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Die ersten Spatenstiche zur Shantung-Eisenbahn. Der „Ostas. Lloyd“ vom 30. September berichtet: Se. Kgl. Hoheit Prinz Heinrich von Preufsen, der seit Beginn der vorigen Woche in dem neu er öffneten Hotel „Prinz Heinrich“ Wohnung genommen hat, stattete am 23. d. M. der Stadt Kiautschou einen Besuch ab. In Ta po tau, wohin die Fahrt über die Bucht mit einer Dampfpinasse zurückgelegt war, wurde er vom Beg.-Baumeister Hildebrand empfangen und dann zu Pferde nach Kiautschou geleitet. In der Begleitung des Prinzen befanden sich Contre-Admiral Fritze, Stabsarzt Dr. Lerche, der persönliche Adjutant Corvettencapitän von Witzleben, die Capitänlieutenants Hintze und von Trotha sowie der Marineschriftsteller J. Wilda. Bei der Ankunft der Cavalcade am Thor von Kiautschou um 121/2 Uhr Mittags wurde Se. Kgl. Hoheit vom Magistrat der Stadt in besonders freund licher Weise begrüfst. Nach kurzer Bast in der Wohnung des Hrn. Hildebrand, die in dem Verwaltungs gebäude der Shantung-Eisenbahn gelegen ist, begab sich der Prinz mit seiner Begleitung nach der etwa 10 Minuten aufserhalb der nördlichen Stadtmauer gelegenen Stelle, die für den Bahnhof ausersehen ist. Hier hatten die Beamten der Eisenbahn-Verwaltung sowie die Spitzen der chinesischen Behörden unter einem Zelte Aufstellung genommen, das vom Stadt magistrat hergerichtet war. Regierungs-Baumeister Hildebrand drückte in kurzer Ansprache die hohe Befriedigung und Freude der Eisenbahngesellschaft darüber aus, dafs Se. Kgl. Hoheit einen so warmen Antheil an dem Werke nehme, welches die erste derartige grofse deutsche Culturarbeit im Osten dar stelle, und bat darauf den Prinzen, die ersten Spaten stiche an dem Werke zu thun. Indem dieser den Spaten ergriff, erwiderte er: „Zu dem Werke, welches menschlicher Geist erdacht hat und arbeitsame Hände fördern sollen, möge Gott seinen Segen geben. Möge dieses Werk ferner dem Deutschen Reiche zu Ehre gereichen und dazu beitragen, sowohl deutsche Cultur wie deutsche Pflichttreue zu verbreiten, als auch die bereits bestehenden guten Beziehungen zwischen dem Deutschen und dem Chinesischen Reiche zu fördern und zu befestigen. Dieses sind meine Wünsche, welche die heutigen drei Spatenstiche begleiten sollen.“ Darauf that der Prinz die drei Spatenstiche, und zwar den ersten in der Richtung nach Weishien, dem Innern, den zweiten in der nach Ta pa tur, dem Meere, und den dritten in der Richtung nach Tsintau, dem deutschen Stützpunkt. In diesen drei Richtungen wird nunmehr von Kiautschou aus der Bau gleich zeitig begonnen werden. Dem Beispiele des Prinzen folgten dann auch die sämmtlichen Herren seiner Be gleitung ; jeder that drei Spatenstiche; dann kamen die Spitzen der chinesischen Behörden, der Civil- und der Kreismandarin mit ihren Adjutanten und Secretären, zuletzt die Beamten der Baugesellschaft. Darauf begab sich der Prinz in die Wohnung des Hrn. Hildebrand zurück, wo ein Frühstück stattfand, an dem gleichfalls die chinesischen Behörden theil- nahmen. Während desselben brachte Hr. Hildebrand drei Hurrahs auf Se. Majestät den Kaiser aus. — Am 24. Mittags traf Se. Kgl. Hoheit wohlbehalten von der vom schönsten Wetter begleiteten Tour in Tsintau wieder ein. Mal's- und Gewichtsrevisionen in Fabrikbetrieben. „Das Gufsstahlwerk Witten hat“, so schreiben die „Berliner Neuesten Nachrichten“, „in einer Streitsache wegen der Mafs- und Gewichtsrevisionen beim König!. Oberverwaltungsgericht ein obsiegendes Erkenntnifs erstritten. Es liegt uns jetzt das Urtheil im Wortlaut vor. Da dasselbe für die industriellen Kreise von allgemeiner Bedeutung ist, weil es die