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1. August 1898. Die nothuiendige Verstärkung des Oberbaues unserer Eisenbahnen. Stahl und Eisen. 693 verursacht werde. So grofs mag nun der Durch schnittssatz im allgemeinen nicht sein. Mangels einschlägiger zuverlässiger Statistiken sind wir leider hier lediglich auf Schätzungen angewiesen. Wir sind aber sicher, bei keinem einzigen Geleis praktiker auf Widerspruch zu stofsen, wenn wir behaupten, dafs im allgemeinen Durchschnitt mindestens ein Viertel der nothwendigen Auf wendungen für Instandhaltung der Geleise und ebenso ein Viertel aller Schienenanschaffungen dem Schienenstofs und seinen Mängeln zur Last fallen. Ausnahmen, deren es wohl giebt, werden durch Fälle ausgeglichen, in denen die Schienen mehr als doppelt so lange gehalten haben würden, wenn nicht die Enden in der Nähe der Stöfse so schnell verschlissen wären. Haarmann sagte in einem Ende 1892 im Verein für Eisenbahnkunde gehaltenen Vortrag: „Je gröfser die Durchbiegungen und Verdrückungen eines Geleises unter der Last der rollenden Massen, um so umfangreicher sind im allgemeinen die Unterhaltungsarbeiten, welche zur Sicherung der dauernd guten Lage ausgeführt werden müssen.“ Für einen Oberbau, dessen Stofsstellen ebenso widerstandsfähig gestaltet sind, wie die Schienen selbst, rechnete Haarmann damals die Hälfte der jenigen Unterhaltungskosten, welche ein sonst gleichstarker Oberbau mit Stumpfslofsverlaschung verursacht, und ungefähr drei Fünftel der Er- neuerungskosten des letzteren. Die Höhe des An lage- und Erneuerungsfonds, der erforderlich wäre, um aus seinem Bestand alle Kosten sowohl für die erstmalige Anschaffung als auch für die dauernde Erhaltung der anfänglichen Betriebs tüchtigkeit des Oberbaues (Unterhaltung und Er neuerung in allen erforderlichen Theilen) zu be streiten, gab Haarmann unter Zugrundelegung der damals geltenden Preise, die von den heutigen nicht allzu wesentlich abweichen, für den stofs- freien Oberbau zu 37 294 •(6/km und für den sonst gleich starken Oberbau mit Stumpfstofs- Verlaschung zu 48 233 •46/km an; die aufserdem von ihm berechneten Antheile des Oberbaues an den Gesammtausgaben für Unterhaltung und Er neuerung der Betriebsmittel stellen sich für den stofsfreien Oberbau auf 1829 e/6/km und für den anderen Oberbau auf 7343 e(6/km. Diese Be träge wären den eben angegebenen hinzuzurechnen, wogegen wir von dem damals ebenfalls schätzungs weise mitgetheilten Antheil des Oberbaues an den Kosten für Zugkraft absehen können, nachdem wir vorher die durch Stofsbeseitigung zu erzielen den Kraftersparnisse möglichst genau ermittelt haben. Nach Haarmann würde also durch Stofs beseitigung ein Kapital von beinahe 16 500 6 auf das Kilometer Geleise für andere Zwecke ver fügbar, wobei der für den besseren stofsfreien Oberbau zu zahlende höhere Anschaffungspreis Berücksichtigung erfahren hat. Wir wollen aber, um allen Einwendungen zu entgehen, in be scheidener Weise nur drei Viertel dieses Betrages hier in Rechnung stellen und finden dann, dafs auf dem Geleisnetz der preufsischen Staatsbahnen (Hauptbahnen) von ungefähr 40 000 km durch die mangelhaften Schienenstöfse ein Kapital von 40 000.12 375 = rund 500 Millionen Mark nutz los festgelegt ist, für dessen Zinsen im Betrag von 17 500 000 •6 jährlich wahrlich nützlichere Ver wendung zu finden wäre! Unter den geschilderten Verhältnissen berührt es jedesmal wohlthuend, wenn sich eine kräftige Stimme erhebt, welche die nachhaltige Verstärkung des heutigen Oberbaues unserer Eisenbahnen für technisch nothwendig und für wirthschaftlich ge boten erklärt. Im zweiten Januarheft d. J. fanden die hierhergehörigen Forderungen ausführliche Be sprechung, welche Haarmann im November v. J. im Verein für Eisenbahnkunde mit so trefflicher Begründung in seinem Vortrag über die Betriebs sicherheit und die Oekonomie im Eisenbahnwesen aufgestellt hat. Dieselben haben in der Januar sitzung desselben Vereins durch Professor Goerings „Rückblick auf die neueren Bestrebungen zur Ver besserung des Oberbaues auf deutschen Eisen bahnen“ die nachdrücklichste Bestätigung ihrer Berechtigung erhalten. Redete Haarmann behufs Durchführung der von ihm aufgestellten Grund sätze, betreffend Ausgestaltung und Instandhaltung der Geleise, einer Verstärkung des Einflusses der technischen Elemente gegenüber den Verwaltungs beamten, sowie einem kräftigen Zusammenwirken der Eisenbahntechniker mit den Hüttenleuten das Wort, damit in gemeinsamer ernster Arbeit die höchste technische Vollkommenheit erreicht werden möge, so belegt dies Goering gewissermafsen mit neuen Gründen, indem er auf die grofsen Schwierig keiten hinweist, welche der sachgemäfsen Durch führung der Geleisunterhaltungsarbeiten bei den Staatsbahnen s. Z. entgegenstehen. Er hebt hervor, dafs jede wirksame Verbesserung des Oberbaues die Geleisunterhaltungsarbeiten ermäfsigt, und dafs gerade diese dauernde Verminderung vom wirth- schaftlichen Standpunkt aus oft höhere einmalige Aufwendungen bei Neuanlagen und Umbauten in weitgehendem Mafse rechtfertigen kann. Betragen doch nach ihm, allein auf den preufsischen Staats bahnen , die alljährlichen Ausgaben für Bahn erhaltung etwa 70 Millionen Mark, wovon wohl mindestens 30 Millionen auf die eigentlichen Geleis unterhaltungsarbeiten entfallen, zu denen noch etwa 40 Millionen für Oberbauerneuerung hinzu kommen. Da haben wir eine Art Probe auf die vorhin gemachte Rechnung. Schreiben wir näm lich wieder dem Schienenstofs einen Antheil von ein Viertel zu, so finden wir nebenbei, dafs der vorhin angegebene Mindestbetrag von 17 500 000 •6 der jährlich durch den Schienenstofs verursachten Vergeudung von Unterhaltungs- und Erneuerungs kosten für Oberbau und Betriebsmittel in der Wirklichkeit wahrscheinlich schon in der besseren