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Mit gewohnter Liebenswürdigkeit entsprach unser amerikanischer Freund der an ihn gerichteten Bitte durch Einsendung des folgenden im Wort laut wiedergegebenen Berichts. „Da ich in den Jahren 1886 und 1887 in »Stahl und Eisen« Einiges über den Gebrauch von Flufseisen für Locomotivkessel in den Ver einigten Staaten und auf der Pennsylvania-Eisen bahn im besonderen schrieb, und jene Mittheilungen mehr oder weniger zum versuchsweisen Gebrauch von Flufseisen für Dampfkessel und Feuerkisten den Anstofs gaben, so interessirte mich Ihre freund liche Mittheilung über den anscheinenden Mifserfolg auf den Königl. Preufsischen Eisenbahnen sehr, und benutze ich mit Vergnügen die Gelegenheit, Ihre Frage über den Erfolg, welcher sich bei Anwendung dieses Metalls in den Vereinigten Staaten gezeigt hat, zu beantworten, und auch mir zu gleicher Zeit die Freiheit zu nehmen, auf die Ursachen hinzuweisen, welchen wohl zu dem bekannt gegebenen Mifserfolg auf den Königl. Preufsischen Staatsbahnen bei der Anwendung von Flufseisen für Feuerkisten die Schuld beizumessen ist. Ich darf mir diese Freiheit wohl um so mehr nehmen, als sich im Laufe der Zeit aus Ingenieur- und Eisenbahnkreisen zahlreiche Personen privatim bei mir Auskunft über diesbezügliche Punkte geholt haben; während der vergangenen Jahre, seit 1889, hatte ich die Ehre, einer gröfseren Anzahl deutscher Ingenieure, Bahnbeamten und Regie rungsbaumeister, welche die Vereinigten Staaten besuchten, hier in den Altoonaer Werkstätten der Pennsylvania-Eisenbahn persönliche Mittheilungen | über den erfolgreichen Gebrauch von Flufseisen für Feuerkisten und Locomotivkessel zu machen und diese Mittheilungen durch greif- und mefsbare Anschauungen zu bestätigen, unterstützt durch 15 jährige Erfahrung in vergleichenden Versuchen und Untersuchungen von altem ausgenutztem, oder vorzeitig zerstörtem Kesselmaterial und allem neuen, an der ganzen Pennsylvania-Bahn für etwa 3200 Locomotiven benöthigten Flufseisen für Kessel und Feuerkisten. Dafs der Gebrauch von Flufseisen für Dampf kessel und Feuerkisten sicher und zugleich wirth- schaftlich ist, beweist die Thatsache, dafs sich der Gebrauch von Flufseisen für Dampfkessel seit dem Jahre 1861, in welchem Jahre die Pennsylvania- Balin die ersten Versuche mit diesem Material für Locomotiv-Feuerkisten machte, immer mehr aus dehnte und gegenwärtig alle amerikanischen Eisen bahnen und Fabricanten von stationären Kesseln ausschliefslich Flufseisen von 38 bis 46 kg/qmm Zugfestigkeit verwenden. Auf eine kürzlich an ein Blechwalzwerk, das sich eines hohen nationalen Rufes wegen aus gezeichneter Schweifseisen-Kesselbleche erfreut, gerichtete Anfrage, inwieweit Flufseisen deren Geschäft beeinträchtigt habe, wurde mir die Ant wort, dafs noch vor zehn Jahren die Nachfrage nach Kesselblechen von Schweifseisen sehr lebhaft gewesen wäre, dafs aber heute, Juli 1896, keine Nachfrage mehr dafür vorhanden sei, und dafs das ganze Geschäft in diesem Zweige sich auf Bleche für Reparatur von alten Kesseln und »Mud- Drums« (Schlammsammlern) beschränke. Hieraus ist ohne weiteres der Schlufs zu ziehen, dafs die Erfahrungen mit Flufseisen solcher Art sind, dafs dasselbe wirthschaftlich über dem Schweifseisen steht. Freilich ist damit nicht gesagt, dafs alle amerikanischen Kesselbauer in ein uneingeschränktes Lob für die Vorzüge des Flufseisens einstimmen. Wie nicht Alles Gold ist, was glänzt, so weist auch Flufseisen für Kessel seine schwachen Seilen auf. Aber die Thatsache der praktisch allgemeinen Anwendung von Flufseisen, in einem grofsen Lande wie die Vereinigten Staaten, ist jedenfalls Beweis für gewisse Vorzüge, welche schuld gewesen sind, dafs das Schweifseisen verdrängt worden ist. Unsere deutschen Freunde mögen sicher sein, dafs der praktische Amerikaner auf die Dauer nicht etwas bezahlt, das ihm keinen klingenden Vor theil bringt. Gegenüber der obigen Thatsache, dafs wir in Amerika mit der Verwendung von Flufseisen einen grofsartigen Erfolg zu verzeichnen haben, finden wir auf den Königl. Preufsischen Staatsbahnen einen solchen Mifserfolg im Gebrauche von Flufs eisen für Feuerkisten, dafs es anscheinend für nöthig erachtet wird, den ferneren Gebrauch dieses praktisch so werthvollen Materials zu verbieten oder wenigstens wesentlich einzuschränken. Drei Ursachen liegen meines Erachtens diesem Mifserfolge zu Grunde: Entweder verstehen die deutschen Hüttenleute es nicht, das richtige Metall herzustellen — was kaum glaublich ist — 'oder die Construction der Kessel und Feuerkisten und die Behandlung der Bleche in den Werkstätten ist so fehlerhaft, dafs dabei das beste Material vor der Zeit zu Grunde gehen mufs, oder die Liebe zum Alten, das Vor urtheil der betreffenden Behörden und Angestellten, und der Unwille, die Eigenthümlichkeiten des Flufseisens im Dienst zu studiren, sind so grofs, dafs ein Mifserfolg unausbleiblich ist. Eigenthümlich berührt mich, dafs mir schon vor sechs Jahren von zuständiger Seite die Mit theilung gemacht wurde, dafs die versuchsweise Anwendung von Flufseisen für Feuerkisten an den Königl. Preufsischen Bahnen unfehlbar von Mifs erfolg begleitet sein werde. Deutschem Wissen und deutscher Gründlichkeit und zäher Grübelei, die sonst nicht wenig bespöttelt wird, macht dies sicherlich keine Ehre. Die erfolgreiche Anwendung von Flufseisen für Locomotivkessel und Feuerkisten erfordert die Be rücksichtigung von einer Reihe wichtiger Factoren. Der Härtegrad und die Beschaffenheit des zu ver wendenden Materials, die Construction des Kessels und der Feuerkiste, die Dicke der anzuwendenden