Zulässigkeit von Mafs- und Gewichtsrevisionen in Fabrikbetrieben verneint, theilen wir Nachfolgendes daraus mit. Der Sachverhalt ergiebt sich aus der nachstehenden Ver fügung der Polizeiverwaltung der Stadt Witten an das Gufsstahlwerk Witten vom 8. November 1897: „Bei der im August d. J. auf diesseitige Veran lassung durch den Aichmeister Grämer hier ausgeführten technischen Mafs- und Gewichtsrevision ist dem p. Crämer der Zutritt zum dortigen Werke zwecks Aus führung der Revision untersagt worden. Wie fest gestellt, findet auf dem Gufsstahlwerk Witten ein öffent licher Verkehr insofern statt, als die Fabricate (wenn auch im grofsen) nach Mafs und Gewicht abgesetzt werden. Da nun nach Art. 10 der Mafs- und Ge wichtsordnung vom 17. August 1868 zum Zumessen und Zuwägen im öffentlichen Verkehr nur gehörig gestempelte Mafse, Gewichte und Waagen angewendet werden dürfen, so hat sich die Revision auch auf das dortige Werk zu erstrecken und zwar entsprechend der Bestimmung im Ministerialerlafs vom 19. Juli 1895 auf diejenigen Räume, in welchen sich der Absatz der Fabricate vollzieht. Die Mafs- und Gewichts revision werden wir daher nunmehr veranlassen.“ Das Gufsstahlwerk führte hierüber unter Berufung auf das Urtheil des Oberverwaltungsgerichts vom 20. September 1894 und mit der Ausführung, dafs es keine Räume habe, in denen Waaren für Jedermann feilgehalten oder verkauft würden, bei dem Königl. Regierungspräsidenten zu Arnsberg Beschwerde, wurde aber am 28. Februar 1898 ablehnend beschieden mit nachstehender Begründung: „Die angestellten Ermittlungen haben ergeben, dafs im Laufe des vergangenen Jahres mehrere Per sonen Waaren aus den Lagerbeständen des Gufsstahl- Werks gekauft haben. So hat der Schlossermeister Boneke dortselbst, Johannisstrafse 14 wohnhaft, im Laufe des letzten Sommers eiserne Platten, bezw. Eisenblechplatten von dem Gufsstahlwerk erstanden und die Waare aus den vorhandenen Beständen aus gesucht. Auch der Ankauf von altem Eisen (Schrott) er folgt bei dem Gufsstahlwerk nach Wägung auf der dort aufgestellten Centesimalwaage. Somit findet in den Räumen des Gufsstahlwerks ein öffentlicher Ge werbeverkehr und ein Absatz der Erzeugnisse statt. Die hierzu benutzten Mafs- und Wägemittel sind da her gemäfs dem Ministerialerlafs vom 19. Juli 1895 (II. 9962) der polizeilichen Controle unterworfen.“ Auch die weitere Beschwerde bei dem Königl. Oberpräsidenten der Provinz Westfalen wurde zurück gewiesen. Das Gufsstahlwerk hat hierauf geklagt und wieder geltend gemacht, dafs nur Fabricationsräume vorhanden seien, einzig auf Bestellungen hin, nicht aber auf Lager fabricirt werde und der Verkehr mit der Kundschaft ausschliefslich auf schriftlichem Wege durch das kaufmännische Bureau abgewickelt werde. Das Oberverwaltungsgericht hat, wie oben bemerkt, zu Gunsten des Klägers entschieden und in seinem Urtheile u. a. Folgendes ausgeführt: „Unbedenklich gilt dasjenige, was gegenüber den Gewerbetreibenden und bei einem Verkauf im kleinen Rechtens ist, auch gegenüber den Fabricanten und bei einem Feilhalten oder Verkauf im grofsen. Es kommt daher im vorliegenden Falle in der That lediglich auf dasjenige an, worüber die Parteien allein streiten, nämlich, ob ein Theil der Geschäftsräume des Klägers ausschliefslich oder zugleich als öffent liches Verkaufslocal der Art dient, dafs darin Waaren für Jedermann feil gehalten oder verkauft werden. Trifft dies nicht zu, so fehlt der angefochtenen Ver fügung die zu ihrem Erlafs erforderliche thatsächliche Voraussetzung und sie unterliegt deshalb der Auf hebung (§ 127 Abs. 3 Nr. 2 des Gesetzes über die allgemeine Landesverwaltung vom 30. Juli 1883).