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88 Stahl und Eisen. Die neue Hubbrücke im Zuge der Halstedstra/se zu (Chicago. 1. Februar 1897. sowie für die Uebungen im Zeichensaale, im chemischen Laboratorium u. s. w. verloren. Ent weder mufs also die theoretische Ausbildung Ein- bufse erleiden oder die Studienzeit mufs verlängert werden. Ersteres würde nicht möglich sein, ohne dafs die Ansprüche abgemindert würden, welche man in der Jetztzeit an die wissenschaftliche Be fähigung des Berg- und Hütteningenieurs stellt; ich glaube nicht, dafs ein solcher Schritt unserer Gewerbthätigkeit zum Nutzen gereichen würde. Wenn junge Männer aus allen Erdtheilen auf unseren Hochschulen sich zusammenfinden, so ist nicht ihre Liebe zur reinen Wissenschaft die Veranlassung dafür, sondern die Erkenntnifs, welches Uebergewicht eine tüchtige wissenschaft liche Schulung, wie sie die deutschen Hochschulen ermöglichen, auch dem Betriebsmanne verleiht. Eine Verlängerung der Studienzeit zu dem Zwecke, auch die obenerwähnten Uebungen mit einzureihen, wäre nun zwar möglich, aber ihr Nutzen würde auch nicht annähernd das Mafs erreichen, wie eine ebenso lange Beschäftigung im Betriebe selbst. In früherer Zeit galt es als unumstöfsliche Regel, dafs ein junger Mann, welcher sich zum Berg-, Hütten- oder Maschinen ingenieur ausbilden wollte, mindestens ein Jahr lang auf einem Werke als Arbeiter thätig ge wesen sein mufste, bevor er die Hochschule be zog. Manchem deucht jetzt dieser Weg unbequem i zu sein, aber er führt am sichersten zur Er- I langung einer tüchtigen Grundlage für die weitere Ausbildung. Jene Vorrichtungen, welche eine I Schule bietet, um den Betrieb kennen zu lernen, bleiben immerhin nur Modelle, welche ziemlich | rasch veralten, und die Beschäftigung mit ihnen grenzt doch mehr oder minder an Spielerei. Im i Betriebe dagegen lernt der junge Mann die Vor richtungen kennen, wie sie wirklich beschaffen sind, er hat Gelegenheit, die Schwierigkeiten zu beobachten, welche oft ihre Beherrschung mit sich bringt, und die Mittel kennen zu lernen, welche zur Ueberwindung jener Schwierigkeiten angewendet werden. Daneben bleibt ihm der : Vortheil, dafs er auch Erfahrung im Verkehr mit dem Arbeiterstande gewinnt und dabei vielleicht manches Vorurtheil ablegt, welches er bis dahin gehegt hat. Er lernt die Anschauungsweise der Arbeiter besser kennen, als wenn er ihnen sofort als Vorgesetzter gegenübertritt. Aus diesen Gründen ist nach meiner Ueber- zeugung die Beschäftigung im Betriebe nicht er setzbar durch Uebungen auf einer wissenschaft lichen Lehranstalt. Zu wünschen ist nur, dafs seitens der Werk vorstände den jungen Männern, welchen jenen immerhin mühseligen Weg ein schlagen wollen, die Erreichung des Ziels nach Möglichkeit erleichtert werde. A. Ledebur. Die neue Hubbrücke im Zuge der Halstedstrafse zu Chicago über den südlichen Arm des „Chicago-River“. Die vor einer Anzahl von Jahren über den südlichen Arm des »Ghicago-River “ gebaute Dreh brücke wurde am 30. Juni 1892 durch ein gegen sie anlaufendes gröfseres Schiff derart zerstört, dafs ein vollständiger Neubau nicht zu umgehen war. Während die Stadtgemeinde Chicago die Brücke in der alten Form wieder aufbauen wollte, forderten die Schiffahrtsinteressen die Beseitigung des mitten im Strom stehenden Drehpfeilers und die Ueberbrückung der ganzen Oeffnung durch einen Träger ohne mittlere Unterstützung. Da sich der letzteren Ansicht das Kriegs-Departement der Vereinigten Staaten anschlofs und für den Neubau aufserdem die Bedingung aufstellte, dafs eine freie Durchfahrtshöhe von 47,3 m über dem mittleren niedrigen Wasserstande inne zu halten sei, so entschlofs man sich nunmehr allgemein, den Neubau in Gestalt einer Hubbrücke, wie sie die Abbildung 1 darstellt, zur Ausführung zu bringen. Die Beschaffung der zum Bau noth wendigen Fonds, die Vergebung der Arbeiten, ein öfterer Wechsel in den leitenden bezw. ausführen- | I den städtischen Behörden liefsen jedoch das Jahr 1894 herankommen, ehe mit der Ausführung des Projectes begonnen werden konnte. Das eigentliche Brückenbauwerk, welches bei einer Fahrbahnbreite von 10,37 m und zwei aufsenliegenden Fufswegen von je 2,13 m lichter Weite dem Wagen- und Fufsgängerverkehr dient, ist, obwohl die Halstedstrafse den Flufsarm unter einem schiefen Winkel schneidet, rechtwinklig zur Ausführung gelangt. Es besteht im wesentlichen aus den beiden Thürmen — je einer an einem Ufer — der zwischen diesen liegenden eigentlichen Hub brücke, dem Maschinenhaus und der Hebe vorrichtung. Die Hubbrücke besitzt zwei Hauptträger mit parallelem Ober- und Untergurt, von 39,65 m Stützweite. Jeder Hauptträger ist in sieben gleiche Felder getheilt, deren Höhe 7 m beträgt. Dient die Hubbrücke dem Strafsenverkehr, so liegt ihre Unterkante etwa 4,57 m über dem normalen Wasserspiegel; es ist dann noch genügend freier Raum zum Durchgang der gewöhnlich verkehren-