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1. Juni 1898. Referate und kleinere Mitlheilungen. Stahl und Eisen. 533 Industry“ Jahrgang 1897 Seite 876 u. ff. veröffent licht hat.* Das zur Verarbeitung gelangende Rohmaterial ist bekanntlich ein stark mit Kohlenwasserstoffen impräg- nirter Thonschiefer, der sich unter dem Steinkohlen lager befindet, bergmännisch gewonnen wird und je nach der Lage eine verschiedene Ausbeute an Rohöl und Ammoniak aufweist. Die tieferen Lager pflegen eine gröfsere Ausbeute an Ammoniak zu geben. Die Verarbeitung geschieht in Retorten, deren Construction im Laufe der Zeit die mannigfachsten Abänderungen erfahren hat. Es hat lange gedauert, bis sich hier zweckentsprechende Destillationsverf'ahren Eingang verschafften. Zu Anfang der Betriebe standen sowohl verticale als horizontale Retorten in Anwendung. Die verticalen Retorten bestanden aus Gufseisen, hatten einen runden oder ovalen Querschnitt und waren zu einer oder mehreren in einem gröfseren Feuerraum angeordnet. Die Beheizung geschah mit Stochkohle. Oben hatte die Retorte einen verschliefsbaren Füll trichter, unten tauchte dieselbe in Wasser. Alle Stunden wurde hier eine kleine Menge abdestillirter Schiefer abgezogen, während oben frischer Schiefer nachgefüllt wurde. Der Betrieb war also ein ununterbrochener. Die Destillationserzeugnisse wurden oben durch ein seit wärts angebrachtes Rohr den Condensationseinrich- tungen zugeführt. Die horizontalen Retorten waren denjenigen der Gasfabriken nachgebildet, das eine Ende war ge schlossen, während das andere ein Abzugsrohr für die Destillationserzeugnisse enthielt. Der Betrieb war ein mit Unterbrechung arbeitender. Es ist einleuchtend, dafs der Betrieb dieser Re torten, sowohl der horizontalen wie der verticalen, wegen der erforderlichen Stochkohle ein sehr theurer sein mufste. Auch wird der Aufwand für die noth wendigen Ausbesserungen als ein ganz gewaltiger be zeichnet. In einigen Fällen war die Vorkehrung ge troffen, zum Zweck eines leichteren Entweichens der Destillationserzeugnisse Wasserdampf einzublasen. Um den die Betriebskosten ungemein belastenden Ausgabeposten für die zur Beheizung der Retorten erforderliche Stochkohle in Wegfall zu bringen, wurde der Versuch gemacht, durch Verbrennen eines Theiles des Schiefers in dem unteren Theile der Retorte die erforderliche Wärme zu erzeugen. Dieser Versuch ist ohne Erfolg geblieben. Dagegen erwies sich die Benutzung des abdestillirten Schiefers zur Heizung als ein wesentlicher Fortschritt. Durch einen sinnreich ausgedachten Verschlufs fiel der abdestillirte Schiefer in die darunter liegende Feuerung. Durch Henderson wurden an diesen Apparaten wesentliche Vervollkommnungen angebracht, so dafs der Betrieb, der vorher die gröfste Aufmerksamkeit in Anspruch genommen hatte, auch roheren Arbeits kräften üherlassen werden konnte. Die Henderson- sehen Retorten haben sich sehr gut bewährt und konnten lange Jahre ohne jede Reparatur betrieben werden. Neben den Hendersonschen Retorten waren auch noch vielfach andere Systeme, die eine getrennte Heizung erforderlich machten, in Anwendung. Bei diesen batte man im Laufe der Zeit gelernt, den nothwendig werdenden Aufwand