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328 Stahl und Eisen. Die Feldbahn Wernshausen-Brotterode in den Jahren 1896—97. 1. April 1898. Die Feldbahn Wernshausen-Brotterode in den Jahren 1896—97. Im Juli des Jahres 1895 war der im Kreise Schmalkalden am Fufs des Inselbergs belegene Marktflecken Brotterode von einer Feuersbrunst heimgesucht worden, welche binnen wenigen Stun den den ganzen Ort einäscherte. Bei der grofsen Armuth der Bevölkerung brach infolge dieses Brandes ein fast beispielloser Nothstand aus, welcher den möglichst schleunigen Wiederaufbau des Ortes zur dringenden Nothwendigkeit machte. Dieser Wiederaufbau des Ortes stiefs indefs auf grofse Hindernisse, da die Anfuhr der Bau materialien bei dem Mangel einer Bahnverbindung und den ungünstigen Steigungsverhältnissen der vor handenen Landstrafsen aufserordentliche Schwierig keiten und Kosten verursachte und bald gänzlich zu stocken drohte. In dieser Nothlage wandte sich der Landrath des Kreises durch die Regierung zu Cassel im Anfang December 1895 an die Eisenbalnbrigade bezw. das Kriegsministerium mit der Bitte, durch möglichst beschleunigte Herstellung einer Feldbahn verbindung der bedrängten Gemeinde Brotterode zu Hülfe zu kommen. Da es sich um einen in der That dringenden Nothstand handelte, und zu gleich die Herstellung der Bahn in Bezug auf die aufsergewöhnlichen Steigungen, welche zu über winden waren, von grofsem militärischen Interesse war, wurde die Eisenbahnbrigade ermächtigt, dem Bau der Bahn so rasch wie möglich nahe zu treten. Es fand infolgedessen nach vorangegangenen allgemeinen Orientirungen bereits in den ersten Tagen des Januar 1896 eine eingehende Erkundung des in Frage kommenden Geländes durch Offiziere der Eisenbahnbrigade statt. Diese Erkundung ergab als einzige Linie, welche für eine schnell und kriegsmäfsig herzustellende Bahnverbindung in Betracht kommen könne, die Linie Wernshausen — Herges — Brotterode unter möglichst ausgedehnter Benutzung der Chaussee. Diese Linie bot indefs gleichfalls namentlich auf ihrem höchstgelegenen Theil von Herges bis Brotte rode derartig ungünstige Steigungsverhältnisse, dafs es zunächst zweifelhaft erschien, ob dieselben über haupt noch durchweg mit Adhäsion ohne Ein legung von Seilstreckeii zu überwinden seien, denn die Chaussee, welche für die Bahn benutzt werden mufste, enthielt in ihrer durchschnittlichen Ge- sammtsteigung von 1:24 eine grofse Zahl mehr oder weniger kurzer Einzelsteigungen von 1:16 bis 1:13 und 1:12. Eine Milderung dieser Steigungen durch Verlassen der Chaussee und künstliche Entwicklung der Linie war in dem engen, von steilen Felswänden ein geschlossenen Trusen thai nicht möglich. Eine weitere Schwierigkeit schien die Durch querung des Dorfes Herges mit seinen steilen und engen Dorfstrafsen zu bieten; die steilste Steigung, welche innerhalb des Dorfes zu nehmen war, betrug 1:15. Das Dorf ist derartig zwischen die steil aufsteigenden Felswände des Trusenthais ein geklemmt, dafs eine Umgehung desselben inner halb der Thalwände ohne Niederlegung gröfserer Gebäudecomplexe nicht möglich war. Eine ge naue Aufnahme der Steigungen und entsprechende Fahrversuche führten jedoch zu der Ueberzeugung, dafs es möglich sein würde, bei entsprechender Anordnung des Betriebes auch diese immerhin bedeutende Schwierigkeit zu überwinden. Ebenso ergab eine genaue Aufnahme des Dorfes Herges die Möglichkeit, die Linie mit entsprechenden Windungen durch die Hauptstrafse des Dorfes zu führen. Die auf Grund dieser Vorarbeiten nunmehr endgültig festgelegte Linie überschritt, von Werns hausen ausgehend, in östlicher Richtung das Werra thai mit zwei eisernen Brücken über den Mühl graben und die Werra, mehreren hölzernen An- schlufs- und Fluthbrücken und einem im Durch schnitt 1,50 m hohen, 300 m langen Damm und gewann dann in möglichst kurzer Linie die Chaussee nach Brotterode, welch sie 1,2 km vor Brotterode verliefs, um an den ziemlich steilen östlichen Abhängen des Inselwassers entlang den Bahnhof Brotterode zu erreichen. Aufserdem mufste die Chaussee nur einmal bei Kilometer 11 ver lassen werden, um hier die Truse mit einer Pfahl jochbrücke zu überschreiten, und das zu starke Gefälle der Chaussee durch künstliche Entwicklung der Linie und entsprechend tiefes Einschneiden zu mildern. Mit den Absteckungsarbeiten wurde trotz hohen Schnees bereits am 12. Februar 1896 begonnen und am 3. März fand die landespolizeiliche Be gehung der Linie statt. Mit der Bauausführung wurde, sobald es die Witterungsverhältnisse irgend zu gestatten schienen, begonnen. Für dieselbe war aus Ersparnifsrücksichten nur eine Friedens compagnie bestimmt, welche am 17. März in der Stärke von 5 Offizieren, 15 Unteroffizieren und 106 Mann in Wernshausen eintraf. Zur Herstellung der eisernen Brücken über die Werra war eine zweite Compagnie bestimmt, welche am 21. März mit 100 Mann in Wernshausen eintraf. Dieselbe be gann sofort nach dem Eintreffen mit dem Bau der Brücken und stellte dieselben bis zum 2. April Abends fertig. Die Compagnie hatte zur Her stellung dieser beiden Brücken, von welchen die eine eine freie Spannweite von 16 m, die andere eine Gesammtlänge von 48 m mit einer freitragen- | den Mittelspannung von 36 m hatte, im ganzen 10 Tage gebraucht, wobei zu berücksichtigen ist, dafs der Bau durch aufserordentlich ungünstiges Wetter beeinträchtigt wurde.