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Kaiser Wilhelm der Grofse". Die festlich geschmückte Werft der „Stettiner Maschinenbau-Actiengesellschaft Vulcan“ in Bredow bei Stettin war am 4. Mai der Schauplatz eines denkwürdigen Vorgangs, auf den deutscher Unternehmungsgeist und deutsche Technik mit Recht stolz sein können. An genanntem Tage vollzog sich dort in Gegenwart Seiner Majestät des Kaisers und einer stattlichen Zahl von Gästen von nah und fern in tadelloser Weise der Stapellauf des für den Norddeutschen Lloyd bestimmten Schnell dampfers „Kaiser Wilhelm der Grofse“, ein Schiff, das bestimmt ist, demnächst als gröfster Dampfer der Handelsflotten unserer Erde das transatlantische Meer zu durchkreuzen. Die Hauptabmessungen dieses Schiffskolosses sind: Länge über Deck 197,51 m „ in der Wasserlinie . 190,5 „ Breite 20,1 „ Tiefe bis Seite Oberdeck . . 13,1 » Tiefgang, beladen .... 8,526 „ Die Wasserverdrängung des vollbeladenen Schiffs beträgt 20 500 t, die Vermessung ergiebt einen Tonnengehalt von nahezu 14 000 Register tons. Auf dem Schiffe haben im ganzen 400 Passagiere 1. Klasse in 200 Kammern, 350 Passagiere 2. Klasse in 100 Kammern, sowie 850 Passagiere 3. Klasse in bequem eingerichteten Zwischendeckräumen Platz. Hierzu kommt die Schiffsbesatzung, welche aus 450 Köpfen besteht. Das Schiff ist aus Flufseisen nach den Vor schriften des Germanischen Lloyd für die höchste Klasse als Vierdeckschiff mit ausgedehnten Extra- Verstärkungen erbaut, mit einem sich fast über die ganze Schiffslänge erstreckenden in 22 Ab- theilungen getheilten Doppelboden versehen und durch 16 bis zum Oberdeck hinauf geführte Quer schotte und ein Längsschott im Maschinenraum in 18 wasserdichte Abtheilungen getheilt. Die Schotte sind so vertheilt, dafs selbst beim Voll laufen zweier benachbarter oder dreier beliebiger Abtheilungen ein Sinken des Schiffes ausgeschlossen ist. Auch verdient Erwähnung, dafs der Dampfer in Uebereinstimmung mit den Anforderungen der Kaiserlich deutschen Marine erbaut wird, um im Kriegsfälle, mit einer grofsen Anzahl Geschütze ausgestattet, als Kreuzer Verwendung zu finden. Das Schiff wird als Schooner getakelt und erhält 2 stählerne Pfahlmasten, welche aber gegenüber den vier mächtigen Schornsteinen verschwinden. Die ebenfalls in den Werkstätten des „Vulcan“ erbaute Maschinen- und Kesselanlage besteht aus zwei dreifachen Verbundmaschinen mit vier hinter einander liegenden Dampfeylindern mit Schlickscher Ausbalancirung. Die beiden Maschinen sollen zu sammen 27 000 ind. HP haben; jede derselben treibt mittels einer etwa 60 m langen Welle von 600 mm Durchmesser eine Bronzeschraube von 6,8 m Durchmesser und 10 m Steigung. Die zusammengebaute Kurbelwelle besteht aus bestem Nickelstahl von der Firma Krupp, einem Material, welches sich durch ganz besondere Festigkeit auszeichnet.* Die zu erreichende Geschwindigkeit soll 21 Knoten in See betragen; der Kohlenbunker fafst rund 4500 t. Den Dampf liefern 12 Doppel- und 2 Halb kessel, welche in vier Gruppen angeordnet sind, deren jede Gruppe einen Schornstein von 3,7 m Durchmesser und 32,3 m Höhe über Kiel besitzt. Für die verschiedenen Zwecke werden in den Maschinen- und Kesselräumen im ganzen 47 Dampf pumpen und sonstige Hülfsmaschinen aufgestellt. Die Gesammtzahl der überhaupt auf diesem Dampfer befindlichen Maschinen beträgt 58 mit zusammen 124 Dampfeylindern. Trotzdem erst verhältnifsmäfsig kurze Zeit ver strichen, seitdem der Kiel des Schiffs gelegt wurde, konnte die Ablauffeier schon am 4. Mai vor sich gehen. Nachdem der Kaiser auf der Tauftribüne erschienen war, sprach Frau Plate, die Ge mahlin des Aufsichtsraths-Vorsitzenden des Nord deutschen Lloyd, mit klarer, volltönender Stimme das folgende Taufgedicht: Eisernes, mächtiges Schiff! Die Zirkel und Stifte des Meisters ruhn, der Dich ersonnen hat, Die Hämmer ruhn und die stählernen Fäuste, die Dich schmiedend gefügt; Du stehst da, ein Bild der Kraft, Ein Bild lebendiger Schaffensfreude, Ein Markstein auf dem ruhmvollen Pfade Ueber das rohe Element obsiegenden Geistes. Du sehnst Dich hinab in die Arme der Fluth, In die ausgestreckten, allumschlingenden, ewig beweg lichen, Spielenden, drohenden, helfenden Arme Der Fluth — in das Leben; Und sie werden Dich fassen, ehe die Stunde verrinnt. Welch ein Loos hat das Schicksal Dir bereitet, das unerforschliche 'l Wir wissen nur eines: Die Hände gen Himmel hebt, derweilen die Woge Dich trägt, In innigem, heifsem Flehen die Hoffnung. Und nun soll ich den Namen Dir, Den bezeichnenden geben, bei dem die Deinen Dich kennen und nennen, und der den Fremden Auf fernen Meeren sogleich Dich kundthut, Als Stärksten der Starken, als Schnellsten der Schnellen, Als Hort und Fürsten fürstlicher Schaar. * Vor Schlufs der Redaction erhielt dieselbe aus den Kruppschen Werkstätten Photographien von diesen mächtigen Stücken, die wir in nächster Aus gabe wiedergeben werden. Ked.