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Berichte über Versammlungen aus Fachvereinen. Abgeordnetenversammlung des Central verbandes deutscher Industrieller. Die im Kaiserhof in Berlin am 29. April abgehaltene Versammlung erledigte zunächst geschäftliche An gelegenheiten und nahm sodann einen aufserordent- lich anziehenden Jahresbericht des Geschäftsführers Abg. Bueck entgegen, der die allgemeine wirth- schaftliche Entwicklung in der Berichtsperiode als eine befriedigende bezeichnete, da die ganze In dustrie, mit wenigen Ausnahmen, überreich beschäftigt gewesen sei. Nachdem er den günstigen Stand der Lage auch durch die Ein- und Ausfuhrstatistik dargelegt, stellt er mit Befriedigung fest, dafs auch für die L and wirthschaft eine bessere Zeit angebrochen sei. Er verweist auf die steigende Tendenz der Getreide preise seit 1895 und giebt an, dafs von dem Durch schnittspreise jenes Jahres bis zum 16. März dieses Jahres nach den für diesen Tag von den Landwirth- schaftskammern festgesetzten Grofshandelspreisen für Weizen eine Steigerung von 54,30 , für Roggen von 26,97 , für Hafer von 34,19 eingetreten sei. Auf die in der- allerletzten Zeit eingetretene Steigerung der Getreidepreise infolge der kriegerischen Ereignisse wolle er keinen Werth legen, aber doch bemerken, dafs nach dem hamburgischen Bericht vom 26. April Weizen steigend von 235 bis 245, Roggen steigend von 170 bis 180 und Hafer höher notirt seien. Der Geschäftsführer führt für den steigenden Wohlstand der Nation auch die Ergebnisse der preufsischen Ein kommensteuer an, welche im Etatsjahr 1897/98 7,9 Millionen mehr ergeben habe. Im Vergleich zum Etatsjahr 1896/97 hat das Jahr 1897/98 ein Mehr einkommen der physischen Personen in den Städten von 226,9 Millionen Mark, auf dem platten Lande von 62,5 Millionen Mark ergeben. Er weist auch nach, dafs die Ergebnisse der Einkommensteuer keinen An halt für die Behauptung geben, dafs der Mittelstand zurückgehe. Zu der Arbeiterbewegung und der Social politik übergehend, bespricht der Berichterstatter den Ausstand der Hamburger Hafenarbeiter, bei welchem die letzteren bitter dafür gebüfst haben, dafs sie sich als Sturmböcke für das Phantom der inter nationalen Arbeiterbewegung hergegeben haben. Bei dem Bericht über den Maschinenbauerausstand in England hebt er das energische Vorgehen der eng lischen Arbeitgeber hervor, durch welches sie sich ein grofses Verdienst um die gesammte Industrie erworben haben. Die Zunahme gewerblicher Bewegungen in Deutschland führt der Berichterstatter auf die gün stige wirthschaftliche Lage zurück und bemerkt, dafs die Socialdemokratie alle, auch die vollständig aus sichtslosen Ausstände unterstütze, weil sie diese ge- wissermafsen als Truppenübungen und als Mittel zur Verhetzung und Verbitterung der Arbeiter benutze. An eine Zunahme der socialdemokratischen Bewegung glaubt der Berichterstatter nicht; ob er sich täusche, würden die nächsten Wahlen ergeben. Dagegen sei die socialistische Richtung in den nicht socialdemokratischen, höher gebildeten Volkskreisen unzweifelhaft im Wachsen. Er verweist auf die Stellungnahme des früheren Handelsministers, hervor ragender Professoren bis hinab zu den Dorfgeistlichen und christlichen Arbeitervereinigungen, welch’ letztere in unverantwortlicher Weise den Ausstand in Osnabrück herbeigeführt haben. In gewissen parlamentarischen Vorgängen der laufenden