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1. April 1898. Die Feldbahn Wernshausen-Brotterode in den Jahren 1896—97. Stahl und Eisen. 329 Die Montirung der gröfseren Brücke erfolgte ohne Baugerüst mittels Auslegerbaues von beiden Ufern aus. Die kleinere Brücke wurde auf Pontons montirt. Nach Fertigstellung der Brücken kehrte die Compagnie nach Berlin zurück. Die andere Compagnie beendigte ihre Arbeiten, bestehend in der Herstellung des Unterbaues (4000 cbm Erd bewegung, 600 cbm Granit durch Sprengung zu beseitigen, 130 laufende Meter Pfahljochbrücke), Verlegen des Oberbaues, Herstellen der Bahnhöfe mit ihren provisorischen Bauten und Herstellen der Telephonleitung am 11. Mai. Der Bau der Bahn hatte demnach nach Abzug der Sonn- und Feiertage 37 Tage gedauert. Es waren im ganzen für sämmtliche Arbeiten, einschliefslich des Baues । der eisernen Brücken, 4920 Tagewerke erforder lich gewesen, also für den laufenden Meter der Gesammtstrecke 33/4 Arbeitsstunden. Zu bemerken ist hierbei, dafs namentlich die Herstellung- des Unterbaues durch aufserordentlich ungünstiges Wetter und auf der oberen Strecke durch häufigen Schneefall erschwert wurde. Am 4. Mai erfolgte die polizeiliche Abnahme der Linie, am 11. Mai die Eröffnung des Güter verkehrs für volle Wagenladungen, und am 15. Juni, nachdem das Personal genügend einge arbeitet war, die Eröffnung des Personen- und Stückgüterverkehrs. Für den Betrieb wurde die 14,5 km lange Strecke den verschiedenen Steigungsverhältnissen entsprechend in zwei Abtheilungen eingetheilt: 1. Die Bergstrecke Brotterode-Herges, 2. Die Thalstrecke Herges-Wernshausen. Die Bergstrecke weist bei einer Gesammtlänge von 5,5 km einen Höhenunterschied von 222,85 m, also eine Durchschnittssteigung von 1 : 24,7 auf. Die steilsten Strecken auf dieser Strecke waren folgende: 1. im Dorfe Herges selbst 1 : 16,6 auf 90 m, 2. zwischen km 4 und 51 : 13,6 auf 165 m, 3. zwischen km 1 und 21 : 12,5 auf 25 m. Aufserdem lagen in den Steigungen auch über 1 : 20 noch zahlreiche Krümmungen von 60 und von 30 m Halbmesser. Vorher angestellte Fahrversuche hatten ergeben, dafs die vorliegenden Steigungen noch mit einer Zuglast von 3 Wagen (Wagengewicht 2100, Ladegewicht 5000, Zuggewicht also 21 300 kg) zu nehmen sein würden, und wurden dement sprechend auch die Fahrpläne für diese Strecke festgestellt. Jedoch mufste der Betrieb den aufsergewöhnlichen Steigungsverhältnissen ent sprechend anders organisirt werden, als im Thale. Die Züge wurden derartig zusammengesetzt, dafs die Zwillingsmaschinen, mit welchen bei ge wöhnlichem Betrieb gefahren wird, getrennt wurden und eine Einzelmaschine vorn, die andere hinten rangirt wurde, beide mit dem Schornstein berg- 1 wärts gekehrt. Dies geschah einmal, um jedes Unglück beim etwaigen Reifsen einer Kuppelung auszuschliefsen, zweitens aber, weil das Befahren derartiger starker Steigungen mit Zwillings maschinen überhaupt nicht angängig ist. Denn bei der rückwärts stehenden Maschine werden in Folge der schrägen Stellung hintere Rohrwand und Feuerkiste zu sehr vom Wasser entblöfst; das letztere tritt in den Dampfraum und beein trächtigt dadurch die Dampfbildung derartig, dafs der Dampfdruck sehr bald auf wenige Atmo sphären sinkt. Aufserdem wurde auf dieser Strecke ein in sehr kurzen Intervallen sich folgender Maschinenwechsel vorgesehen, so dafs die auf den Steigungen bis aufs äufserste in Anspruch genommenen Locomotiven geschont wurden, andererseits auch stets Zeit fanden, neu Dampf aufzumachen, sowie Aufenthalte und Verspätungen im Zugförderungsdienst zu vermeiden. Hierdurch, sowie durch die erforderliche Kürzung der Zug folge wurde die Einrichtung von zwei ferneren Ausweichen bei Kilometer 2 und 4 bedingt. Die Thalstrecke Wernshausen-Herges hatte bei einer Länge von 9 km einen Höhenunterschied von 74 m, mithin nur eine Durchschnittssteigung von 1 : 122 zu überwinden. Jedoch enthielt auch diese Linie verschiedene sehr steile Stellen, welche auch hier die zulässige Zuglast wesentlich einschränkten. Die steilsten Strecken auf dieser Linie hatten eine Steigung von 1 :24 und 1 : 20 bis auf Längen von 170 bezw. 100 m. Die Thalstrecke wurde für gewöhnlich mit Zuglasten von 6 — 8 Wagen (42,6 — 56,8 t) und ausnahmsweise unter Einstellung von Vorspannmaschinen mit Zuglasten bis zu 16 Wagen gleich 113,6 t befahren. Auf der Bergstrecke wurde den Fahrplänen eine durch schnittliche Geschwindigkeit von 10, auf der Thalstrecke eine solche von 12 km zu Grunde gelegt, wodurch nicht ausgeschlossen war, dafs in einzelnen Fällen mit bedeutend gröfserer Ge schwindigkeit gefahren wurde. Der Betrieb im Jahre 1896 ist vom Tage der Eröffnung ab, bis zum Schlufs, welcher am 30. September stattfand, im allgemeinen glatt und ohne jede erhebliche Störung verlaufen. Die Züge wurden durchweg fahrplanmäfsig und mit grofser Pünktlichkeit befördert. Locomotiv-Ent- gleisungen auf freier Strecke kamen während des ganzen Betriebes nur zweimal vor. Befördert wurden im ganzen vom 11. Mai bis zum 30. Sept, rund 17 0001 oder 340000 Gtr. Güter, von denen mindestens 15 000 t oder 300000 Gtr. Baumaterialien für Brotterode waren. Personen wurden vom 15. Juni bis zum 20. September, an welchem der Personenverkehr geschlossen wurde, im ganzen 10000 befördert. Je nach dem Zu strömen der Güter auf der Staatsbahn wurden täglich bis zu 60 Feldbahnwagen mit 300 000 kg Nutzlast von Wernshausen bis Brotterode befördert. Die höchste tägliche Leistung betrug 64 Wagen mit 320 000 kg Nutzlast, die durchschnittliche Tagesleistung 31 Wagen mit 155 000 kg.