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Berichte über Versammlungen aus Fachvereinen. Eisenhütte Oberschlesien. (Hauptversammlung vom 3. April 1898.) Generaldirector Mei er-Friedenshütte eröffnet die Versammlung und heifst die Erschienenen im Namen des Vorstandes herzlich willkommen, insbesondere auch die Gäste, die Vertreter Königlicher Staatsbehörden. Zu „geschäftlichen Mittheilungen“ wird von ihm bemerkt, dafs seit der letzten Hauptversamm lung 61 neue Mitglieder gewonnen sind. Durch den Tod abgegangen ist Hauptmann Schimmelpfennig, ein langjähriger Industrieller Oberschlesiens, dessen Verlust der Verein tief betrauert. (Die Versammlung ehrt das Andenken des Verblichenen durch Erheben von den Plätzen.) Aufserdem sind 3 Herren ausgetreten, so dafs der Mitgliederbestand 350Herren beträgt. (Beifall!) Vorsitzender theilt ferner mit, dafs die Jahresrechnung von 2 Seiten geprüft und an derselben nichts zu bemängeln gewesen sei. Von Verlesung derselben sowie des Protokolls wird Abstand genommen, da die Versammlung darauf verzichtet. Redner fährt fort: „Ich habe mir erlaubt, in einem kleinen Circular darauf hinzuweisen, dafs der Vorrath unserer technischen Vorträge nahezu erschöpft ist. Ich bitte Sie auch heute, meine Herren, in Ihre technische Brust zu greifen und solche Vorträge anzumelden. Es ist ja allerdings bequemer, wenn man sich von Anderen etwas vorerzählen läfst, — das Gegentheil schadet aber auch nichts. (Heiterkeit und Beifall!) Dem Vorstande gehören zur Zeit an die Herren: Bremme-Gleiwitz, Commerzienrath Caro-Gleiwitz, Oberbergrath Hilger-Zabrze, Holz-Witkowitz, Ge- heimrath J üngst - Gleiwitz, M ar x - Bismarckhütte, Meier-Friedenshütte, Niedt-Gleiwitz, Sugg-Königs- hütte. Da Wahl durch Zuruf ohne Widerspruch vor geschlagen wird, werden die genannten Herren in den Vorstand wiedergewählt, von denen die Anwesenden die Wahl annehmen. (Beifall!) Dann folgt der Vortrag von Oberbergrath a. D. Dr. Wachler-Berlin: „Handelsverträge und autonomer Tarif.“* (Vortrag des öfteren von lebhafterh Beifall, an zwei Stellen von vereinzeltem Widerspruch begleitet.) Zu der Besprechung ergriff zunächst das Wort Generaldirector Meier-Friedenshütte: M. H.! Ich spreche dem hochverehrten Herrn Redner unseren Dank aus, nicht nur für den lichtvollen Vortrag, sondern vor allem für den Eifer und das ungemeine Pflichtgefühl, welches er entfaltet hat, um beim Ab schlusse des russischen Handelsvertrags in unserem Interesse mitzuwirken. Es ist ein grofser Unterschied zwischen dem Abschlusse dieses russischen Handels vertrages und denjenigen, die man scherzhafterweise die „Patent “-Vertrge nennt. (Heiterkeit!) Wir hoffen von ganzem Herzen, dafs es dem Ausschüsse und speciell Herrn Oberbergrath W a c h 1 e r gelingen wird, auch beim Abschlufs künftiger Handelsverträge die Interessen der Nation in so zweckmäfsiger Weise zu vertreten! (Lebhafter Beifall!) Abgeordneter Bergrath Goth ein: In dem licht vollen Vortrage, den uns unser Ehrenmitglied Herr Oberbergrath Dr. Wachler soeben gehalten hat, sind * Vergl. vorige Nummer, S. 349. ja die Auffassungen weitester industrieller Kreise klar zum Ausdruck gekommen, und es giebt wenig, was man vielleicht dem noch hinzufügen könnte, was der geschätzte Herr Redner ausgeführt hat. Gestatten Sie, dafs