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i. August 1898. bie nöthivendige Verstärkung des Beleg hierfür bietet die an und für sich aner- kennenswerthe Anwendung der 41 kg schweren Schiene in Preufsen seit 1890. Sie ist bisher auf die Linien Berlin-Köln, Berlin-Braunschweig, Berlin-Frankfurt a. M. und die Berliner Stadtbahn, im ganzen auf etwa 1000 km Geleis beschränkt geblieben, während — wie Goering mit Recht sagt — gewifs zahlreiche andere Strecken von gleicher oder ähnlicher, ja vielleicht noch gröfserer Belastung (wie z. B. im westlichen Kohlenbezirk), den gleichen Anspruch erheben könnten. Auch wir sind der Meinung, dafs solche Sparsamkeit in der ersten Ausgabe gegenüber der zweifellos durch die schwerere Schiene zu erzielenden Ver minderung der Unterhaltungs- und Erneuerungs kosten als zu weitgehend bezeichnet werden mufs. Wenn man also seither in Preufsen die Verstärkung des Oberbaues neben einer unzureichenden Ver besserung der Stofsverbindung, namentlich durch die schon erwähnte Vermehrung und Vergröfserung der Schwellen, und dies allerdings in grofsem Umfang herbeizuführen suchte, so genügt das längst nicht, denn es wird damit bald eine Grenze erreicht, deren Ueberschreitung sich theurer stellt, als die Verstärkung der Schiene bei gleicher Er höhung der Tragfähigkeit des ganzen Gestänges. Gegen die unmittelbare Abnutzung des Schienen kopfes durch die Räder kann jedenfalls nur ein gröfseres Widerstandsmoment der Schiene und eine Vergröfserung der Kopfbreite ausgiebig Hülfe bringen. Vor allen Dingen aber, davon legen die eingangs gebrachten Ausführungen unwider legliches Zeugnifs ab, müssen die Mängel des stumpfen Stofses ein für allemal überwunden werden. Dafs nach Goerings Mittheilungen der im Jahre 1890 zum erstenmal versuchte Rüppell- Kohnsche Verblattstofs, obwohl er inzwischen unter die Oberbaunormen der preufsischen Staatsbahnen aufgenommen wurde, es zur Einführung auf nicht mehr als etwa 200 km Geleislänge gebracht hat, wäre zum Theil aus dem Umstand zu erklären, dafs die durch ihn verursachte übermäfsige Ver dickung des Schienensteges von 11 und 14 auf 18 mm eine sozusagen unnütze Vertheuerung der Schienen bedingt; aber diese Vertheuerung ist durch den Blattstofs der „auf dem Osnabrücker Stahlwerk nach Vietors Angaben angefertigten Wechselstegverblattschiene“ mit unsymmetrisch gestelltem, nicht verstärktem Steg glücklich ver mieden worden, ohne dafs dies bei Hauptbahnen zu einer umfangreicheren Einführung des Blattstofses überhaupt geführt hätte. Soviel wir wissen, hat die Wechselstegverblattschiene auf den preufsischen Staatsbahnen erst eine Ausdehnung von nur etwa 20 km erreicht, wohingegen die Strafsenbahn- Verwaltungen ihre Vortheile bereits auf vielen Hunderten von Kilometern sich zu nutze gemacht haben. Die erste versuchsweise Anwendung auf Hauptbahnen in Querschwellengeleisen fand die Wechselstegverblattschiene wie die Dickstegverblatt- Oberbaues unserer Eisenbahnen. Stahl und Eisen. 695 schiene bereits 1890, und auf stark befahrener Strecke der preufsischen Staatsbahnen im Jahrei 894. Mit Recht wird bedauert, dafs über das Verhalten derselben bis jetzt weder officielle noch auch officiöse Berichte erschienen sind, denn wohl nur dieser Zurückhaltung der Staatsbahnverwaltung und ihrer Organe in der Bekanntgabe ihrer eigenen Erfahrungen durch öffentliche Berichte ist es z. B. zuzuschreiben, dafs Goering bezüglich der Wechsel stegverblattschiene noch ein Bedenken hegt, dem er mit den Worten Ausdruck giebt: „Ob hierbei der Wechsel der Walzseiten an der Schienenleitkante und die unsymmetrische Unterstützung des Kopfes Nachtheile gegenüber den sonst unleugbaren Vor theilen herbeiführen werden, kann wohl nur längere Erprobung entscheiden.“ Die Praxis hat ent schieden und jenes Bedenken beseitigt. * Uebiigens bedeutet jene erwähnte Zurück haltung der preufsischen Staatsbahnverwaltung nicht etwa blofs in diesem einen Fall eine fühl bare Hemmung gesunden Fortschritts. Im Organ für die Fortschritte des Eisenbahnwesens 1897 S. 220 wurde bei der Besprechung der Breitfufs- schienen- und Stuhlschienenfrage ausgeführt, wie wünschenswerth es wäre, wenn die Messungen und Wahrnehmungen, welche an hierauf bezüg lichen Versuchsgeleisen gemacht werden, stets sofort und umfassend zur allgemeinen Kenntnifs der Fachkreise gebracht würden, damit der Verlauf solcher hochwichtigen, unter übereinstimmenden Be triebsverhältnissen angestellten Erprobungen nicht ausschliefslich innerhalb der betreffenden Ver waltung, sondern auch von anderen Bahnen ver folgt und ihre Ergebnisse allseitig nutzbringend gemacht werden könnten. Wir fügen hier hinzu, dafs dadurch dem so aufserordentlich klärend wirkenden und darum überaus nothwendigen Meinungsaus tausch der Fachmänner ein freudig zu begrüfsender Vorschub geleistet werden würde. Ein weiterer hierhergehöriger Fall von ähnlich grofser Wichtigkeit betrifft die bis jetzt nicht mit der wünschenswerlhen Sachlichkeit und Gründ lichkeit zur allgemeinen Kenntnifs gebrachten Er gebnisse der zahlreichen, in vielfach voneinander abweichender Ausführung vorgenommenen Einzel versuche von verschiedener Ausdehnung, welche von den preufsischen Staatsbahnen mit den von Goering „Tragschienen“ oder „Stofstragschienen“ genannten Stofsfangschienen seit Jahren angestellt werden. Es mag richtig sein, dafs, wie Goering sagt, „das Urtheil darüber jedenfalls noch nicht spruchreif“ ist, doch läge es gerade deshalb sehr im Interesse der Sache, dafs durch genaue Anführung aller im einzelnen gewonnenen Erfahrungsresultate es jedem Eisen bahntechniker möglich gemacht würde, sich all mählich ein reifes Urtheil über technische Neuheiten * Für diesen bestimmten Ausspruch müssen wil dem geschätzten Verfasser, mit dessen Bestrebungen wir auch im übrigen übereinzustimmen erklären, die Verantwortung überlassen. Die Redaction.