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15. Juli 1898. Der Ausgang der Arbeiterbewegung u. S. w. Stahl und Eisen. 665 reden und Sclimälungen nicht hinanzureichen vermögen, welche in diesem christlichen Kampfe um ideale Güter seitens der Vertheidiger der letzteren bethätigt worden sind. Es gelang den Führern im Streite, die aus ständigen Arbeiter auf diese Weise in der nöthigen Stimmung zum Ausharren zu erhalten. Zwar wären wohl viele Arbeiter gerne früher wieder zum Werke zurückgekehrt, wenn nicht die, an deren Kameraden zu theil gewordenen Bedrohungen ihrer Familien aus Furcht vor gleichem Schicksal sie zurückgehalten hätten. Ais ein besonders wirksames Mittel wurde bei solchen Leuten, die den Muth gehabt hatten, ihre frühere Arbeit wieder aufzunehmen, das Einwerfen der Fenster benutzt, während in dem Dorfe Hagen bei Osna brück sogar ein Dynamit-Attentat gegen die zum Schutze der Ordnung dorthin berufenen Gensdarmen verübt wurde, welches zum Glück seinen Zweck nicht erreichte. Daneben hatte Brust sich mit einem „Hülferuf an das katholische Deutschland gewandt, und manches fromme Gemüth, welches die Erzählungen der ultramontanen Presse bezüglich der Wahr haftigkeit ihres Inhaltes den Evangelien gleichzu stellen geneigt ist, bekam damit einen Stofs; die katholischen Geldbeutel öffneten sich, und so gelang es, für die betroffenen Arbeiter, — wenn auch mit vielem Elend und Noth —, die Sache ver- hältnifsmäfsig lange hinzuhalten. Wohl hatte man sich früher der Hoffnung hingegeben, durch einfache Vorstellungen bei den Behörden den Vorstand des Georgs-Marien-Vereins zur Nachgiebigkeit zu bewegen. Da aber das Vorgehen der Werksverwaltung in rechtlicher Hinsicht unantastbar war, so mufste man auf die weitere Verfolgung dieses Weges verzichten. Die berühmte Interpellation im preufsischen Landtage über den Piesberger Streik vom 17. Mai ds. Js. sollte wohl auch nur noch dazu dienen, die in dieser Angelegenheit etwa zu er heblich compromittirten geistlichen Herren mit ihrem wellisch-ullramontanen Anhang vor den Angehörigen des Gentrums im Lande in etwa rein zu waschen. Den Gläubigen des Centrums gegenüber wird dieser Zweck auch erreicht sein. Wieweit das den Herren Brandenburg, Porsch und Stötzel jedoch gelungen ist, die angeblich dem verletzten religiösen Gefühl der Arbeiter ent sprungene Bewegung am. Piesberge von dem ihr anhaftenden Eindruck einer parteipolitischen Mache zu säubern, werden diejenigen unserer Leser, welche jene denkwürdige Verhandlung verfolgt haben, ohne Anleitung zu würdigen wissen. Uns will es scheinen, dafs das officielle Eingreifen des Centrums nur noch gefehlt hat, um in dieser Be ziehung auch weiteren Kreisen die Augen zu öffnen. Schon vor der parlamentarischen Interpellation war übrigens der Abgeordnete Brandenburg in Osnabrück gewesen und hatte nach Rücksprache mit der Geistlichkeit die Einleitung eines Ver mittelungsversuches unternommen, wobei er sich ausdrücklich als „namens des Gentrums“ handelnd bezeichnete. Auch hier ging es den Schutzpatronen des Streiks nur darum, mittels formeller Zugeständnisse unannehmbarer Art einen Erfolg der ausständigen Arbeiter herbeizuführen. Die Verwaltung des Georgs-Marien-Vereins, der es in dieser ernsten Angelegenheit nicht um Partei- reclame, sondern um die Wiederherstellung ge sunder Arbeiterverhältnisse zu thun war, blieb indessen verständig genug, diese Verlockung des Gentrums ebenso wie eine nochmalige spätere unberufene Einmischung Brusts kurzer Hand abzuweisen’. Wie Brust in vielsagender Weise schon in einer seiner Versammlungen andeutele, glaubte man jedoch noch ein wirksames Mittel zu besitzen, um das Werk dennoch mürbe zu machen. Es galt die Zurücknahme des bischöflichen Dispenses, und so wurde mit geistlicher Be fürwortung eine Eingabe der Arbeiter an den Bischof zurecht geschmiedet, in welcher unter Hinweis auf den Mifsbrauch, der mit der Erklärung des Bischofs getrieben sein sollte, die Aufhebung der für die Feiertagsarbeit im Bergwerksbetriebe ertheilten Erlaubnifs erbeten wurde, in der Ueber- zeugung, dafs der Bischof die Arbeiter „in diesen schweren Zeiten nicht hirtenlos den Gegnern der christlichen Kirche gegenüberstellen werde“. Vor sorglich wurde von geistlicher Hand dieser Petition der - Satz angefügt: „Um bei Aufhebung des Dis penses indefs jedoch auch denjenigen Arbeitern Rechnung zu tragen, die gezwungen die Arbeit übernehmen müssen, möchte der Dispens für solche Arbeiter zweckmäfsig bestehen bleiben“. Diese Stellen des betreffenden Schriftstückes hier wörtlich anzuführen, dürfte deshalb von Werth sein, weil sie die ultramontane Gasuistik wieder einmal in einem äufserst interessanten Lichte zeigen. Dieser Eingabe der Arbeiter reihte sich in ebenbürtiger Glassicität alsdann ein Schriftstück an, welches, von zwei an den früher dem Bischöfe erstatteten Gutachten betheiligten Geistlichen ausgehend, ausführt, dafs jenes Gutachten nachträglich als ein irriges bezeichnet werden müsse, da man bei Abfassung des selben — mangels einer Verhandlung mit den Arbeitern — damals die Verhältnisse nicht richtig erkannt habe. Es habe sich nämlich heraus gestellt, dafs bei den für die Lebenshaltung der Piesberger Bergleute bestehenden Be dingungen die Arbeiter den Streik ziem lich gut durchführen könnten, und unter solchen Umständen — so deuten die geistlichen Herren an — würde also kein Grund zu der Annahme vorgelegen haben, dafs die Feiertage den Arbeitern nicht erhalten werden könnten. Auf diesen denkwürdigen Unterlagen ist denn auch der Bischof zu dem Bewufstsein gelangt, dafs die