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Berichte über Versammlungen aus Fach vereinen. Verein deutscher Eisen- und Stahl industrieller. Die am 10. December 1896 in Berlin abgehaltene und von Hrn. Geheimrath Gerh. L. Meyer-Hannover ge leitete Hauptversammlung nahm zunächst den Geschäfts bericht entgegen, den der Landtagsabgeordnete Bueck - Berlin erstattete. Derselbe verbreitete sich über die Thätigkeit des Vereins betreffend die Verwendung deutschen Schiffbaumaterials für deutsche Schiffe, da der Vorstand beauftragt worden sei, Schritte zu thun, dafs für Schiffbaumaterial die Eisenbahnfrachten so niedrig als möglich bemessen werden, dafs zu allen staatlichen Transporten in Zukunft nur solche Schiffe benutzt werden, die aus deutschem Material herge stellt sind, dafs endlich die deutschen Schiffswerfte bei jeder Bestellung ihre Anfragen wegen Lieferung des Materials an eine Centralstelle richten, die von den deutschen Walzwerken zu bilden ist. Ueber die ganze Frage hat man an den Minister der öffentlichen Arbeiten eine Denkschrift gerichtet, der Veranlassung genommen hat, die Angelegenheit in einer am 10. Juli 1896 durch die Eisenbahndirection Altona anberaumten Conferenz eingehend erörtern zu lassen. Der Fracht- ermäfsigung sehen die betheiligten Kreise baldigst entgegen. Sodann verbreitet sich Redner über die Wirkung der Handelsverträge, insonderheit des deutsch russischen Vertrages. Die Wirkungen des letzteren Vertrages sind sehr erfreuliche, obwohl nicht übersehen werden darf, dafs nicht allein die Zollermäfsigungen die Ursache waren, sondern auch die Aufwärts bewegung im russischen Geschäftsleben, die für den Zeitraum von April 1875 bis ebendahin 1896 auf rund 100 % des vorhergehenden Jahres geschätzt werden kann. Davon sind durch die russische Industrie etwa 50 %, durch die Industrie Oesterreich-Ungarns, Belgiens und Grofsbritanniens etwa 10 % gedeckt worden, während die übrigen 40 % auf die Einfuhr aus Deutsch land entfallen. Von den einzelnen Artikeln, in denen die Einfuhr aus Deutschland nach Rulsland besonders gestiegen ist, erwähnt der Vortragende namentlich Bandeisen, Bandstahl und Baueisen; in letzterem (Balken und Träger) wurde infolge der Zollermäfsigung die russische Erzeugung gradezu brach gelegt. Die russische Einfuhr in Baueisen ist auf etwa 20000 t jährlich gestiegen, von denen mindestens 85% deutschen Ursprungs sind. Bei Schienen für Kleinbahnen trug die Ermäfsigung des Zolls um 10 Kop. zu vergröfser- ten Bestellungen bei. Aufserdem war die Fracht dafür im russischen Inlande schon seit dem März 1892 herabgesetzt. Dazu kam, dafs die russischen Werke wenig Profile für solche Schienen haben und gerade grofse Aufträge in Eisenbahn-Normalprofilen auszu führen hatten. Deutschland konnte daher grofse Mengen von Kleinbahnschienen liefern, oft in Verbindung mit Waggons u. s. w. Auch wurden in den letzten Jahren von deutschen Werken ganze gröfsere Strecken in russischen Kleinbahnen mit ganzem Inventar gebaut. Eingeführt wurden ferner in erhöhtem Mafse Spiral federn, Locomotiven, Waggons für Eisen- und Pferde bahnen, Waggon bestandtheile aller Art, elektrische Kabel, dünne Eisen- und Stahldrähte, Maschinen, Locomobilen. In letzteren haben russische Werke die Erzeugung einstellen müssen, und Deutschland hat dem englischen Wettbewerb gegenüber gröfseren I Boden gewonnen. Emaillirte Geschirre, Haus- und ' Küchengeräthe sind ebenfalls in erhöhtem Mafse ein- | geführt worden. Seit dem Inkrafttreten des