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1. Mai 1898. Die Industrie als Förderin der Marinetechnik. Stahl und Eisen. 405 Stoff, nach Harvey gehärtet, am besten waren. Nach diesen Versuchen bringt man Platten von ursprünglich 0,2 bis 0,25 % Kohlenstoff nach der Formbearbeitung in einen Glühofen, in welchem den mit feingekörnter Kohle bedeckten Stirnseiten bis etwa 1/3 der Plattendicke während eines etwa fünftägigen Glühens Kohlenstoff bis zu dem ge wünschten Grade zugeführt wird, während die in Sand gebetteten Rückseiten unverändert bleiben. Nach beendeter Kohlenstoffanreicherung wird die noch rothglühende Stirnseite in kaltem fliefsenden Wasser gekühlt, wodurch sie einen hohen Grad von Härte erreicht, während ihre Rückseite weich bleibt. Wir haben es also bei der Nickelstahlplatte, abgesehen von deren durch Nickelgehalt erhöhten Materialqualität, mit einer Gompoundplatte zu thun, deren weiche und harte Seite hier indessen un zertrennbar miteinander verbunden sind. Die Firma Krupp und auch die Dillinger Hütte fertigen diese Nickelstahlplatten, nachdem sie noch das hydraulische Prefsverfahren dabei eingeführt und die Härtung ein wenig anders vornehmen als Harvey, in so vorzüglicher Beschaffenheit, dafs selbst das stolze England, nachdem es lange ver sucht, den Kruppschen ähnliche Platten herzu stellen, sich dazu bequemt hat, in Deutschland Nickelstahlplatten herstellen zu lassen und schliefs- lieh das Patent aufzukaufen, um marinetechnisch nicht ins Hintertreffen zu gerathen. Diese gehärteten Nickelstahlpanzerplalten sind das Vollkommenste, was man besitzt, und sichern abermals der Hüttentechnik einen Sieg über die Artillerie. Freilich fehlt es nicht an Versuchen, auch diese Kruppschen Nickelstahlpanzer zu vernichten. Zwei Bestrebungen will ich darunter nicht un erwähnt lassen, die des Amerikaners Johnson und des Engländers Maxim. Anfang dieses Jahres nämlich kam die Nachricht aus Amerika zu uns herüber, dafs man dort mit einem Geschofs von 152 mm Kaliber und einem Gewicht von 45 kg eine 254 mm, also mehr als anderthalb Kaliber dicke, gehärtete Nickelstahlplatte nebst Holzhinterlage glatt durchschlagen hatte. Das Geschofs hatte nur wenig Beschädigungen erlitten. Die weiteren Beschreibungen ergaben, dafs Johnson die Con- struction des bisherigen Panzergeschosses bei behalten. Die überraschende Durchschlagskraft des Geschosses ist zunächst durch Verwendung von besonders gutem Material erreicht, ferner durch Härtung nach einer bis jetzt noch geheim gehaltenen Methode und drittens durch Auf schrauben einer Kappe von weichem Stahl. In letzterem liegt die Neuerung und die die ge- sammten interessirten Kreise in Erstaunen setzende Wirkung. Bald ergaben auch Versuche, die in Frankreich möglichst geheim betrieben wurden, die gleichen verblüffenden Resultate. Man sieht sich hier vor einem physikalischen Räthsel, dessen Lösung noch nicht gefunden ist. I Es sind die verschiedensten Erklärungen bereits gegeben, von denen aber keine unbestritten an erkannt ist. Die eine sei hier wiedergegeben: Sticht man eine Nähnadel durch einen Flaschen kork möglichst in der Längsachse, so dafs die Spitze nur eben vorsteht, setzt dann diesen Kork mit der Nähnadelspitze auf eine Kupfermünze und schlägt mit kurzem, aber nicht zu heftigem Hammer schlage auf die Nähnadel, so wird man dieselbe in die Münze eintreiben können, was ohne die Stütze des Korkes nicht möglich wäre. Die Stelle des Korkes bei der Nähnadel soll nun die Kappe aus weichem Eisen beim Panzergeschofs während des Eindringens der Granate in den harten Panzer vertreten. So vollkommen das Johnson-Geschofs aller dings erscheinen mag, so haftet ihm doch ein grofser Mangel an, der seine Wirkung im Ernst fälle sehr herabsetzt, denn seine phänomenale Durchschlagskraft zeigt sich nur beim senkrechten Auftreffen der Geschosse auf die Panzerplatte; sobald der Schufs etwas schräge trifft, geht die wunderbare Wirkung der weichen Kappe ganz verloren und verursacht entweder nur ein leichteres Abgleiten der Granate oder gar ein Abbrechen ihrer gehärteten Spitze. Berücksichtigt man, dafs im Kampfe der Schlachtschiffe der Schrägschufs wohl der am häufigsten vorkommende sein wird, so ist es doch höchst fraglich, ob man je unsere Schiffsgeschütze mit Johnsonschen Kappengranaten ausrüsten wird, da die Vortheile beim senkrechten Schufs kaum die Nachtheile beim Schrägschufs aufheben können. Etwas mehr Aussicht auf Erfolg wird vielleicht das Vorgehen des Engländers Maxim haben. Nach den Erfahrungen der Seeschlacht am Yalu, wo die Japaner mit den Zündergranaten ihrer Schnellfeuergeschütze fast die ganze chine sische Flotte kampfunfähig gemacht haben, wäh rend die Panzergeschosse der Chinesen wohl kleine Löcher schlugen, in die auch Wasser eindrang, doch keinen gröfseren Schaden anrichteten, hat man mehr und mehr darauf verzichtet, den Panzer zu durchschiefsen. Denn die Menge der aufgewendeten Munition steht nicht in richtigem Verhältnifs zu dem zu erreichenden Schäden an den Schiffen, weil die gepanzerten Flächen heute nicht mehr grofs sind bei modernen Schlacht schiffen, und das Treffen solcher kleinen Panzer- Zielflächen auf bewegtem Meer mehr oder weniger vom Zufall abhängt. Man ist daher mehr bestrebt, die feindlichen Schiffe mit Zünder granaten, welche grofse Quantitäten guten Spreng pulvers enthalten, zu beschiefsen, um alle auf ungeschützten Theilen des Schiffes sich aufhal- tenden Menschen durch Sprengstücke zu ver nichten, die Befehlsübermittelungen zu zerstören und auch durch glücklichen Zufallstreffer Geschütze und Maschinen aufser Gefecht zu setzen. Man