Sitzungsperiode glaubt der Berichterstatter Anzeichen gefunden zu haben, dafs man an mafsgebender Stelle beabsichtige, in Ver folgung der socialpolitischen Zwecke die Interessen der verschiedenen im wirthschaftlichen Leben wirken den Factoren in Zukunft gleichmäfsig und gerecht abzuwägen und nicht nur die Interessen eines Standes, sondern die der Gesammtheit als mafsgebend anzu erkennen. Da die Arbeiterversicherungsgesetze noch besonderer Erörterung unterzogen werden, beschränkt sich der Berichterstatter darauf, nur die ziffermäfsigen Ergebnisse des Jahres 1897 festzustellen. Danach sind in dem betreffenden Jahre nach vorläufiger Ermittlung rund 64- Millionen Mark Entschädigung für die Unfall versicherung verausgabt und in den 11 Jahren des Bestehens derselben überhaupt 4-92 Millionen Mark. Im Jahre 1897 haben 515 331 Personen Bezüge aus der Unfallversicherung gehabt. Die Invaliditäts- und Altersversicherung hat vom 1. Januar 1891 bis Ende 1897 614861 Rentenansprüche anerkannt; die Ein nahmen an Beiträgen nach Abzug der gesammten Ver waltungskosten betrugen im Jahre 1897 98 Millionen Mark, vom Jahre 1891 bis zum Jahre 1897 625 Millionen Mark. Zum Verkehrswesen übergehend, bezeichnet der Be richterstatter als die hauptsächlichsten Erscheinungen des abgelaufenen Jahres den Wagenmangel und die Eisenbahnunfälle. Von dem ersteren seien besonders empfindlich die Kohlen- und Zucker industrie betroffen. Von dem Verein der deutschen Zuckerindustrie angeregt, habe der Centralverband deutscher Industrieller eine Eingabe an das Abgeord netenhaus gerichtet, die ersucht, die entsprechenden Beträge für die Ausgestaltung der preufsischen Eisen bahnen und für die Vermehrung der Betriebsmittel bereitzustellen. In eingehenden ziffermäfsigen Dar stellungen führt der Berichterstatter den Nachweis, dafs den jetzigen Minister der öffentlichen Arbeiten ein Verschulden für die ungünstigen Verhältnisse im Eisenbahnwesen nicht treffe und dafs auch in den letzten Jahren und besonders für das laufende Etats jahr sehr bedeutende Beträge (66 Millionen), nament lich für die Vermehrung der Betriebsmittel aufgewendet worden seien. Er hebt besonders dankbar hervor, dafs der Minister nicht ausländische Fabriken in An spruch genommen habe; denn einmal sei es zweifel haft gewesen, ob dieselben imstande gewesen wären, die Aufträge auszuführen, dann aber sei die Arbeit im Lande geblieben, was besonders wichtig erscheine. Als freudiges Ereignifs bezeichnet der Berichterstatter die Mittheilung des Ministers der öffentlichen Arbeiten, dafs er die Absicht habe, mit dem 1. October dieses Jahres einen ermäfsigten Stückguttarif einzuführen. Zu den Kanälen übergehend, berichtet er über die Ankündigung einer grofsen Kanalvorlage für den Herbst, welche sich voraussichtlich auf den Mittel landkanal beziehe. Wenn die Industriellen jeder Verbesserung des Verkehrs, so auch der Herstellung von Kanälen, ihr gröfstes Interesse zuwenden, so sei in der Industrie doch die Ansicht über die Zweck- mäfsigkeit des Mittellandkanals getheilt; er lege der Sache aber, wie die Dinge einmal liegen, überhaupt keine Bedeutung bei, da bei der Stellung der Land- wirthschaft zur Kanalfrage nach seiner Ueberzeugung keine Aussicht vorhanden sei, in absehbarer Zeit zu der Durchführung irgend welcher Kanalpläne zu gelangen. Bei der Behandlung der Zollfragen gedenkt der Berichterstatter der Bestrebungen zur Herbei-