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1. September 1898. Schaffung eines unteren Aufsichtsapparates im lienjwerksbetrieb. Stahl und Eisen. 817 Euer Excellenz am 5. März d. J. (I 1533) an die Oberbergämter gerichteter Erlafs, der in zwischen durch Abdruck aus anderen Revieren liier bekannt geworden ist, scheint den Schlüssel zu diesen Erklärungen zu geben; er verlangt im Interesse von Leben und Gesundheit der Arbeiter ein Gutachten über die Zweckmäfsigkeit häufigerer Revision der Betriebe durch einen neu zu schaffen den unteren Aufsichtsapparat und erwartet von dieser Mafsnahme, dafs damit im Gegensatz zum augenblicklichen Zustande, die Revierbeamten eine volle Bürgschaft für den Sicherheitszustand der ihrer Aufsicht unterstellten Gruben zu übernehmen in der Lage wären. Für die Erstattung des Gutachtens werden den Oberbergämtern zugleich eine Anzahl von allerdings unverbindlichen Directiven gegeben; unter den beiden als gangbar bezeichneten Wegen: a) der Anstellung staatlicher Unterbeamten, b) der Verwendung von Arbeiterdelegirten, wird der letztere einmal als minder belastend für die Staatskasse und zugleich als eine Erfüllung der aus Arbeiterkreisen laut gewordenen Wünsche bezeichnet, ohne dafs im Falle zu b) die allgemeinen politischen Gesichtspunkte oder die moralische Qualification zur Prüfung gelangten. Entsprechend der in dem angezogenen Erlafs geschehenen Behandlung erstreckt sich die folgende Erörterung in erster Linie auf den Weg zu b), ohne damit den zu a) als praktisch gangbar be- | zeichnen zu wollen. I. Bedenken auf technischem Gebiete. Dem hohen Erlafs ist für die Schaffung eines unteren Aufsichtsapparates als Begründung voran geschickt die gegenwärtig bestehende Unmöglich keit für die Revierbeamten, eine volle Bürgschaft für den Sicherheitszustand der ihrer Aufsicht unterstellten Bergwerke zu übernehmen. Diese Unmöglichkeit wird, wie bei der Natur dos Berg baues zu befürchten steht, durch keinerlei wie immer geartete Verwaltungsmafsnahmen sich be seitigen lassen. Vielmehr wird man bei einer solchen Bürgschaft sich darauf beschränken müssen, zu veranlassen, dafs alle nach Wissenschaft und Erfahrung bekannten Mittel zur Verhütung von Unfällen thatsächlich zur Anwendung gelangen. Euer Excellenz haben bei der zweiten Lesung des Borgetats mit den Worten eines klassischen Citats vor der Täuschung gewarnt, als ob der Bergbau auch bei Anwendung der vollendetsten Hülfs- mittel je völlig gefahrlos zu machen sei. Die Gründe für diese Thatsache sind u. E. vornehm lich die von jedem andern Grofsbetriebe ab weichende Form der isolirten Beschäftigung des Einzelnen und sodann die gröfsere Abhängigkeit von den elementaren Ereignissen. Dio wirksamste Mafsnahme der Unfallver minderung liegt deshalb unseres Erachtens darin, dafs das Bewufstsein der Verantwortlichkeit in I jedem einzelnen Arbeiter und Grubenbeamten ge weckt und gekräftigt werde, indem man u. a., wie in unserem Bezirk üblich, verlangt, dafs Arbeiter erst nach längerer Vorbereitungszeit zu Hauer arbeiten zugelassen werden. Bei der geplanten Schaffung eines unteren Aufsichtsapparates aber mufs nothgedrungen dies Gefühl der Verant wortung bei Beamten wie Arbeitern Einbufse er fahren. Zudem kommt, dafs hierdurch ein Theil der Verantwortlichkeit auf Personen übertragen wird, welche ihr nicht gewachsen sind. Die Verhält nisse nicht nur des einzelnen Reviers, sondern bereits der einzelnen gröfseren Grube sind häufig an verschiedenen Punkten so verschieden (Flötz- verhalten, Abbaumethode, Beschaffenheit des Nebengesteins, das Mais der Grubengasentwicklung u. s. w.), dafs eine zutreffende Beurtheilung der Grube in all ihren Theilen selbst auf Grund mehr jähriger ausschliefslich praktischer Erfahrung un möglich ist. So läfst sieh, um nur ein Beispiel zu nennen, die Hauptaufgabe unserer Gruben, die Wetterführung, ohne Kenntnifs mannigfacher physikalischer und chemischer Gesetze gar nicht sachgemäfs prüfen. Es mufs z. B. als ausgeschlossen gelten, die für die Beurtheilung der Bewegung und Vertheilung der Wetter nothwendigen Messungen und Berechnungen ohne Gefahr der Lückenhaftig keit oder Unrichtigkeit von Personen mit aus schliefslich praktischer Vorbildung vornehmen zu lassen. Wenn aber schon bei der Beschränkung auf dio eigene Grube selbst die ausschliefslich con- trolirende, von eigenen Anordnungen freibleibende Thätigkeit der Delegirten auf dem wichtigsten Gebiete des Sicherheitsdienstes versagen wird, so ist es nicht abzusehen, welchen Nutzen solche Delegirte auf anderen Gruben zu bringen ver mögen, auf denen sie nicht jahrelang gearbeitet haben. Forner steht dahin, ob der untere Aufsichts apparat bei der geplanten Rekrutirung die er forderliche moralische Qualification und insbeson dere ausreichende Charakterstärke besitzen wird. Die Erfahrungen mit einem Theil der Knappschafts ältesten lassen die Berechtigung dieser Bedenken zur Genüge erkennen: den sehr bedenklichen Zu ständen, welche hier sich herausgebildet hatten, konnte wirksam nur durch Schaffung von selb ständiger dastehenden Oberältesten begegnet werden, deren Amtsführung nicht durch eine un zulässige Rücksichtnahme auf ihre Wähler boein- flufst war. Ganz ähnliche Erscheinungen wird die geplante Bestellung des unteren Aufsichtsapparates zur Folge haben. Es kann nicht ausbleibon, dafs die Arbeiter — falls die Delegirten ein strafbares Verschulden der Arbeiter feststellen — sie durch Zuspruch, durch Drohungen oder auf andere Weise zur Unterlassung einer Anzeige zu bestimmen versuchen. Die in einem Falle bewiesene Nach- XVIl.is 3