ich zunächst an einen Punkt anknüpfe, der vielleicht in der kurzen Behandlung, die ihm bei der cursorischen historischen Darstellung zu theil werden mufste, doch zu Mifsverständnissen Anlafs geben könnte. — Herr Oberbergrath Dr. Wachler führte aus, dafs nach dem Rücktritt unseres früheren Reichskanzlers, des Fürsten Bismarck, der auch damaliger Handelsminister war, eine Schwenkung in unserer Zollpolitik eingetreten sei, indem man dazu überging, den Zoll für Getreide zu ermäfsigen und Handelsverträge abzuschliefsen. (Zuruf!) Der Zoll, welcher erhöht worden war im Jahre 1885 auf 3 , im Jahre 1887 auf 5 JI. für Weizen und Roggen, wurde in dem Handelsverträge mit Oesterreich herab gesetzt auf 3,50 . — Ja, m. H., das war nicht ein so ganz freiwilliges Vorgehen, eine vollständige „Schwenkung“ in der Zollpolitik, sondern die Sache war zwingend, war nothwendig geworden durch die ganze Entwicklung der Zollpolitik, die nicht in Deutsch land allein, sondern vor allem auch in anderen Staaten damals zur Herrschaft gelangt war. Man kann voll ständig auf dem Standpunkte stehen, dafs die Zoll politik, wie sie Fürst Bismarck 1879 inaugurirt hat, eine Nothwendigkeit für unser heimisches Erwerbs leben war; aber man wird sich ebensowenig Zweifeln darüber hingeben dürfen, dafs die Schutzzollpolitik, welche Deutschland nunmehr für sich zur Anwendung brachte, für andere Staaten als ein nachahmenswerthes Beispiel wirkte, nun auch ihrerseits in gleichem Sinne vorzugehen. — Mit Recht hat Herr Oberbergrath Wachler ausgeführt, dafs die Initiative für diese Schutzzollpolitik nicht von Deutschland ausgegangen ist, dafs bereits vorher sowohl Rufsland wie namentlich Oesterreich und Italien in höherem Mafse als wir zur Schutzzollpolitik übergegangen waren. Immerhin — das möchte ich feststellen — bewegte sich die damalige Schutzzollpolitik in jenen Ländern in gemäfsigten Grenzen, und ich kann die Auffassung des Herrn Referenten — mit dem ich ja im grofsen und ganzen durchaus übereinstimme — nicht theilen, dafs Frank reich früher als wir zur eigentlichen Schutzzollpolitik übergegangen wäre. Allerdings erhöhte Frankreich damals eine Anzahl von Zöllen in den 70er Jahren, u. a. 1876, die sich aber im wesentlichen als Finanz- Zölle darstellen, während die Actionen, die Frankreich damals zur Durchführung der Schutz Zollpolitik machte, scheiterten. Erst später, nach Durchführung der deutschen Schutzzollpolitik, ist auch Frankreich zum systematischen Schutzzoll übergegangen, und ging dann allerdings in seinen Zollsätzen weit über das hinaus, was deutscherseits eingeführt wurde. Ebenso hat die deutsche Schutzzollpolitik darauf hingewirkt, in anderen Staaten, in Rufsland, Oesterreich, Italien, nicht zum mindesten in der Schweiz, eine Schutzzoll bewegung hervorzurufen, bezw. sie zu steigern. Die Schweiz motivirte ihre Schutzzollpolitik aus drücklich damit, dafs es für ein so kleines Land nicht möglich sei, eine von der der gröfseren Staaten ab weichende Zollpolitik zu treiben. Dieselbe Erscheinung haben wir in Schweden und Norwegen, wo nunmehr die Schutzzollaera in für uns so unangenehmer Weise zum Durchbruch gelangt ist. Ganz ähnlich war es in Belgien und einigen Uebersee- staaten. Nun ging 1891 Frankreich, das sich voll ständig dem Protectionismus zugewendet hatte, dazu