Handels- | Vertrags betheiligen sich an dieser Einfuhr mehrere deutsche Häuser, die früher mit Rufsland nicht in Geschäftsverbindung standen. Kupfer hat seinen alten Platz wieder erobert, Zink wird wieder ausschlieslich aus Schlesien bezogen, soweit nicht polnisches Er- zeugnifs den russischen Bedarf deckt. Die Bleieinfuhr ist ziemlich beständig geblieben. Schlesisches Blei beherrscht die südlichen und mittleren russischen Gouvernements, während nach Moskau und in die nördlichen Gegenden mehr englische, amerikanische und andere Marken gehen, da ihnen die billigere Wasser fracht über Petersburg und das sich anschliefsende Kanalsystem einen Vorsprung vor Schlesien bietet. An Rollblei ist die schlesische Einfuhr gering, aber eher im Steigen begriffen. Aus Sachsen, dem Harz und vom Rhein kommt seit mehr als 15 Jahren kein Blei mehr nach Rufsland, zur Zeit kommt nur Schlesien in Betracht. Die fortschreitende Einfuhr nach Rufs land aus Deutschland erläutert Redner schliefslich an nachfolgender Uebersicht: Es wurden eingeführt aus Deutschland an Winkeleisen, Stabeisen, Platten und Blechen, groben Eisenwaaren, Maschinen und Näh maschinen in Doppelcentnern 1889/90: 650592, 1890/91: 8504-24, 1891/92: 54-6086, 1892/93: 626633, 1893/94-: 558 764-, 1894/95: 1971944, 1895,96: 2 251233 und in den 7 Monaten vom 1. April 1896 bis 31- October 1896: 1539230. Redner geht sodann auf die Besserung der all gemeinen wirthschaftlichen Lage näher ein und führt aus, wie der Zusammenschlufs der einzelnen Produ- centengruppen zur Regelung der Erzeugung und der Preise von gröfster Wohlthat gewesen. Es sei nament lich zu betonen, dafs die Syndicate das übermäfsige Emporschnellen der Preise verhindert haben. Auch die Lage der Landwirthschaft bessere sich seit einiger Zeit, was die Industrie nur mit Befriedigung ver zeichnen könne. Durch die aufsteigende Bewegung im wirthschaftlichen Leben ist auch die Arbeiter bewegung etwas lebhafter geworden. Redner weist hierbei auf die Berichte des englischen board of trade hin und bedauert, dafs von unserer deutschen Com mission für Arbeiterstatistik ähnliche gediegene Ar beiten bisher noch nicht geleistet seien. In Deutsch land liegen nur die socialdemokratischen Gewerkschafts berichte über Streiks vor. Danach haben die Arbeiter 1895 durch Streiks an 43 Millionen Mark verloren. Eingehender behandelt Redner den Streik in den Stein druckereien namentlich in Bezug auf die Entscheidungen des Gewerbegerichts, durch welche der Streik eine raschere Erledigung fand, als es von Anfang schien. Von grundsätzlicher Bedeutung sei der Ausstand der Hamburger Hafenarbeiter, bei welchem zum ersten mal die internationalen Bestrebungen der Arbeiter vereine thatsächlich in die Erscheinung getreten seien. Der Ausstand sei um so frivoler, als die in Betracht kommenden Arbeiter aufsergewöhnlich gut gestellt waren, wie Redner im einzelnen nachweist. Wir ent nehmen den von ihm gegebenen Ziffern nur die eine, dafs von 84 Schauerleuten nur einer unter 2000 , 65 dagegen 2500 eK und die übrigen 2732reinen Arbeitsverdienst im Jahre hatten. Andere Schiffs arbeiter haben nachweislich 11,50 K täglich verdient; mit Recht haben daher die Hamburger Arbeitgeber ein Schiedsgericht abgelehnt. Von England aus be strebt man sich, die internationale Organisation der Arbeiter zu stärken und dann etwa im Frühjahr des nächsten Jahres einen Ausstand in allen Welthäfen ins Leben zu rufen; um so werthvoller sei der Wider stand der Hamburger Arbeitgeber gegen die Annahme