 t, hiervon auf Westfalen 33 268 078 t, auf die Rheinprovinz (ohne den Kreis Wetzlar) 31 894 150 t, zusammen 65 162 228 t. Es entfiel