6 Stahl und Eisen. Das Fahrrad und seine Fabrication. 1. Januar 1897. nun sein, dafs die Beobachtung gezeigt hat, dafs der Apparat durch entsprechende Geschwindigkeit sich eine gewisse Stabilität erwirbt, wobei dann der kühne Gedanke entstanden sein mag, ihn nach ertheilter Geschwindigkeit mit Trittkurbeln weiter zu treiben. Der erste Gonstructeur unseres Zweirades müfste also mindestens das sehr alte Rennrad in seinen Eigenschaften gekannt haben. Dann allerdings wäre das Zweirad erfunden worden. Diese Ansicht würde durch die Form unterstützt werden, in welcher der Apparat als „Boneshaker“ (Fig. 2) vor etwa 30 Jahren von Paris nach Amerika kam. Hier wurde es von E. A. Cowper mit zwei wesentlichen Verbesserungen versehen: Vortheil und blieb selbst fast unbekannt, während I seine Erfindung sich schleunigst, namentlich seit j etwa 1875, in alle Welt verbreitete. Die Fortschritte, welche man in der Con- | stiuction machte, namentlich die Einführung des Kugellagers, brachten den Apparat dem allgemeinen I Gebrauch immer näher. Man wendete diese Prin- | cipien auf das längst vergessene Dreirad und Vierrad an und gab der alten Draisine ein mo dernes Gewand. Sie stieg von den Schienen wieder auf die Strafse und trat in den Dienst j des Publikums. Wir finden die Bauart des mo dernen Fahrrades, dem sich auch der Kinder- i wagen anschlofs, für den Gepäcktransport und Fig. 3. Damenrad von Hengstenberg & Co., Act.-Ges., Bielefeld. mit der an aus Draht gefertigten Speichen an gehängten Nabe und dem massiven Gummi reifen. Die Speichen dienten also nicht mehr als Stützen der Nabe, sondern wurden als Zug organe ausgeführt. Dies ermöglichte die Ver wendung des überaus leichten Drahtes und damit eine ganz erhebliche Verringerung des Gewichtes, während der Gummiring die Stöfse aufnahm, denen das Rad — bis dahin ein wirklicher „Knochenschüttler“ — auf der Strafse ausgesetzt war. Cowper liefs seine Verbesserungen, denen das Rad eigentlich seine Gebrauchsfähigkeit ver dankt, auf den Rath seiner guten Freunde, die die Bedeutung der Neuerungen nicht erkannten, nicht patentiren. Konnte doch auch Niemand ahnen, welche Zukunft dem damaligen Spielzeug bevorstand. So verlor Cowper den pecuniären leichte Feuerspritzen verwendet; und selbst die Gestelle leichter Kanonen sind in dieser Weise ausgeführt worden. Die Constructeure verfolgten nun zwei Rich tungen : einerseits dem Sport zu dienen —- zunächst in der Form des Hochrades — und, so wenig wie angängig auf Kosten der Solidität, eine mög lichste Leichtigkeit zu erzwingen — die Renn maschine — und andererseits ein wirkliches Gebrauchsrad zu schaffen, dessen beste Form wohl in dem heutigen Militärrad zu finden ist. Nebenher machte man das Zweirad für die Auf nahme mehrerer Personen geeignet — Tandem - und gab ihm auch Formen, welche es für den Gebrauch der Damen (Fig. 3) geeignet machten. Es soll hier nicht die Aufgabe sein, die überaus verschiedenen Formen darzulegen, welche