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Vorsitzender: Herr Director Malz hat das Wort. Der Bessemerprocefs. Hr. Malz-Oberhausen: M. H.! Wenn auch nach den Mittheilungen und Tabellen des Hrn. Schrödter der Bessemerprocefs seine Bedeutung für Deutschland längst verloren und dem Thomas- und Siemens-Martinprocefs Platz gemacht hat, so glaubt doch die Commission, dafs derselbe als Bahnbrecher für unsere Flufseisenindustrie in dem Rahmen unserer heutigen Besprechung nicht fehlen dürfte, und hoffe ich daher, dafs Sie den diesbezüglichen kurzen Ausführungen, mit welchen ich von der Commission beauftragt bin, einige Aufmerksamkeit schenken werden, obgleich ich Ihnen nur allgemein Bekanntes mittheilen kann. Als zu Anfang der 60er Jahre die Erfindung des Bessemerprocesses zur Kenntnifs weiterer Kreise gelangte, wurde die hohe Bedeutung desselben bald erkannt und in fast allen eisenerzeugenden Ländern Bessemerwerke angelegt. Da man zu demselben aber nur ein graues, möglichst phosphor und schwefelfreies Eisen mit einem gewissen Siliciumgehalt verwenden konnte, so entwickelte sich dieser Procefs zunächst vorzugsweise in solchen Ländern, in denen man ein derartiges Eisen leicht herstellen oder leicht , und billig beschaffen konnte. Selbstverständlich spielte hierbei auch das Vorhandensein von Kohlen eine grofse Rolle und haben wir die rasche Ausbreitung des Bessemer processes in verschiedenen Gegenden dem vorhandenen Kohlenreichthum mit zu verdanken. Sobald die ersten Schwierigkeiten dieses neuen Processes überwunden waren und das Bessemer material schon vielfache Verwendung gefunden hatte, glaubten übereifrige Anhänger damit das Schweifseisen und den Tiegelstahl ganz verdrängen zu können und ergingen sich in den überschweng lichsten Hoffnungen. Diese haben sich aber nicht erfüllt, es zeigte sich vielmehr recht bald, dafs der Bessemerprocefs hauptsächlich berufen sei, Massenmaterial zu liefern, und fand das Bessemerflufs- eisen daher vorzugsweise Verwendung zu Schienen, Achsen, Bandagen, Schmiedestücken u. s. w. Anfangs wurde auf vielen Werken die Qualität des zur Verwendung kommenden Roheisens gewöhnlich nur nach dem Bruche beurtheilt und die Qualität des erblasenen Flufseisens meist nur durch Biege-, Bruch- und Härteproben festgestellt. Chemische Untersuchungen wurden nur selten gemacht und Festigkeitsproben konnten wegen Mangels an geeigneten Zerreifsmaschinen noch nicht 'vorgenommen werden. Es konnte daher nicht ausbleiben, dafs man über manche Vorgänge im Betriebe im Unklaren blieb und oft ein Material hergestellt wurde, welches dem Verwendungszweck nicht voll entsprach. Auch wollte es anfangs nur schwer gelingen, ein genügend weiches Material zu erzeugen, es zeigten sich die daraus angefertigten Bleche und Formeisen u. s. w. oft zu hart und spröde, und kehrten daher viele Constructeure wieder zu Schweifseisen zurück. Ich erinnere hierbei nur an die mifsglückte Verwendung von Bessemerflufseisen zum Bau der Waalbrücke bei Nymwegen im Jahre 1878, sowie zu Kesselblechen. Wenn solche Vorkommnisse in vielen Fällen auch nicht im Material zu suchen, vielmehr auf falsche Behandlung bei der Verarbeitung, oder auf zu hohe Festigkeitsanforderungen durch die Constructeure zurückzuführen waren, so war das Mifstrauen gegen das Material doch wach gerufen und es dauerte lange, bis dies geschwunden war. Mit fortschreitender Entwicklung des Bessemerprocesses wurde die Nothwendigkeit einer gründ lichen Untersuchung aller dabei zur Verwendung kommenden Materialien und aller dabei auftretenden Umstände erkannt, und giebt es schon längst kein Bessemerwerk mehr, auf dem nicht alle Roh materialien vorher genau untersucht und das erzeugte Flufseisen vor seiner Verwendung nach allen Richtungen genau geprüft wird. Unterstützt durch solche eingehende Untersuchungen, lernte man denn auch bald ein weicheres Material herstellen und sind als solches namentlich das schwedische und das in den österreichischen Alpenländern erzeugte Bessemerflufseisen bekannt. Mit fortschreitender Vervollkommnung der Qualität wurden dem Bessemermaterial denn auch neue Absatzgebiete erschlossen, und fand es bald ausgedehnte Verwendung in der Kleineisenindustrie zur Herstellung von groben Werkzeugen und Geräthen aller Art. Auch gingen die Bahnen dazu über, Schwellen, Laschen und Unterlagsplatten aus weichem Bessemerflufseisen anfertigen zu lassen. Hand in Hand mit der Qualitätsverbesserung gingen die Verbesserungen in den Betriebs einrichtungen. An Stelle der anfangs zum Umschmelzen des Roheisens benutzten Flammöfen traten Gupolöfen, welche im Laufe der Zeit erheblich verbessert und vergröfsert wurden. Die Converter wurden vergröfsert, die alten Converterböden durch den vorzüglichen Holleyschen Losboden, oder den sogenannten Durchziehboden ersetzt. Kräftigere und bessere Gebläsemaschinen wurden beschafft und damit eine erhebliche Erzeugungssteigerung und Herabminderung der Erzeugungskosten erzielt. In der Gesammtdisposition der europäischen Bessemerwerke hat sich kaum etwas geändert, man hat fast überall die Anordnung von zwei Convertern an einer halbkreisförmigen Giefsgrube beibehalten, welche durch einen gemeinsamen Giefskrahn bedient werden. Auch ist die anfängliche Lage der