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692 Stahl und Eisen. Die nothwendige Verstärkung des Oberbaues unserer Eisenbahnen. 1. August 1898. Darüberfahrt eines Zuges unter der Wirkung der rollenden Räder macht, in Gestalt einer Schau linie verzeichnen, so dafs die federnden Senkungen des betreffenden Geleispunktes unter jedem einzelnen Rad des Zuges mehr oder weniger deutlich zu erkennen sind. Dudley und Andere dagegen benutzen einen Mefswagen, dessen Mefsapparate nicht wie jene gewissermafsen ein Schaubild des vom Zug ausgeübten Druckes, sondern vielmehr ein Schaubild der Geleislage, und zwar nicht nur der vorübergehenden elastischen, sondern auch der bleibenden Lageabweichungen, selbstschreibend ent werfen. Ohne hier des näheren auf die Einzel heiten der verschiedenen Mefsmethoden und ihrer Ergebnisse eingehen zu können, wollen wir nur feststellen, dafs sie eine erheblich stärkere durch schnittliche elastische und bleibende Senkung der Schienenstöfse gegenüber den Schienenmitten deut lich erkennen lassen und dafs sie zum Theil, wie die Goüardschen, Astschen und Haarmannschen Schaulinien, den Unterschied scharf mefsbar zum Ausdruck bringen. Freilich geben sie keine Durch- schnittswerthe an, verzeichnen vielmehr lediglich das Verhalten der einzelnen Geleispunkte; und deren Auswahl hängt natürlich von der persön lichen Auffassung dessen ab, der die Messungen ausführt oder leitet. Aber der Vergleich sehr vieler Ein^elmessungen miteinander unter Berück sichtigung der Eigenthümlichkeiten jedes der Messung unterworfenen Geleispunktes, wobei es an den Schienenstöfsen hauptsächlich auf Art und Alter der Verlaschung ankommt, führt dennoch zur Gewinnung brauchbarer Durchschnittszahlen, deren möglichst scharfe Ermittlung freilich nicht Zweck dieser Erörterung sein kann, sondern anderen Gelegenheiten und berufeneren Kräften Vorbehalten bleiben mufs. Es darf aber an dieser Stelle mit Bestimmtheit versichert werden, dafs die bisherigen Messungen nach ihrer ohne Voreingenommenheit erfolgten Ueberprüfung den Beweis in sich schliefsen, dafs z. B. die federnde Mehrsenkung der Schienen stöfse unter der Durchschnittsradlast auf mindestens 2 bis 3 mm im Mittel veranschlagt werden mufs, nicht selten aber den Betrag von 5 mm weit überschreitet. Nehmen wir nun 2,5 mm an und schätzen ferner die durchschnittliche Radlast mit nur 3,5 t ein — eine genaue Bestimmung wäre aus der officiellen Eisenbahnstatistik zu schöpfen und würde gewifs nicht zu einer kleineren Zahl führen — so ergiebt sich, dafs jährlich auf den preufsischen Staatsbahnen der leidigen Schwäche des Scbienenstofses wegen 3,5 t vollständig nutz los 2 290000000 000.2,5 mm = rund 5,7 Mil lionen Kilometer hoch gehoben werden. Die letzte Zahl ist wieder trotz mäfsiger Ein schätzung der Grundwerthe so fabelhaft hoch, dafs wir eine Umrechnung auf den Tagesdurchschnitt vornehmen müssen, um unserem Vorstellungs vermögen zu Hülfe zu kommen. Diese Höhe pro Tag beläuft sich auf 15 000 km. Auch das ist noch ein viel zu ungeheueres Mafs, als dafs es übersichtlich sein könnte. Gehen wir also gleich auf die kleinste geläufige Zeiteinheit, die Secunde, zurück. Da finden wir denn ein nutzloses Heben der Radlast auf 350 m in jeder Secunde. Wohlbemerkt ist damit nur die Kraftvergeudung, welche aus den federnden Senkungen der Schienen stöfse folgt, gekennzeichnet. Damit ist indessen die Sache, wie gesagt, noch längst nicht abgethan. Es kommen noch die bleibenden Stofssenkungen, und diese erst recht in Betracht, denn sie sind beträchtlicher als jene. Jedermann, der mit der Geleistechnik einigermafsen vertraut ist, kennt die Erscheinung der sogenannten Schweinsrücken bildung der Eisenbahnschienen und die damit sich einstellenden Unterschiede in der Höhenlage der Schienenstöfse gegen die Schienenmitten bei älteren, längere Zeit befahrenen Geleisen mit schwacher Stofsverbindung. Gar oft liegen im entlasteten Zustand der Geleise die Schienenstöfse bis zu 20 mm und mehr tiefer als die Schienenmitten, so dafs die Räder über jede Schiene wie über einen Berg hinübergeschoben werden, um dann jedesmal in das Thal des Stofses mit zermalmender Wucht hineinzustürzen. Durchschnittlich macht jener Höhenunterschied mindestens 5 mm aus; bei ganz neuem Oberbau natürlich am wenigsten. Zu den oben besprochenen 2,5 mm elastischer Senkung sind mithin noch 5 mm bleibender Tieflage des Scbienenstofses hinzuzurechnen. Es ergiebt sich also hierfür allein der doppelte und in Summa der dreifache Betrag der oben schon ermittelten Werthe für nutzloses Heben der Räder. Wir können nunmehr das Ergebnifs unserer Unter suchung wie folgt zusammenfassen: Auf den preufsischen Staatsbahnen wird un ausgesetzt infolge der mangelhaften Beschaffenheit der Schienenstöfse in jeder Secunde eine Last von 3500 kg nutzlos 3.350= 1050 m, also mehr als 1 km hoch gehoben, um alsobald wieder herunterzusinken und von neuem gehoben zu werden! Was könnten mit den so fortwährend vergeudeten 3500.1050, d. h. über 3,5 Mil lionen Secundenmeterkilogramm Arbeit, welche 50000 P. S. dauernd in Anspruch nimmt, für ge waltige nützliche Leistungen verrichtet werden, wenn man die Schienenstöfse auszumerzen sich entschlösse 11 So viel über die in Aussicht stehenden Kraft ersparnisse. Dazu kommen dann die gewaltigen Summen, die in der Erhaltung und Erneuerung des Oberbaues und der Betriebsmittel durch ein von den Tücken des Scbienenstofses befreites Ge leise erspart werden könnten. Wie im Organ für die Fortschritte des Eisenbahnwesens im vorigen Jahrgang (1897) auf Seite 221 mitgetheilt worden ist, hat die grofse Pennsylvaniabahn in Nord amerika die Erfahrung gemacht, dafs nicht weniger als die Hälfte aller ihrer Schienenanschaffungen durch das schlechte Verhalten der Schienenstöfse