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I. December 1899. Die Hochofen von Creusot während des Arbeiterausstandes, Stahl und Eisen. 1101 Die Hochöfen von Creusot während des Arbeiterausstandes vom 20. September bis 6. October 1899. Ueber das Verhalten der Hochöfen in Creusot während des letzten Arbeiterausstandes wird wie folgt berichtet.* Während der Arbeiterausstand in Creusot im Mai 1899 länger vorauszusehen war, brach der letzte Ausstand fast plötzlich aus.** Im Mai hatte man genügende Zeit, um leere Gichten mit dem nöthigen Koks nieder gehen zu lassen; im September konnte diese Vorsichtsmafsregel nicht mehr getroffen werden, , die Hochöfen mufsten mit den schweren Gichten des gewöhnlichen Betriebes stillgesetzt werden. Allerdings konnte man die Hochöfen vorher noch abstechen. Drei Hochöfen gingen auf Thomas eisen und einer auf Puddeleisen. Es wurden im übrigen nach dem Abstellen des Windes die selben Arbeiten wie im Mai 1899 *** vorgenommen. Als nach einigen Tagen der Wasservorrath I in den Behältern bedenklich abnahm und der- i selbe nicht ergänzt werden konnte, beschlofs I man, die. Formen selbst auf die Gefahr hin, dieselben vor der Wiederinbetriebsetzung alle oder theilweise erneuern zu müssen, ohne fernere Wasserkühlung in den Gestellen sitzen zu lassen. Bei einem der Hochöfen, welcher auf Thomas roheisen ging, fing die Gichtglocke an warm zu werden; auch wies der aus den Schornsteinen aufsteigende Rauch darauf hin, dafs in diesen Ofen Luft eindrang. Nachdem mit Hülfe der Meister die Fugen in Gestell und Rast ver- I strichen waren, hörte die Wärme- und Rauch entwicklung auf. Am 10. October führte man, um sich von dem Zustand des Inhalts der Gestelle der Oefen zu unterrichten, durch die Formen Stangen ein; bei drei Oefen konnte man mit diesen Stangen leicht und weit eindringen; beim vierten Ofen weicher auch an den Undichtigkeiten iin Mauer, werk gelitten hatte, stiefsen die Stangen in der Mitte des Gestells auf Widerstand; die Stangen wurden bei allen Oefen zwar warm, aber nicht roth. Als der Arbeiterausstand beendet war, richtete man bei je zwei steinernen Winderhitzern eines jeden Hochofens Hülfsfeuerungen ein, in welchen man zunächst Gaskoks und dann Kohle und Koks, in möglichst grofsen Mengen, verheizte. * „L’Echo des Mines et de la Metallurgie“ 1899 Nr. 1241 Seite 6125. Ueber Dämpfen von Hochöfen siehe auch „Stahl und Eisen“ 1889 Seite 991. ** Vergl. Seite 1093 bis 1100 dieser Nummer. *** „L’Echo des Mines et de la Metallurgie“ vom 15. Jimi 1899 und „Stahl und Eisen“ 1899 Seite 723. Nachdem diese Hülfsfeuer 48 Stunden ge wirkt hatten, konnte man am 12. October, nach 22tägigem Stillstände, die Vorbereitungen zum Wiederanblasen der Hochöfen treffen. Alle Windformen wurden zwecks Feststellung des Zustandes derselben herausgenommen, und alle in gutem Zustande befunden; während dieser Arbeit konnte kein Feuer im Gestell in der Höhe der Form beobachtet werden; dasselbe war erst in der Höhe der Nothformen fest zustellen. Die Wiederinbetriebsetzung der Hochöfen geschah unter Beobachtung der gewöhnlichen Vorsichtsmafsregeln; der Wind wurde von allen Oefen leicht aufgenommen. Die Gichten fielen bei allen vier Oefen nach einiger Zeit um etwa 1 m und zogen dann regelmäfsig und gleichförmig. Man blies mit einer Windtemperatur von 250 bis 300° an und verwandte zunächst alle Gase zwecks Erhöhung dieser Temperatur in den Winderhitzern. Ans der Lürmannschen Schlackenform konnte man zunächst nur Roh schlacke ablassen; mit der Zunahme der Wind temperatur wurde die Schlacke gar, und konnte man durch die Hülfsstichlöcher abstechen; bei dem Ofen jedoch, welcher auf Puddeleisen ging, und bei einem der anderen Oefen, mufste man in höherer Lage abstechen, weil das Eisen im Gestell erkaltet war. Schon am 14. October konnte man bei allen Oefen wieder die alten Stichlöcher benutzen; die Gichten zogen gut und die Schlacke war hell. Nach der Aufnahme des Betriebes hatte man zuerst zwei leere Gichten gegeben, welchen inan leichte Gichten folgen liefs; als diese ersten Gichten jedoch in die Gestelle traten, war in denselben nicht nur die Hitze wieder gut, son dern auch deren Weite war wieder eine genügende. Somit konnte die Wiederinbetriebsetzung der Oefen trotz der starken Abkühlung derselben, ohne besondere Schwierigkeiten und ohne Hängen der Gichten bewirkt werden. Die Wiederinbetrieb nahme aller übrigen Werkstätten hing von dem Betriebe der Hochöfen ab. Bei der heutigen Roheisennoth würde ein Mifslingen der glatten Wiederinbetriebsetzung von unberechenbarem Schaden für die Creusotwerke und für die Ar beiter gewesen sein. Osnabrück, im November 1899. Fritz W. Lürmann.