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1. August 1898. Die nothwendige Verstärkung des Oberbaues unserer Ifüsenbahnen. Stahl und Eisen. 691 In einem beherzigenswerthen Aufsatz über „Verstärkung des Oberbaues“ schrieb die „Deutsche Bauzeitung“ in ihrer Nr. 29 vom 9. April d. J., dafs das bei einer Eisenbahnfahrt zu vernehmende Geräusch eine Art Werthmesser für den Oberbau sei, und knüpfte daran so treffende Bemerkungen, dafs wir uns deren wörtliche Wiedergabe nicht versagen können. „Wäre es nicht schon eine Pflicht gegen das reisende Publikum, das Ge räusch während der Eisenbahnfahrt zu mildern, so würden besonders dafür die Rücksichten für die Unterhaltung des Oberbaues und der Betriebs mittel sprechen, da das Hämmern bei jedem Uebergang über einen Schienenstofs die Abnutzung der Schienen beschleunigt und die Lage des Ober baues ungünstig beeinflufst, sowie aufser der stärkeren Abnutzung der Betriebsmittel, insbesondere der Locomotiven, auch der Zugwiderstand erhöht und dadurch eine gröfsere Inanspruchnahme der Zugkraft sowie eine Steigerung des Kohlenverbrauchs hervorgerufen wird. Wenn diese Nachtheile auch im einzelnen unmefsbar sein mögen, so bildet doch die Summe derselben jedenfalls einen nicht zu vernachlässigenden Betrag bei der Unterhaltung des Oberbaues und der Betriebsmittel, da z. B. im Betriebsjahr 1896/97 auf den preufsischen Staatsbahnen geleistet wurden: 390 664 686 Locomotiv-Kilometer, 2 093 953 844 Personenwagen-Achskilometer, 8 183 833 208 Güterwagen-Achskilometer und somit, wenn man der einfachen Berechnung wegen jede Locomotive zu 3 Achsen und jedes Kilometer Schienengeleise zu nur 200 Schienen- stöfsen annimmt, rund 2290 Milliarden Schienen- stöfse passirt worden sind. — Es dürfte der Mühe werth und besonders für eine Preisaufgabe ge eignet sein, durch Versuche und Rechnung die Nachtheile annähernd festzustellen, welche bei unserem seitherigen Oberbau durch das Hämmern der Schienenstöfse beim Passiren derselben durch die Fahrzeuge für die Unterhaltung der Bahn und der Betriebsmittel erwachsen. Wir zweifeln nicht, dafs das Ergebnifs dieser Ermittlungen dazu führen wird, die Verwendung stärkerer Schienen und Stofsverbindungen auch als wirthschaftlich vor- lheilhaft erscheinen zu lassen und somit die Ein führung eines stärkeren Oberbaues zu unterstützen. “ Die Preisaufgabe ist gestellt, ohne Preis- normirung freilich. Da uns aber der Weg deut lich vorgezeichnet erscheint, so wollen wir dennoch versuchen, anzugeben, wie er mit Aussicht auf Erfolg beschritten werden kann. Es entsprechen 2290 Milliarden Schienenstofs- Ueberfahrungen bei den preufsischen Staatsbahnen einem Jahresluftsprung einer Einzelradlast von 2 290 000 000 000.6 mm = 13 740 000 km im wagrechten Sinn. Dies Mafs ist ganz un geheuerlich grofs, so sicher es auch von der Wirk lichkeit nicht sehr abweicht; wir empfinden da her das Bedürfnifs, es auf einen kleineren, einen V Tageszeitraum zurückzuführen. Der tägliche Luft sprung aller auf eine Einzelradlast umgerechneten preufsischen Staatsbahnbetriebsmittel beziffert sich danach auf ungefähr 37 500 km. Auch dieses Mafs verschliefst sich fast noch unserem Vor stellungsvermögen; aber wir wissen doch z. B., dafs es von der Geleislänge der Hauptbahnen des Preufsischen Staates nur um einige Tausend Kilo meter abweicht, und da es uns in diesem Zu sammenhang auf so ein paar Tausend Kilometer nicht ankommen kann, so stellen wir uns vor: Die Räder der Betriebsmittel der preufsischen Staats bahnen werden Tag für Tag gezwungen, Lücken zu überspringen, deren Gesammtheit — eine Stofs- lücke immer an die andere gereiht gedacht und zwar jede so oft, wie sie wirklich täglich über fahren wird — ungefähr der Gesammtgeleislänge des preufsischen Hauptbahnnetzes gleichkommt! Der für das Ueberspringen einer solchen Riesen lücke erforderliche Kraftaufwand, welcher natür lich reiner Kraftverlust ist, läfst sich nun sehr wohl mit ziemlicher Annäherung berechnen. Man vergegenwärtige sich, dafs jede Geleisstelle beim Passiren eines Eisenbahnrades eine von den Stärke verhältnissen des Oberbaues, der Last des Rades, der Geschwindigkeit der Fahrt und dem Achsstand des Fahrzeuges, dem das Rad angehört, wesent lich abhängige, theils elastische, theils bleibende Senkung erfährt. Natürlich sollte diese Senkung an sich möglichst klein und vor allem an allen Geleisstellen durchaus dieselbe sein; denn nur dann würde während der Fahrt nirgends ein Heben oder Senken der Fahrzeuge, verbunden mit Kraftvergeudung, eintreten. Das ist aber nicht der Fall. Begreiflicherweise sind vielmehr z. B. die federnden Senkungen an den Schienenstöfsen im Durchschnitt erheblich gröfser als an den übrigen Geleisstellen. Von mehreren Technikern sind sorgfältige Messungen dieser Senkungen wiederholt ausgeführt worden, welche einen zuverlässigen Rückschlufs auf das Verhalten der Stöfse im Unterschied von den Schienenmitten gestatten. Da sind z. B. zu nennen die Messungen, welche Goüard in Frank reich auf der Paris-Lyon-Mittelmeerbahn, Ast in Oesterreich auf verschiedenen Bahnen, Häntzschel in Strafsburg auf den elsässisch-lothringischen Eisen bahnen und Haarmann in Osnabrück auf zahl reichen inländischen und ausländischen Eisenbahn geleisen verschiedenster Bauart und verschiedensten Alters ausgeführt haben, und über welche in Fach blättern mehrfach berichtet worden ist. Auch die Messungen P. H. Dudleys in Amerika und Anderer gehören hierher. Die ersterwähnten Techniker benutzen zu ihren Messungen eigens construirte feinfühlige Instrumente mannigfach voneinander abweichender Einrichtung, welche aber darin über einstimmen, dafs sie jedesmal an einem bestimmten einzelnen Geleispunkt zur Aufstellung kommen und die Bewegungen, welche das Geleise während der *