an Brennstoff erheblich einzu schränken. Bis zum Jahre 1881 hatte man die Aufmerksamkeit vorwiegend der Ausbeute an Rohöl zugewendet, die Ausbeute an Ammoniak dagegen mehr oder weniger vernachlässigt. Die Erfahrung hatte gelehrt, dafs man zur Erlangung der möglichst günstigen Ausbeute an Rohöl keine zu hohe Temperatur anwenden durfte. Schwache Rothgluth erwies sich als die beste De stillationstemperatur. Die hierbei beobachtete geringe * Vergl. „Journal für Gasbeleuchtung und Wasser versorgung“ Jahrg. 1898 Nr. 10 u. ff. Ammoniakausbeute gab nun den Anstofs zu einem ganz neuen Procefs. Bei niedriger Temperatur wurde zunächst das Oel abgetrieben, um dann bei höherer unter gleichzeitiger Anwendung von Wasserdampf eine ganz erhebliche Amoniakabscheidung zu erzielen. Die Schwierigkeiten, die darin liegen, in derselben Retorte kurz nacheinander eine niedere und dann eine hohe Temperatur zu erzeugen, lernte man be seitigen , wenn auch die Bedienung der Retorten immerhin eine sorgfältige sein mufs. In der That ist dieses neue Verfahren für die ganze dortige In dustrie von der gröfsten Bedeutung geworden. Man erhielt mindestens die doppelte Menge von Ammoniak gegen früher. Diese Retorten sind von Young und Beilby ein geführt. Sie sind die verbreitetsten im schottischen Schieferölgebiet. Im April v. J. standen 3936 der artige Retorten in Anwendung, während von den Hendersonschen nur 896 und von anderen Systemen nur noch 396 sich in Gebrauch befanden. Ueber die Höhe der Ausbeute und der erzielten Preise giebt folgende Gegenüberstellung aus den Jahren 1869 und 1897 Auskunft. Ausbeute pro Tonne Schiefer 100 1 100 kg kosten Aus einer Tonne Schiefer wurde erzielt Leuchtöl .... Liter 54,0 28,30 Jt 15,30 Jt. Schmieröl ... „ 17,5 22,70 „ 4,00 „ 8, Rohparaffin . . » 9,5 56,60 „ 5,40 „ - Schwefels. Ammoniak . 5,4 kg 14,00 „* 0,80 „ 25,50 Jt Leuchtöl .... Liter 58,0 6,45 Jt. 3,75 Jt Schmieröl ... „ 24,5 6,00 „ 1,50 „ 8% Rohparaffin . . » 19,5 22,65 „ 4,20 „ - Schwefels. Ammoniak . 16,2 kg 10,00 ,* 1,65 » 11,10. Die Fabricationskosten einschliefslich Ausgaben für das Rohmaterial (5,10 JI f. d. Tonne) stellen sich in 1869 auf 15,80 •, so dafs für die Tonne Schiefer ein Gewinn von 9,70 JI zu verzeichnen ist. In 1897 betrugen die Gesammtfabricationskosten 9,10 JI (darin 5,10 Jt, für das Rohmaterial), so dafs nur ein Gewinn von 2 Jt für die Tonne Schiefer übrig bleibt. Folgende Tabelle giebt noch über die geförderten Schiefermengen, das erzeugte Ammoniak, Ausbeute und Preise seit dem Jahre 1882 Auskunft. A. Geförderte Schwofeisaures Ausbeute Preis Schiefermengen Ammoniak, einer Jahr aus dem einigten Schiefer ge- tonne Tonne Königreich wonnen Schiefer t t kg M 1882 1 030 900 5 900 5,4 413,10 1883 1 167 900 6 400 5,4 336,60 1884 1 518 800 9 500 6,3 295,80 1885 1 770 400 12 200 9,0 239,70 1886 1 728 500 18 000 10,4 234,60 1887 1 411 000 21 000 — 249,90 1888 2 076 400 22 100 10,8 244,80 1889 2 014 000 24 000 11,7 249,90 1890 2 212 200 24 700 11,3 234,60 1891 2 361 100 26 600 11,3 224,4-0 1892 2 089 900 23 100 11,3 209,10 1893 1 956 500 28 500 14,4 255,00 1894 1 986 300 33 000 12.7 265,20 1895 2 212 000 38 300 17,6 204,00 * Die Herstellungskosten sind in Abzug gebracht.